piwik no script img

Studie zu künstlicher IntelligenzBist du schwul oder was?

Eine Studie sagt, ein Computer könne die sexuelle Orientierung eines Menschen an seinem Gesicht erkennen. Ist das wirklich so einfach?

Ob der Regenbogen wohl auch mitgescannt wird? Foto: dpa

Die sexuelle Orientierung steht einem Menschen im Gesicht geschrieben – könnte man zumindest meinen, wenn man einen flüchtigen Blick auf eine kürzlich erschienene Studie der Stanford University wirft. Darin untersuchten Computer Fotos von mehr als 35.000 Gesichtern mit dem Ziel herauszufinden, welche der abgebildeten Personen homosexuell und welche heterosexuell ist.

Das Ergebnis klingt faszinierend: Anhand eines Porträtfotos konnte der Algorithmus zwischen homo- und heterosexuellen Männern mit einer 81-prozentigen Trefferwahrscheinlichkeit unterscheiden, bei Frauen lag die Quote bei 71 Prozent. Mit jeweils fünf Fotos pro Person steigt die Wahrscheinlichkeit gar auf 91 beziehungsweise 83 Prozent. Das klingt nach viel Gewissheit – ist aber ziemlich irreführend.

Die Wissenschaftler benutzten Fotos von (vor allem weißen) NutzerInnen einer Dating-Webseite, wussten also, welche sexuelle Orientierung in den jeweiligen Profilen angegeben war. Das Programm analysierte jeweils Fotos einer homo- und einer heterosexuellen Person und der Algorithmus musste sich entscheiden: Wer von den beiden ist schwul oder lesbisch und wer nicht.

Homosexuelle Menschen sollen demnach eher „gender-atypische“ Gesichtsmerkmale haben – und zwar nicht nur, was gewählte Attribute wie Frisur oder Augenbrauen angeht. So führt die Studie für schwule Männer etwa im Vergleich zu heterosexuellen Männern schma­lere Kiefer, längere Nasen und höhere Stirnen an, für lesbische Frauen breitere Kiefer und kleinere Stirnen.

Ein Beleg dafür, dass sexuelle Orientierung angeboren sei, verkünden die Macher der Studie nun – und sehen dadurch die sehr umstrittene pränatale Hormontheorie (PHT) bestätigt. Danach soll die sexuelle Orientierung eines Menschen abhängig sein von der Menge an androgenen Hormonen, denen er oder sie im Uterus ausgesetzt war. Dieselben Hormone seien auch für Geschlechterunterschiede im Gesicht verantwortlich. Wissenschaftlich bewiesen ist diese Theorie bislang allerdings nicht.

Methodik der Studie nicht infragegestellt

In vielen Medien – von den Jugendportalen Bento und Noizz über Spiegel Online bis zum Economist – wurde die Studie in den vergangenen Tagen aufgeregt besprochen. Der britische Guar­dian etwa schreibt unter der Überschrift „Neue künstliche Intelligenz kann anhand eines Fotos erraten, ob du schwul oder hetero bist“, dass das Ergebnis der Studie „knifflige ethische Fragen“ eröffne. So könne eine solche Technik etwa in Ländern, in denen Homosexuelle verfolgt werden, gegen diese eingesetzt werden. Zwangsoutings würden zu einer Leichtigkeit.

Das klingt kritisch, stellt aber – wie die anderen Texte auch – die Methodik der Studie überhaupt nicht infrage, und damit auch nicht, dass durch diese Studie die pränatale Hormontheorie bestätigt würde. Dabei wäre das geboten.

Es genügt eigentlich ein Blick auf die Methode, um stutzig zu werden

Denn es genügt eigentlich ein Blick auf die Methode, um stutzig zu werden. Würde man mir zwei Männer vor die Nase setzen und sagen: Einer ist schwul und einer hetero, und ich würde mit geschlossenen Augen auf einen von beiden deuten und sagen: „Der ist schwul“, dann läge meine Trefferquote, wie bei jedem Zufallsgenerator, bei: 50 Prozent.

Der Algorithmus schafft 81 Prozent – aber wir sollten nicht vergessen, dass dieser eben auch selbst gewählte Attribute wie Haarschnitt und Frisur einbezieht und dass es sich um Fotos von einer Dating-Plattform handelt. Die Abgebildeten wollen also eine bestimmte Zielgruppe ansprechen.

Vor allem aber existiert die Versuchsanordnung – zwei Menschen mit definitiv unterschiedlicher sexueller Orientierung – so nur im Labor. Viel interessanter wäre, ob eine Software anhand eines einzigen Gesichts herausfinden könnte, ob der dazugehörige Mensch homo- oder heterosexuell ist. Dann gibt es aber plötzlich statt zwei Möglichkeiten – richtig oder falsch – vier Optionen: Die Software sagt, ein Mann sei schwul – und es stimmt oder eben nicht. Oder sie sagt, er sei hetero – und es ist richtig oder falsch. Die Autoren Michal Kosinski und Yilun Wang sagen selbst, dass die Trefferquote in einer solchen Konstellation deutlich geringer sei.

