Studie zu Kipppunkten: Klima steht schon auf der Kippe
Permafrost und Korallenriffe – schon bei der aktuellen Erderwärmung könnten in fünf Erdsystemen die Kipppunkte erreicht werden. Mit Folgen.
Bei einem Kipppunkt handelt es sich laut dem Weltklimarat (IPCC) um „Schwellenwerte, nach deren Überschreitung bestimmte Folgen nicht länger vermieden werden können, selbst wenn die Temperaturen später wieder gesenkt werden“. Das Umschwenken eines Kippelements könnte dabei laut der Autor*innen einen Dominoeffekt lostreten, der einen immer schnelleren und nicht mehr regulierbaren Wandel auslöst. „Kipppunkte im Erdsystem stellen eine Bedrohung dar, wie sie die Menschheit noch nie erlebt hat“, sagt Tim Lenton vom Global Systems Institute der Universität Exeter in der Mitteilung zu der Studie. Er hat den Report, an dem über 200 Expert*innen mitgewirkt haben, verantwortet.
Insgesamt erfasst der Bericht über 25 negative Kipppunkte – mehr, als in bisherigen Studien gefunden wurden. Hinzugekommen sind vor allem Elemente mit regionalerem Einfluss, wie beispielsweise die Zerstörung von Meersalzwiesen. Bei fünf Kipppunkten ist es besonders problematisch. Diese könnten bereits auf dem derzeitigen Niveau der globalen Erhitzung von 1,2 Grad seit der Industrialisierung erreicht werden. Zu den bedrohten Systemen zählen etwa die Korallenriffe in den Tropen, die Eisschilde in Grönland und der Westantarktis sowie regionale Permafrostböden.
Empfohlener externer Inhalt
Doch es gibt noch eine zweite Kategorie, der in dem Bericht besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird: soziale, positive Kipppunkte. Hierbei handelt es sich um exponentielle gesellschaftliche Normveränderungen, die etwa durch einen Ausbau an E-Mobilität oder den Ausbau erneuerbarer Energien vorangebracht werden können. Würden hier Innovationsfortschritte gemacht, beispielsweise bessere E-Auto-Akkus entwickelt, könne das die Möglichkeiten der Speicherung von Strom aus erneuerbaren Energien verbessern oder umgekehrt, so die Autor*innen.
Das Fenster schließt sich
Bereits 2008 warnte das Umweltbundesamt vor den Gefahren, die Kipppunkte mitbringen, und auch der IPCC-Bericht von 2021 widmete sich dem Thema. Dennoch ist sich die Forschung bis heute nicht sicher, wann die Kipppunkte tatsächlich eintreten und was als nächstes geschieht. Das weiß auch das Forschungsteam, allerdings reicht das bisherige Wissen aus, um dringende Maßnahmen einzufordern. Denn der Bericht zeigt eindeutig: Heizt sich die Erde weiter auf wie bisher, verkleinert sich das Zeitfenster, in dem die negativen Kipppunkte noch verhindert und die positiven herbeigeführt werden können.
Deshalb richten die Fachleute konkrete Empfehlungen an politische Entscheidungsträger. Sie fordern einen Ausstieg aus fossilen Energien, eine Verstärkung des Fonds für Schäden und Verluste, politische Bemühungen, um positive Kipppunkte auszulösen, sowie einen globalen Gipfel zum Thema Kipppunkte.
So entwickelt sich die Weltklimakonferenz in Dubai auch zu einer Chance, sofern die Erfolgsberichte positiver Kipppunkte und die Forderungen der Expert*innen gehört und diskutiert werden.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen