Studie zu Mikroplastik aus Autoreifen: Stadtluft ist voller Plastikteilchen
Mikroplastik aus Reifenabrieb belastet die Luft an Hamburgs Hauptstraßen. Das Ergebnis einer neuen Studie ist auf andere Großstädte übertragbar.
Das zeigt eine neue Studie des Centrums für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg und des Helmholtz-Zentrums Hereon. Daraus geht hervor, dass dieser Abrieb durchschnittlich zwölf Prozent des Feinstaubs an Hamburgs Hauptstraßen ausmacht und damit die größte Quelle für Mikroplastik in der Stadt ist.
Mailin Samland, Erstautorin der Studie und Doktorandin der Metereologie am CEN, betont die Bedeutung für die Gesundheit von Stadtbewohner:innen. Besonders an stark frequentierten Straßen wie der Max-Brauer-Allee oder der Stresemannstraße in Hamburg-Altona wurden hohe Konzentrationen gemessen. Die Belastung in Nebenstraßen fällt deutlich geringer aus.
Umfassendes Bild vom gesamten Stadtgebiet
Um ein umfassendes Bild der Feinstaubverteilung im gesamten Stadtgebiet zu erhalten, nutzte das Forschungsteam ein digitales Luftqualitätsmodell. Das berücksichtigt lokale Emissionen, Einträge aus dem Umland sowie Wetterdaten und den Mix verschiedener Fahrzeugtypen. „So können wir für das gesamte Stadtgebiet sagen, wo sich der Feinstaub und damit das Mikroplastik in der Luft konzentriert“, sagt Ronny Badeke vom Helmholtz-Zentrum Hereon.
Die Ergebnisse lassen sich laut Badeke auch auf andere Großstädte übertragen, wo ähnliche Konzentrationen von Plastikpartikeln in der Luft zu erwarten sind.
Die Studie gewinnt angesichts der kürzlich beschlossenen strengeren EU-Feinstaubgrenzwerte an Relevanz. Samland warnt jedoch: „Für eine gesunde Luft werden wohl selbst diese strengeren Werte nicht ausreichen.“ Allein das Mikroplastik erreiche bereits ein Fünftel des neuen Grenzwerts, zusätzlich zu Verkehrsabgasen und anderen Quellen.
Belastung in Hamburg im Vergleich hoch
Die Forschungsergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, die Diskussion über Luftverschmutzung durch Auspuffemissionen hinaus auszuweiten. Mikroplastik und Feinstaub stellen bekannte Gesundheitsrisiken dar, der Reifenabrieb wurde bisher oft vernachlässigt.
Wie es besser werden kann, zeigt die Studie auch: Vorausschauendes Fahren kann den Abrieb reduzieren, während abruptes Bremsen und Beschleunigen besonders viel Mikroplastik freisetzt. Durch Verkehrsberuhigung oder die Förderung eines gleichmäßigeren Verkehrsflusses könnte also schon viel erreicht werden.
Im Vergleich zu anderen Städten ist die Mikroplastikbelastung in Hamburg relativ hoch. Eine Studie aus dem Jahr 2019 ergab, dass dort täglich durchschnittlich 275 Mikroplastikpartikel pro Quadratmeter aus der Luft niederfielen. In London waren es 771 (2020) und in Paris 110 (2016). Allerdings sind diese Werte nur bedingt vergleichbar, weil es bisher keine Standardmethode für die Identifizierung von Mikroplastik gibt.
Gefährlich sind die kleinsten Teilchen
Eine entscheidende Rolle bei der Bewertung der Gesundheitsrisiken spielt die Größe der einzelnen Plastikpartikel. Die überwiegende Mehrheit der in der Luft gefundenen Partikel ist zwischen 10 und 50 Mikrometer groß. Besonders besorgniserregend sind die kleinsten Partikel, das sogenannte Nanoplastik, das potenziell in Zellen eindringen, die Blut-Hirn-Schranke überwinden und sich in Organen wie den Hoden, der Leber und dem Gehirn ablagern kann.
Erste Untersuchungen an der menschlichen Lunge deuten darauf hin, dass Mikroplastik in unseren Atemwegen zirkuliert, auch wenn die gesundheitlichen Auswirkungen noch unbekannt sind.
Um die Mikroplastikbelastung zu bekämpfen, braucht es einen umfassenden Ansatz. Neben Maßnahmen im Verkehrssektor spielt auch die Abwasserbehandlung eine wichtige Rolle. Das städtische Wasserunternehmen Hamburg Wasser gibt an, dass moderne Kläranlagen mit drei Reinigungsstufen bis zu 99 Prozent des Mikroplastiks zurückhalten können. Dennoch können kleinste Partikel über den Ablauf der Kläranlage in die Elbe gelangen.
Die Ergebnisse der Hamburger Studie machen deutlich, dass die Bekämpfung von Luftverschmutzung in Städten ein komplexes Unterfangen ist, das weit über die Regulierung von Abgasen hinausgeht. Um Mikroplastik in der Stadtluft tatsächlich langfristig zu reduzieren, braucht es eine Kombination von Maßnahmen in verschiedenen Bereichen wie Verkehr, Industrie, Abwasserbehandlung und Konsumverhalten.
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