Einer der Studien-Autoren sorgte schon früher für Wirbel

Michal Kosinski ist übrigens jener Mann, der nach der Wahl Donald Trumps von sich reden machte: als Erfinder ebenjener Technik, mit der ein Unternehmen namens Cambridge Analytica angeblich Trumps Wahl zum Präsidenten der USA in die Wege leitete. Damals erzählte Kosinski dem schweizerischen Magazin, seine Technik könne verschiedene Eigenschaften eines Menschen anhand seiner Face­booklikes teilweise besser bestimmen, als das Partner oder Partnerin der jeweiligen Person könnten.

Die Studie sorgte für Wirbel – nicht zuletzt, weil viele eine Erklärung für das soeben Geschehene dankbar annahmen. Mit der Zeit tauchten dann aber auch jene Stimmen auf, die davor warnten, die Methode als allzu mächtig anzusehen.

Die zahlreichen Daten, die über uns für alle Öffentlichkeit einsehbar in der Welt kursieren, verraten in der Tat viel über uns. Kosinski sagt, er wolle mit der Veröffentlichung der aktuellen Studie vor allem auf die Gefahren aufmerksam machen – und aufmerksam sollten wir sein.

Das gilt jedoch auch für die ­Ergebnisse von Studien – und deren Präsentation in den ­Medien. Einen Beweis für die pränatale Hormontheorie bedeuten die Ergebnisse keineswegs – und eine Trefferwahrscheinlichkeit von 81 Prozent ist nicht ganz so hoch, wie es sich anhören mag.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

42 Kommentare

 / 
  • Und eben hat Apple ihr neustes iphone vorgestellt mit gesichtserkennungssoftware zum entsperren.

     

    und jetzt kombinieren wir dies mit der im Artikel besprochenen Software.. und schwubbs haben wir eine unermesslich grosse Datenbasis an gesichtern zum einteilen... weltweit

  • Kann mir vielleicht mal jemand erklären, warum schwulsein immer und immer wieder diskutiert wird. Ich weiß nicht, wie hoch der Anteil an Schwulen in der Bevölkerung ist: Sind es 70, 80 oder gar 90 Prozent ? Oder sind es in Wirklichkeit nicht eher 5, 10 oder 15 Prozent ? Warum immer dieser Bohei ums Schwulsein ? Fährt mein Auto besser, wenn der Monteur schwul ist ? Hält die Waschmaschine längwer, wenn sie mir ein Schwuler verkauft ? Ist es einfach Mode ? Sowas in der Art von: Diesen Sommer tragen alle Karos ? Ich kapier´s nicht.

    • @Thomas Schöffel:

      Fragen Sie das einen Schwulen! Er wird wohl antworten, dass er im Alltag immer noch dafür diskriminiert wird.

      Wenn nur noch über Mehrheiten und deren Probleme diskutiert wird, lebten wir dann noch in einer würdigen Umgebung? Lassen Sie mich raten: Sind Sie als Mehrheitsperson, bspw in Heterosexualität eifersüchtig auf die Fokussierung im Thema sexuelle, diskriminierte Minderheiten?

      Fragen Sie dabei weniger, wie es Ihnen oder Ihren Haushaltsmaschinen ergeht, sondern dem evtl schwulen Monteur in seinem Privatleben.

      • @lions:

        Ich verstehe Ihre Antwort nicht. Wieso soll ich mich dafür interessieren, daß irgendjemand aus dieser Gruppe gegebenenfalls diskriminiert wird ? Nur, weil diese Personengruppe medial hervorgehoben wird, muß ich mich doch nicht damit befassen. Ich finde nur das Interesse gerade an dieser Gruppe so auffallend. Man könnte sich ebensogut für Rollstuhlfahrer oder Obdachlose interessieren. Warum aber gerade Schwule ?

  • "waren Menschen gezwungen sich ihrer Menschlichkeit weitreichend zu entledigen, um den wahnsinnigen Vorstellungen ihrer jeweiligen Unterdrücker, zumindest oberflächlich, gerecht zu werden"

     

    Bezüglich des deutschen Faschismus lügen Sie sich die Geschichte zurecht. Das ist revisionistische Heuchelei. Das deutsche Volk war begeistert vom Nationalsozialismus und vom "totalen Krieg", die militärische Niederlage war für viele ein unverarbeitetes Trauma über Jahrzehnte. Für manche ist sie das immer noch. Die Verbrechen wurden schlicht geleugnet und verdrängt, die Erinnerung zugeschüttet. Erst die nachfolgenden Generationen mussten den mühsamen Prozess der Auseinandersetzung und Aufarbeitung leisten, oft zunächst im kleinen, familiären Kreis, später dann auch im öffentlichen Diskurs. Viele Täter behielten Oberwasser und gesellschaftliches Ansehen, Untersuchungen gab es oft genug erst nach ihrem Ableben.

     

    "Genderstudies-Studenten (...) sind sich bei der Frage nach der Herkunft der sexuellen Ausrichtung einig"

     

    Das ist weder Aufgabenstellung noch von wesentlichem Erkenntnisgewinn für Gleichstellungsfragen. Sie äußern sich zu einem Thema, von dem Sie nichts verstehen, dem gegenüber Sie aber eine - vermutlich rein politisch motivierte - Abneigung hegen. Billig und leicht durchschaubar. In der Sache haben Sie nichts mitzuteilen. Schweigen wäre ratsamer gewesen. Aber es bewahrheitet sich bei Ihnen mal wieder, dass sich hier jeder nur so gut blamiert, wie er kann.

    • @cursed with a brain:

      Ach wirklich ist das so? Von den Ideen und Zielen, sowohl des Faschismus, als auch des Kommunismus, waren die Menschen begeistert. Das gilt heutzutage für den Kommunismus übringends teilweise immer noch.

       

      Von dem was dabei heraus gekommen ist waren die Menschen aber weniger begeistert und das ist ebenfalls für beide Lager wahr. Hunger, entbehrungen, der Kältetod in Stalingrad, die Angst vor der Vergewaltigung im Falle der Niederlage, die Arbeit in Vernichtungslagern und währenddessen noch so tun als sei man von all dem begeistert. Wer ernsthaft glaubt die Menschen mussten sich dafür nicht verbiegen dem fehlt es an jeglichem Einfühlungsvermögen!

       

      Ich hege eine, in der tat auch politisch motivierte, abneigung gegen politischen Aktivismus in der Forschung. Dieser findet sich nunmal hauptsächlich in den geisteswissenschaftlichen Fachbereichen und er ist eine Schande für jeden echten Wissenschaftler. Ob sich jemand damit auch beruflich beschäftigt sei mal dahingestellt. Wer in der Wissenschaft arbeitet der muss seinen Aktivismus klar von seiner Forschung trennen. Das passiert dort an vielen Stellen nicht.

  • Selbstverständlich ist Homosexualität angeboten.

    Warum hätte jemand z.B. während der Zeit des Nationalsozialismus aus eigenem Willen homosexuell werden sollen? Oder im Mittelalter?

    Und das Hormone dabei eine Rolle spielen ist auch klar. Was denn sonst.

    Gleichwohl ist es ziemlich widerlich auch nur darüber nachzudenken ein Gesichtserkennungsprogramm zur Erkennung von Homosexualität zu erstellen.

  • Hab ich es überlesen oder wird im Artikel an keiner Stelle hinterfragt WARUM mensch überhaupt mit einem Computer die sexuelle Orientierung eines anderen Menschen feststellen möchte? Wie in einem anderen Kommentar bereits erwähnt: einfach widerlich! Ich hoffe der Computer fliegt den "Wissenschaftlern" um die Ohren wenn ein (aus Unsicherheit nicht geouteter) BI-sexueller Mensch "getestet" wird!

    • 8G
      87203 (Profil gelöscht)
      @Tralala:

      Naja, weils geht.

      Die Hardware ist mittlerweile so schnell, dass auch eine tiefe Mustererkennung recht kostenguenstig machbar ist.

       

      Wenn Wissenschaftler nun zeigen, was mit solchen Methoden machbar ist, ist das erst einmal gut. Denn ich gehe davon aus, dass Geheimdienste und Polizei so ein Profiling schon jetzt durchfuehren, die Oeffentlichkeit aber nicht darueber informieren.

  • Wenn es egal wäre, welche sexuelle Ausrichtung ein Mensch besitzt, würde denke ich niemand darauf kommen, solche Technik zu entwickeln. Was sollte damit anzufangen sein, als Menschen kenntlich zu machen, zu überführen, auszusortieren, zu selektieren, eine qualitative Klassifizierung vorzunehmen.

    Der Mensch selbst weiß um seine Sexualität, auch wenn er sich im Fall Homosexualität noch nicht geoutet hat. Aus dieser Richtung kann kein Interesse bestehen.

    Diese Software, so sie funktionierte, ist ethisch verwerflicher Müll, genau so wie die Nazis versuchten, Juden zweifelsfrei zu erkennen, um sie zu verfolgen. Zu nichts anderem ist diese Software zu gebrauchen, zur Verfolgung.

     

    Wenn diese Wahnsinnigen schon den Beweis suchen, dann könnten sie das auch gleichmotivierten Genetikern überlassen, wenn die sexuelle Ausrichtung anhand anatomischer Merkmale zu erkennen wäre. So aber bleibt dazu noch der Beigeschmack, dass ein Foto in aller Schnelle reichen muss, und das spricht für den denunziativen Charakter solcher abartigen Technik.

    Ja, Wissenschaft darf vieles und muss keinen Zweck erfüllen. Letzteres macht es schon, und das im gleichen Kontext, wie Nazis diese betrieben haben. Das Machbare sollte im ethischen Bewusstsein streng kontrolliert und ausgeführt gegebenenfalls entschieden diskriminiert werden. Sie wussten wohl nicht, was sie taten.

  • "Homosexuelle Menschen sollen demnach eher „gender-atypische“ Gesichtsmerkmale haben – und zwar nicht nur, was gewählte Attribute wie Frisur oder Augenbrauen angeht. So führt die Studie für schwule Männer etwa im Vergleich zu heterosexuellen Männern schmalere Kiefer, längere Nasen und höhere Stirnen an, für lesbische Frauen breitere Kiefer und kleinere Stirnen."

     

    Vermessen wir also wieder mal den Schädel? Das erinnert an sehr, sehr dunkle Zeiten, in denen schon mal Menschen nach ihren äußeren Merkmalen in Kategorien eingeordnet wurden.

    • 8G
      87203 (Profil gelöscht)
      @warum_denkt_keiner_nach?:

      _Wenn_ es funktioniert, dann hat das allerdings ein selbstlernendes Programm gefunden.

       

      Das ist schon etwas anderes als eine Ideologie zu erfinden und dann mit dieser Schere im Kopf Menschen zu beurteilen.

       

      Wenn das Ergebnis nun stimmt und vielleicht noch in seiner Prognose verbessert werden kann, waere das freilich sehr beunruhigend. Denn dann kann man vielleicht auch andere Dinge aus den Gesichtern und dem Verhalten von Menschen ableiten.

       

      Ich meine, dass es gut ist zu wissen, was mit selbst lernenden Algorithmen machbar ist, denn nur so kann man ja ueberhaupt darauf reagieren und sie vielleicht ein wenig regulieren.

       

      Denn wenn so eine Analyse brauchbare Ergebnisse bringt, wird sie von irgendjemandem eingesetzt.

       

      Deshalb kann ich die Abneigung, die diesen Wissenschaftlern entegengebracht wird, auch nicht nachvollziehen. Immerhin haben sie ihre Ergebnisse ja nicht im stillen an den Meistbietenden verkauft, sondern veroeffentlicht und so ueberhaupt erst ermoeglicht, dass wir uns eine Meinung bilden koennen.

      • @87203 (Profil gelöscht):

        "Die Wissenschaftler benutzten Fotos von (vor allem weißen) NutzerInnen einer Dating-Webseite, wussten also, welche sexuelle Orientierung in den jeweiligen Profilen angegeben war."

         

        Woher wissen die Superwissenschaftler, dass die angegebene Orientierung stimmt?

        • 8G
          87203 (Profil gelöscht)
          @warum_denkt_keiner_nach?:

          Die Wissenschaftler nehmen Daten die oeffentlich zugaenglich sind und wenden darauf die Mustererkennung an.

          Die Ergebnisse sind sind besser als Raten (50% Erkennungsrate), egal ob uns das nun ideologisch passt oder nicht.

          Das bedeutet auch, dass ein Staat oder ein Geheimdienst der so ein Profiling durchfuehrt, einen Filter besitzt, der wirksam den Kreis der Gesuchten weiter einschraenkt.

          Das ist der Stand, den ich aus dieser Meldung herauslese.

          • @87203 (Profil gelöscht):

            Ach so. Fast vergessen. Wer braucht eigentlich so eine "Erkennung"? Damit kann man nichts Gutes anstellen. Aber viel Böses.

          • @87203 (Profil gelöscht):

            Woher wissen die Helden der Wissenschaft, dass alle "Heteros" auch hetero sind? Es gibt immer noch genug Homosexuelle, die erst einmal versuchen "normal" zu leben. Die Datenbasis ist einfach Mist.

  • http://www.taz.de/Studie-zu-kuenstlicher-Intelligenz/!5443292/

     

    "Eine Studie sagt, ein Computer könne die sexuelle Orientierung eines Menschen an seinem Gesicht erkennen. Ist das wirklich so einfach?"

     

    Einfach ist nichts, und das wird in der Studie, in der ausführlich und kritisch auf Methodologie, Aussagekraft, Grenzen etc. eingegangen wird, auch nicht behauptet.

     

    Preprint hier: https://psyarxiv.com/hv28a/

    Die Lektüre lohnt sich auch im Hinblick darauf, wie bento, taz usw. ihre Artikel stricken.

  • 8G
    82430 (Profil gelöscht)

    Ich möchte in einer Welt leben, in der es schnurzegal ist, ob ich schwul, weiß, schwarz, lesbisch, Männlein, Weiblein, hetero oder sonst etwas bin. Ich möchte in einer Welt leben, in der Menschen einander selbstverständlich respektieren und nicht ständig nach Schubladen suchen, um sich gegenseitig in diese einzusortieren.

    Wo ist das noch mal …?

  • Bei diesem, wie auch bei vielen anderen Artikeln, ist das Thema nur das Vehikel um die Frage zu diskutieren wie groß der Einfluss von Gesellschaft ist und wie groß der Einfluss von Biologie ist.

     

    Utopisten aller Fasson wollen unbedingt hören das der gesellschaftliche Einfluss entscheidend ist, weil das die Erreichung ihres Ideals von Gesellschaft und Moral in greifbare Nähe rückt. Die Idee das man als Despot seine Bevölkerung mit Zwang mittelfristig wie Wachs formen kann hat sich auf der einen Seite im Nationalsozialismus und auf der anderen Seite im Kommunismus manifestiert. In beiden Fällen waren Menschen gezwungen sich ihrer Menschlichkeit weitreichend zu entledigen, um den wahnsinnigen Vorstellungen ihrer jeweiligen Unterdrücker, zumindest oberflächlich, gerecht zu werden.

     

    Bei diesem Thema gibt es auch keineswegs so fixe Grenzen wie man denken könnte. Genderstudies-Studenten und Fizepräsidenten sind sich bei der Frage nach der Herkunft der sexuellen Ausrichtung einig. Die ist anerzogen und somit auch beeinflussbar. Deshalb kann man sie auch wegschocken oder als Ergebnis freier Wahl verkaufen.

     

    Ich finde diese Debatte mittlerweile einfach nur noch lächerlich und lästig. Wer mit etwas gesundem Menschenverstand an die Sache ran geht dem ist klar das sowohl die Gesellschaft, als auch die Biologie eine Rolle spielen. Das Überhöhen der sozialen Komponente hat weitreichend politische Gründe und ist gefährlicher, wissenschaftsfeindlicher Unsinn.

