Studie zu Schülerkompetenzen: Jeder virte kan nich richtich schreiben

Das Niveau von Grundschülern ist gesunken – auch durch Zuwanderung und Inklusion. Das zeigt der Bildungstrend im Auftrag der Kultusminister.

Die Beine von Grundschülern sind unter einem Schultisch zu sehen

Unter dem Durchschnitt? Grundschüler in Berlin Foto: dpa

Berlin taz | Deutschland erlebt einen zweiten milden Pisa-Schock. ViertklässlerInnen können heute in vielen Bundesländern schlechter rechnen, rechtschreiben und zuhören als 2011. Das ist das bittere Ergebnis des aktuellen Kompetenzvergleichs in den Fächern Mathe und Deutsch, welchen die Kultusministerkonferenz am Freitag in Berlin vorstellte. „Die Ergebnisse sind ernüchternd“, kommentierte die amtierende Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, die baden-württembergische Bildungsministern Susanne Eisenmann, den Befund. „Wir brauchen eine Trendwende.“

An dem Test hatten im vergangenen Jahr fast alle Kinder, die in Deutschland die vierte Klasse einer Grund- oder Förderschule besuchen, teilgenommen. Sie basieren auf den Standards, die die Kultusminister gemeinsam für verschiedenen Bildungsbereiche definiert haben und die festlegen, was Kinder nach einer gewissen Lernzeit in der Schule können sollten.

Im Fach Mathematik konnten nur noch 62 Prozent der SchülerInnen das, was die Kultusminister als Regelstandard definieren. Vor sechs Jahren waren es noch 68 Prozent der Viertklässler.

Im Bereich Lesen blieben die Ergebnisse zwar stabil, doch in Rechtschreibung rutschten die Schüler gegenüber 2011 deutlich nach unten. Nur noch jeder zweite Schüler (53 Prozent) erreicht den Regelstandard und kann laut KMK-Definition „geübte, rechtschreibwichtige Wörter normgerecht schreiben“ und „Rechtschreibstrategien anwenden“. Vor sechs Jahren schaffte das noch fast jeder Dritte (63 Prozent). Fast ein Viertel der Schülerinnen und Schüler verfehlen den als untere Grenze eingezogenen Mindeststandard im Bereich Orthografie, sie erkennen etwa in einem kurzen Text nicht, welche Wörter falsch geschrieben sind.

Flüchtlinge noch nicht erfasst

Die Direktorin des für die Schulstudie zuständigen Instituts für Qualitätsicherung, Petra Stanat, wies auf die geänderten Rahmenbedingungen in Deutschland hin. Insgesamt sei die Schülerschaft heterogener geworden, der Anteil von Schülern, deren Mutter- oder Vatersprache nicht Deutsch sei, sei gestiegen, genauso wie der Anteil von Kindern mit Förderbedarf, die im Zuge der Inklusion zunehmend an Regel- statt Sonderschulen unterrichtet werden. Vor diesem Hintergrund bewertete Stanat die relativ stabilen Leseleistungen als Erfolg.

Doch die Herausforderungen steigen weiter. SchülerInnen, die 2015 mit ihren Eltern im Zuge des Zuzugs von Bürgerkriegsflüchtlingen nach Deutschland kamen, sind etwa in der aktuellen Erhebung noch nicht erfasst. Die Schülerschaft wird also noch vielfältiger, die Schulen sind auf diese neue Vielfalt jedoch nicht richtig vorbereitet. Drücken also Kinder mit Förderbedarf und mit Migrationshintergrund das Niveau an den Regelschulen nach unten?

Nicht zwangsläufig, meint Hamburgs Bildungssenator Ties Raabe. „Ein hoher Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund führt nicht automatisch dazu, dass die Leistungen sinken, im Gegenteil.“ In Hamburg hat fast jeder zweite Viertklässler einen Zuwanderungshintergrund, trotzdem ist der Stadtstaat das einzige Land, wo sich die Kompetenzen der Kinder im Fach Deutsch signifikant verbesserten und gehört zu den wenigen Ländern, welches sich in Mathematik nicht verschlechterte.

Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind erheblich. So erreicht in Bremen nicht mal die Hälfte der Schüler den Regelstandard im Fach Lesen, in Sachsen sind es hingegen fast drei Viertel. Zu den Ländern die gegenüber 2011 deutliche Verschlechterungen hinnehmen mussten, gehört neben den ewigen Sorgenkindern Berlin und Bremen nun auch Baden-Württemberg. Gefragt, von welchem Land man denn lernen könne, wehrte Kultusministerin Eisenmann denn auch bescheiden ab: „Kommen Sie nicht nach Stuttgart.“

Elternhaus hat deutlichen Anteil

Stabil geblieben ist der Zusammenhang zwischen Kompetenzen und sozialer Herkunft, nach wie vor hat das Elternhaus einen deutlichen Anteil auf die Leistungen die Schüler in der Schule. Auch Geschlechterstereotype haben sich nicht geändert – Jungen sind in allen Bundesländern besser in Mathe, während Mädchen in Deutsch punkten. Ob diese Stabilität ein Erfolg ist, sei dahingestellt.

Seit 2011 überprüft das Institut für Qualitätssicherung an der Berliner Humboldt-Universität regelmäßig, welcher Anteil der Schüler die Regelstandards erreicht, verfehlt oder übertrifft – nach 2011 nun zum zweiten Mal in Mathe und Deutsch.

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