Studie zu Social Media im Wahlkampf: AfD doch Amateure
Der AfD-Erfolg bei jungen Menschen wurde oft mit TikTok erklärt. Doch ging die AfD auf Social Media wirklich strategisch vor? Eine Studie stellt das infrage.
![Montage aus mehreren Bildern eines Smartphones, das Alice Weidel zeigt. Montage aus mehreren Bildern eines Smartphones, das Alice Weidel zeigt.](https://taz.de/picture/7363764/14/37054226-1.jpeg)
W as macht unsere Jugend rechts?, fragten sich viele schockiert nach den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Zur Erinnerung: Vor allem bei Jungwähler*innen punktete die AfD.
Ein Sündenbock war für Journalist*innen schnell gefunden: Social Media. Oft wurde getitelt, die AfD habe die sozialen Medien perfekt genutzt, die Mechanismen der Plattformen verstanden und mithilfe von TikTok, YouTube und Co. gezielt junge Menschen für sich begeistert. Doch eine neue Studie der Otto-Brenner-Stiftung (OBS) zeigt, dass der Einfluss der AfD auf Social Media womöglich überschätzt wurde – und dass Medien diesen Einfluss unfreiwillig verstärkt haben.
Die Studienautoren analysierten das digitale Auftreten der AfD in den Wahlkämpfen von Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Sie suchten nach wichtigen Akteur*innen und wie die kommunizierten. Sie wollten dabei die These untersuchen, dass die Strategien der AfD auf Social Media zum Wahlerfolg beigetragen haben.
Überraschung: So einheitlich und strategisch war der Wahlkampf der AfD online nicht. In den Bundesländern finden die Autoren Unterschiede. In Brandenburg etwa investierte die AfD am meisten in ihren digitalen Wahlkampf und setzte auf eine Vernetzung mit extrem rechten Akteurinnen. TikTok wurde hier im Vergleich deutlich strategischer eingesetzt, um junge Menschen zu erreichen. Ähnlich wie schon beim Europawahlkampf des AfD-Abgeordneten Maximilian Krah, der selbst als eine Art Influencer auftrat und sich mit direkten Ansprachen zu emotionalen, lebensnahen Themen an seine Follower*innen wandte.
In Sachsen eher blass
In Thüringen wurde im digitalen Wahlkampf stark auf den Spitzenkandidaten Björn Höcke fokussiert, ohne dabei jedoch nennenswerte Reichweiten zu erzielen. In Sachsen, wo die AfD mit der rechten Gruppierung „Freie Sachsen“ um Aufmerksamkeit konkurrieren musste, blieb der digitale Wahlkampf im Vergleich eher blass.
Vor allem auf TikTok, das besonders junge Nutzer*innen anzieht, gelang es der AfD nur vereinzelt, nennenswerte Reichweiten zu erzielen. Die Inhalte der Partei waren oft schlecht an die Dynamiken der Plattform angepasst. Das zeigte sich etwa am Account der Thüringer AfD-Politikerin Barbara Geithner, der im Wahlkampf für viel Wirbel gesorgt hat – allerdings eher bei Älteren gut ankam. Während die AfD also technisch durchaus präsent ist, fehlten die guten Ideen.
Die digitale Wirkung der AfD habe etwas anderes verstärkt, so ein Ergebnis. Nämlich, dass Medien über AfD-Provokationen berichten. Die Partei sei sich bewusst, dass ihre radikalen Aussagen häufig durch Berichte eine zusätzliche Reichweite erfahren.
Beispiele sind etwa der Einsatz rassistischer Lieder auf AfD-Partys, der nicht nur das Publikum vor Ort ansprechen, sondern vor allem Berichterstattung provozieren sollte. Oder nach dem Anschlag in Solingen die Forderung, die Bewegungsfreiheit von Geflüchteten einzuschränken.
Mediale Verstärkung
Solche Aussagen sind darauf ausgelegt, dass sie von Medienvertreter*innen aufgegriffen und unfreiwillig verstärkt werden. Durch den kalkulierten Einsatz medialer Verstärkung wirkt die AfD stärker, als ihre eigentliche Social-Media-Performance ist.
Das ist hochproblematisch. Denn während die Inhalte der AfD in vielen Fällen nach „innen“ wirken, also AfDler und weitere rechtsextreme Kanäle die Inhalte teilen, wirkt die mediale Resonanz nach außen, in die Zivilgesellschaft. Die reale Gefahr der rechten Social-Media-Strategien zeigt sich beispielsweise, wenn sich zunehmend engagierte Menschen aus der Öffentlichkeit zurückziehen, weil sie Hass und Angriffen ausgesetzt sind. So etwa der sächsische CDU-Politiker Marco Wanderwitz, der sich aufgrund rechtsextremer Drohungen gezwungen sah, seine politische Arbeit niederzulegen.
Vor diesem Hintergrund sind sich die OBS-Autoren einig: Die Präsenz der AfD auf Social Media ist eine Gefahr für die Demokratie, doch ihre mediale Überhöhung verstärkt ihre Präsenz unnötig. Ein wichtiger Appell geht deshalb an Journalist*innen: Die Fehler in der Berichterstattung über die AfD dürfen nicht wiederholt werden.
Eher müssen die Mechanismen erkannt und sensibel hinterfragt werden. Dieser Verantwortung müssen sich Journalist*innen bewusst sein. Nur so kann wirklich glaubwürdig nach Gründen gesucht werden, warum junge Menschen nun rechts wählen und was und wie viel das alles mit TikTok zu tun hat.
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