    • @disenchanted:

      Mir scheint eher, für Sie ist der Artikel nur ein Vehikel, um die alter Leier von der Naturgegebenheit des status quo zu spielen und die üblichen Lieblingsfeindbilder (Gesellschaftsutopien, Gender Studies) abzuwatschen. Inhaltliche Auseinandersetzung gleich Null. Oder in Ihren Worten: "wissenschaftsfeindlicher Unsinn".

      • @Earendil:

        Ach und eins noch: Ist Ihnen Klar das Utopien einfach nur Idealbilder sind die vom Standpunkt er gegenwärtigen Gesellschaft aus unmöglich sind oder zumindest erscheinen? Utopien sind nicht per se links, es gibt genauso rechte Utopien. Es geht mir hier nicht um eine politische Ausrichtung, sondern um die Gefahren die von Ideologie ausgehen.

      • @Earendil:

        Haben Sie meinen Beitrag gelesen? Ich bin kein "Biologist", ich glaube an Konditionierung genauso wie ich an die Evolution glaube. Aber ich bin nicht bereit wegen ein paar radikalen Sozialkonstruktivisten die so zu tun als sei die Frage nach dem Ursprung von Homosexuallität total rätselhaft alle anderen Erklärungsansätze über Bord zu werfen.

         

        In diesem Zusammenhang finde ich es immer wieder atemberaubend wie sich viele auf der einen Seite gerne als Vertreter von Transsexuellen sehen, auf der andern Seite aber in Zweifel ziehen das biologische Faktoren in dieser Frage entscheidend sind. Die Hormontherapie machen diese Menschen ja nicht aus Spaß!

        • @disenchanted:

          Was außer loser Themenverwandschaft hat Trans- mit Homosexualität zu tun? Welcher Biologist "glaubt" nicht an Konditionierung und Evolution?

           

          Wie und warum sich menschliche sexuelle Orientierungen ausprägen, oft verkürzt zu "Ursprung von Homosexualität", IST bislang total rätselhaft, jedenfalls zu weiten Teilen. Deswegen wären die Ergebnisse und Implikationen dieser Studie ja so erstaunlich, und bei besonders erstaunlichen Ergebnissen empfiehlt es sich, mal einen genaueren Blick auf Voraussetzungen und Methodik zu werfen.

           

          Was Utopien sind und dass es auch rechte gibt, ist mir halbwegs bekannt. Utopien sind aber nicht per se gefährlich, sondern notwendig, um über den Status quo hinauskommen zu können.

           

          Mein Hauptpunkt war und ist aber: All das, was Sie schreiben, hat weder mit der Studie noch mit dem Artikel hier was zu tun. Sie reagieren nur auf ein paar Reizwörter und ziehen dann über "radikale Konstruktivisten" und andere Feindbilder her.

          • @Earendil:

            Von den Menschen die sich während ihrer Jugend für Transsexuelle halten und über eine Geschlechtsumwandlung nachdenken findet sich die überwiegende Mehrheit im jungen Erwachsenenenalter mit ihrem natürlichen Geschlecht ab, leben dann aber zur überwältigenden Mehrzahl als Bi- oder Homosexuelle. Entsprechend handelt es sich hier nicht nur um eine "lose Themenverwandschaft".

             

            Wenn Sie der Meinung sind das diese Themen nichts miteinander zu tun haben. Dann denken Sie das meinetwegen. Meine Erfahrungen sind da andere. Am Ende läuft es doch immer wieder auf die genannten Fragen hinaus und es stört mich das man anstatt diese zu diskutieren andauernd neue Nebenbrandherde entfacht.

    • 6G
      6028 (Profil gelöscht)
      @disenchanted:

      Genauso ist es.

      Es entsteht nun aber mit Software wie dieser die Dynamik, dass die Maschine eine Antwort ausspuckt und diese auch benutzt wird.

      Die metaphysisch-ideologische Debatte, ob man solcherart überhaupt Antworten finden kann (oder darf) wird zum Hintergrundrauschen.

      • 8G
        85198 (Profil gelöscht)
        @6028 (Profil gelöscht):

        Dies ist die wissenschaftliche Debatte, sie verwechseln da etwas miteinander.

        Sie betreiben eine kulturelle Metaphysik der instrumentellen Vernunft, wenn Sie derartig planlos Prioritäten setzen, was wichtig und was nur "Hintergrundrauschen" ist. Wozu forschen denn wohl Sozialwissenschaftler? Damit ihre Arbeit, dann von einem selbsternannten Doktor im Internet pauschal zu "Hintergrundrauschen" erklärt wird? Es klingt eher nach Wutbürger als nach Wissenschaft, wenn man mit dem Ideologie-Hammer um sich schlägt, um wissenschaftliche Positionen und rationalen Diskurs zu delegitimieren.

        • 6G
          6028 (Profil gelöscht)
          @85198 (Profil gelöscht):

          Ich setze doch keine Prioritäten, solche Software ist doch schon da.

          Dass sie existiert obwohl einige das nicht für estrebenswert halten (ich zum Beispiel) stellt uns vielmehr vor die Frage "sollen wir das verbieten?; bzw. können wir es verbieten?".

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Da wäre ein Vergleich mit den nationalsozialistischen Ideen der Rassenphysiognomie angebracht.

    Die Nazis haben auch versucht, anhand Nasenlänge und Kieferform die Persönlichkeit eines Menschen zu bestimmen! Sozialdarwinismus war in den USA schon immer angesagt, das Zentrum der "Theoriebildung" lag in den Anfangsjahren auch an den amerikanischen Privat"universitäten". Eine Entnazifizierung gab es in den USA gar nicht. Heute erfreut sich eine westliche neoliberale bildungsferne Sensationsgeneration derselben rassistischen Diskussion, ohne dass es hier offen und direkt angesprochen wird!

     

    Die "All Lifes Matter"-Aktivist*innen haben in einem völlig recht: die Mitte der w e i ß e n Gesellschaft führt rassistische Diskurse (weiß im Sinne von critical whiteness, was nicht direkt die Hautfarbe meint, sondern die Selbstgewissheit als zur Führung berechtigter (liberaler und genderkorrekter) Herren- oder Herr*innenmensch). Empört ist man, wenn der Mitte der Gesellschaft Rassismus vorgeworfen wird, dabei weiß man im Grunde wohl nicht mal wirklich, was damit überhaupt gemeint ist.

     

    Es bewahrheitet sich leider die alte linke Weisheit immer wieder - Rassismus kommt aus der Mitte der Gesellschaft.

    #ichbindeutschland - der Hashtag des ZDF zur Wahl!

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @85198 (Profil gelöscht):

      Aaaarrgh, das muss natürlich "Black Lifes Matter" heißen! Kann man leider nicht mehr verändern...

      • @85198 (Profil gelöscht):

        Haben Sie auch eine inhaltliche Kritik an der Studie? Nur weil sie Assoziationen weckt, heisst das noch nicht, dass die Resultate falsch sind.

        • 8G
          85198 (Profil gelöscht)
          @Daniel Emanuel Wepfer:

          Die inhaltliche Kritik steht schon oben im Artikel. Die Methodik ist fragwürdig.

           

          Aber:

          Die instrumentelle Trennung vom Inhalt eines Sprachaktes (der Theoriebildung) und seinem Zweck ist dekonstruktiv gesehen unhaltbar.

           

          Sprache ist ein Strategem zur Bewältigung des Lebens, also Strategisiertes/Strategisierendes zum auslegen/ausgelegt werden.

          Also ist die Frage nicht: "Ist die Theorie wahr?" sondern "Ist die Theorie die richtige?", "Warum diese Theorie und nicht eine andere?"

           

          "Warum kommt ein Informatiker auf die Idee, physische Merkmale wie Nasenlänge und Kieferform überhaupt einzubeziehen in eine Software, bei der es um die Erkennung von Persönlichkeit geht?"

           

          "Geht seine Auslegung aus den Spuren zwingend hervor oder gibt es andere Möglichkeiten, diese zu verstehen?"

           

          "Kann er z.B. beweisen, dass seine Versuchssubjekte nicht deswegen schwul geworden sind, weil ihr Aussehen durch die "kulturelle Brille" gesehen schwul wirkt und sie sich im Spiegel seit ihrer Kindheit deswegen immer mehr als schwul wahrnehmen?"

           

          Die Verrohung der Wissenschaft fängt da an, wo Wissenschaftler aufhören, sich zu fragen, was sie überhaupt wissen können und was eben nicht.

          Das geht bei der Konzeption des Experimentes/der Studie los und hört bei der Deutung der erzeugten Spuren auf.

          Wenn eine Theorie von vorn herein unbeweisbar ist, weil die Vieldeutigkeit der Spuren notwendigerweise verschiedene Interpretationsansätze offen läßt, dann ist es höchstens noch nützlich, sie weiter zu verfolgen.

           

          Wo macht sich eine Theorie wie oben nützlich? Doch nur da, wo es darum geht, Menschen anhand ihrer Physiognomie persönliche Eigenschaften zuschreiben zu können. Das ist aber nun per Definition ein rassistisches Unterfangen.

           

          "Auf die Gefahr hinzuweisen" ist deswegen richtig, aber nicht, wenn man die Gefahr durch die Art und Weise des Hinweisens selbst noch vergrößert.

          Wer mit einer Fackel im Zeltlager wild rumwedelt und rumrennt, weil es irgendwo brennt, der zündet bald das nächste Zelt selbst an.

          • 6G
            6028 (Profil gelöscht)
            @85198 (Profil gelöscht):

            *"Warum kommt ein Informatiker auf die Idee, physische Merkmale wie Nasenlänge und Kieferform überhaupt einzubeziehen in eine Software, bei der es um die Erkennung von Persönlichkeit geht?"*

             

            Der Informatiker kommt garnicht auf diese Idee, der wirft einfach alle Parameter, die einen Einfluss haben KOENNTEN in eine Forecasting-Engine und diese weist jedem Parameter einen Wert zu von "0" (irrelevant) bis "1" (höchst relevant) zu.

            Diese Maschine produziert keine 'Wahrheit', sondern nur eine statistische Antwort auf eine (möglichst präzise zu stellende) Frage.

            Die Irritationen, die diese Software hier erzeugt scheint mir daher zu kommen, dass manche Menschen behaupten "die Form der Nase hat keinerlei Einfluss auf die sexuelle Orientierung". Soweit ich sehe, kann man aber lediglich behaupten "ob die Form der Nase Einfluss auf die sexuelle Orientierung hat, kann nicht entschieden werden".

            Mich persönlich interessiert diese Frage auch nicht die Bohne, aber für manch Einen bedroht dies offenbar sein Weltbild.

            • 8G
              85198 (Profil gelöscht)
              @6028 (Profil gelöscht):

              Wenn das keine Wahrheit ist sondern nur Statistik, dann habe ich doch genau recht gehabt mit meiner Analyse.

              Wozu dient eine solche Statistik? Wozu kann sie dienen?

              Was der Informatiker da auswählt, ist kulturell bestimmt. Keine Software verarbeitet einfach so alle möglichen "Parameter". Wie kommt kommt der Informatiker auf die absurde Idee, dass die Nasenlänge und die Kieferform zum Erkennen der sexuellen Orientierung gut wären?

               

              Wenn Sie zugeben, dass das nicht entschieden werden kann, was ich auch nicht anders behauptet habe, warum beunruhigt Sie das dann nicht, wenn Menschen trotzdem mit einer Vehemenz immer wieder darauf beharren, es wäre wahr?

               

              Warum interessiert Sie dieser Rassismus "nicht die Bohne"? Haben Sie nicht aus der Geschichte gelernt? Dann sind sie vielleicht auch einfach Teil des liberalen Halbe-Bildungs-Bürgertums, das seinen eigenen Rassismus nicht kennt und nicht kennen will, aus Insensibilität gegenüber der Gewalt in der eigenen Sprache.

               

              Ist Ihr eigenes Weltbild hier vielleicht das bedrohte und reagieren Sie deswegen mit Ignoranz auf die Warnungen und mit Spott?

              Anders kann ich Ihren letzten Satz nicht deuten. Da geht es nicht ums Argument, sondern ums Niedermachen. Ein Rassismusvorwurf ist keine Beleidigung, wenn er begründet ist, ein "Weltbild-"Vorwurf aber schon, da in einer solchen Ansprache nur pauschal Ideologieverdacht angemeldet wird. Ein Ausdruck kultureller Hegemonie.

               

              Auch deuten Sie den Artikel falsch, wenn sie in der Antwort auf den anderen Post schreiben, es wäre die Absicht des Textes, zu unterstellen, die Hormontheorie sei falsch. Das steht aber nirgendwo. Sie unterstellen da einfach eine Absicht, die so gar nicht da steht. Der Text greift die Idee an, dass, falls die Software statistisch öfter funktioniert als versagt, dies der Hormontheorie einen Wahrheitsgehalt gibt. So ist der letzte Satz im Artikel zu verstehen. Dasselbe haben Sie auch behauptet, als Sie die Unentscheidbarkeit des Problems eingeräumt haben.

              • 6G
                6028 (Profil gelöscht)
                @85198 (Profil gelöscht):

                "Wenn das keine Wahrheit ist sondern nur Statistik, dann habe ich doch genau recht gehabt mit meiner Analyse"

                 

                Nein. Wieso?

  • 6G
    6028 (Profil gelöscht)

    Scheint tatsächlich etwas fragwürdig zu sein. Aber die Logik des Artikels:

    "... stellt ...die Methodik der Studie überhaupt nicht infrage, und damit auch nicht, dass durch diese Studie die pränatale Hormontheorie bestätigt würde. Dabei wäre das geboten"

    Ja sakrament!

    Und daraus schloss man messerscharf, dass nicht sein KANN was nicht sein DARF.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @6028 (Profil gelöscht):

      Der Rassendoktor spricht (siehe mein Post oben)?

      Nein, auf die Abwesenheit eines Beweises für eine Theorie hinzuweisen bedeutet n i c h t, zu behaupten, dass diese Theorie falsch ist.

      Diesen logisch nicht notwendigen Schluss haben Sie selbst aus dem Artikel gezogen, das steht dort aber gar nicht.

      Aber es ist in diesem Fall trotzdem ein richtiger Schluss. Wahrheit besteht ja nicht in einer Trefferquote von 60 oder 80 Prozent, sondern sie zeigt sich höchstens in einer an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, also bei einer Trefferquote von über 99.9%.

      • 6G
        6028 (Profil gelöscht)
        @85198 (Profil gelöscht):

        Ich habe nicht impliziert, der Artikel behaupte, diese 'Theorie' sei falsch, sondern angemeckert, dass der Schreiber aus der Tatsache, dass, falls die Theorie 'richtig' wäre, "die pränatale Hormontheorie bestätigt würde." dies findet er falsch "Dabei wäre das geboten".

        Ich bin der Meinung, dass es unsinnig ist, die 'Wahrheit' einer Theorie davon beeinflusst zu sehen, dass aus der Wahrheit der Theorie nicht wünschenswerte Folgen erwachsen könnten.

        Mal abgesehen davon, dass die bösen Buben solche Ergebnisse verwenden würden wenn diese nur zu 80% richtig wären.

        Und möglicherweise sogar wenn diese nur zu 50% richtig wären.

      • @85198 (Profil gelöscht):

        @dann müssten Sie aber praktisch alle wissenschaftlichen Befunde in den Müll kippen. Denn die von Ihnen geforderte Trefferquote von 99.9% wird kaum je erreicht.

        • 8G
          85198 (Profil gelöscht)
          @Daniel Emanuel Wepfer:

          Das ist dann eben nur empirische Wahrscheinlichkeit. Das ist auch völlig legitim, als Wissenschaftler nur statistische Aussagen zu machen. Diese lassen aber keinen notwendigen Schluss auf den Einzelfall zu.

           

          Aber in den Naturwissenschaften geht das oft, wenn man die Grenzbedingungen für seine Aussagen angibt.

          Die Newton'sche Mechanik gilt eben nur für Geschwindigkeiten sehr viel kleiner als die Lichtgeschwindigkeit und nur für makroskopische Objekte.

          In diesem Bereich lassen sich Geschwindigkeiten im Vakuum einfach linear addieren. Es läßt sich genau berechnen, wie groß die Gesamtgeschwindigkeit sein darf, damit die Abweichung des Messergebnisses von der Vorhersage unter einem Promille liegt.

           

          Das mit den 99,9 Prozent, dem Konfidenzintervall, ist nicht so genau zu nehmen. Wie hoch jetzt die genaue Anforderung an eine "an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit" sind, ist auch eine Frage der Genauigkeit der Meßinstrumente und des Zweckes der Theorie. Für einen Bauingenieur ist "Sicherheit" etwas anderes als für einen GPS-Konstrukteur. Letzterer muss Effekte der Relativitätstheorie berücksichtigen. Aber die Quantenwelt kann ihm auch egal sein. Beide Menschen haben jedoch in ihrem Rahmen "gesichertes" physikalisches Wissen, mithin eine empirische wissenschaftliche Wahrheit und nicht nur empirisch bestätigte Wahrscheinlichkeit.

           

          Das ist aber nicht die Wahrheit der Analyse, die es in den Sozialwissenschaften und der Philosphie gibt. Die Wahrheit (im wörtlichen Sinne, aber nicht metaphysisch) ist die Dekonstruktion.

           

          Eine Dekonstruktion der empirischen Methode zeigt, dass empirische wissenschaftliche Aussagen im obigen Sinne willkürliche Vorannahmen (wie das Konfidenzintervall) haben und historisch sind.

          Das ist kein Sozialkonstruktivismus. Es geht eben gerade nicht um das konstruktiv sozial Geplante an der empirischen Wissenschaft, sondern um die Willkür.

           

          Die Wahrheit ist zunächst zu nichts zunutze.

          Das meinte ich mit "höchstens". Metaphysische "Wahrheit" ist Glaube.

          • @85198 (Profil gelöscht):

            Wenn etwas willkürlich ist, dann die Methode der Dekonstruktion. Sie ist keine "Wahrheit", sondern vielmehr eine ideologische Waffe, die man nach Beliebigkeit auf jene wissenschaftlichen Erkenntnisse anwenden kann, die einem gegen den Strich gehen. Wenden Sie sie mal versuchsweise auf den Klimawandel oder die Evolutionstheorie an. Plötzlich stehen Klimaleugnung und Kreationismus als gleichwertige Alternativen zu den naturwissenschaftlichen Modellen da. Dekonstruktion ist im Prinzip genau dasselbe, was bei den erwähnten Themen von rechts und verschwörungstheoretischer Seite mit einigem Erfolg betrieben wird: man weist solange auf Widersprüche in der "offiziellen" Theorie hin und relativiert diese ("Evolution ist ja nur eine Theorie") bis die eigenen pseudowissenschaftlichen Spinnereien als gleichwertig daneben stehen können. Die Trump-Riege mit ihren "alternative Facts" ist im Grunde die ultimative Verkörperung der postmodernen Methode, auch wenn sie die entsprechende Terminologie nicht benutzen.

             

            Und nein, auch in den Naturwissenschaften gibt es keine 100%ige "Wahrheit". Alles wissenschaftliche Wissen ist letztendlich "nur" eine statistische Aussage über die Wirklichkeit, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wahr ist. Nur, dass die Wahrscheinlichkeit dafür viel höher liegt als bei den pseudowissenschaftlichen Alternativen.

             

            Die meisten wissenschaftlichen Fakten lassen keine notwendigen Schlüsse auf Einzelfälle zu. So lässt die Tatsache, dass die Klimaerwärmung höchstwahrscheinlich real ist, noch keine zwingende Aussage über die Temperaturen im Sommer zu. Ein kalter Sommer beweist eben noch lange nicht, dass das gesamte Modell nicht stimmt. Genauso lässt die Tatsache, dass der (offenbar existierende) Zusammenhang zwischen Gesichtsphysiognomie und sexueller Orientierung in Einzelfällen nicht immer anwendbar sein kann, kein Urteil darüber zu, ob es den Zusammenhang gibt oder nicht,

  • Schönen guten Abend, Herr Stolzenberger, chapeau ! Sie tragen also immer noch das auffällige rosa T-Shirt. Ich bin beeindruckt. Bazinga !

  • 3G
    36387 (Profil gelöscht)

    Die Beschreibung, wie "schwul" aussieht, lassen für mich nur den Schluss zu, dass Donald und Wladimir Wladimirowitsch schwul sind ... mindestens mit einer 50-Prozent-Chance ;-)