Studie zu Auslandsjournalismus: Blinde Flecken
Eine aktuelle Studie zeigt, dass deutsche Zeitungen über viele Länder kaum berichten. Der Autor des Papiers fordert öffentliche Förderung.
Die Arbeit von Korrespondent*innen in der Welt gestaltet sich immer schwieriger. Das liegt nicht nur an zunehmender Propaganda oder Repressionen autoritärer Staaten, wie ein Diskussionspapier der Otto Brenner Stiftung darlegt. Es gibt insgesamt weniger Korrespondent*innen und Medien bieten ihnen weniger Platz.
Die Folgen sind schwer zu übersehen: Während manche Länder fast täglich in der Zeitung auftauchen, kommen andere kaum oder gar nicht vor. Selbst über Mali, wo die Bundeswehr im Einsatz ist, wurde in zehn Jahren nur 67-mal in führenden Zeitungen berichtet. Der Krieg in der Ukraine ist ein weiteres Beispiel, weshalb das in einer globalisierten Welt problematisch ist: Die Faktenlage ist dünn und unsicher.
Marc Engelhardt arbeitet selbst seit 20 Jahren aus anderen Ländern für deutsche Medien – unter anderem für die taz. Nun hat er für die Otto Brenner Stiftung das Diskussionspapier über den deutschen Auslandsjournalismus geschrieben. Er habe damit gerechnet, dass bestimmte Länder öfter in den Medien vorkommen als andere. Diesen Eindruck müsse jede*r bekommen, der die Nachrichten verfolge. Um nicht nur über Anekdotisches zu schreiben, erarbeitete er konkrete Zahlen.
Dafür analysierte Engelhardt, wie oft Ländernamen und Regionen vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2019 in 23 führenden Zeitungen vorkommen. Das genügt zwar keinen wissenschaftlichen Ansprüchen, gibt aber einen Eindruck. Die deutlichen Unterschiede überraschten Engelhardt dann selbst, sagte er der taz.
Große Berichtsgebiete
Mit Abstand am meisten berichteten die Zeitungen über die USA. Damit habe er gerechnet. „Aber auf dem zweiten Platz liegt Großbritannien, und das kommt auf nicht einmal die Hälfte der Berichte“, sagt Engelhardt. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass es so viel Berichterstattung über die USA gibt.“ 34 Staaten kamen hingegen weniger als 50-mal in der Berichterstattung vor und aus 15 Regionen wurde gar nicht berichtet, darunter die umkämpfte Westsahara. Insgesamt verblasse die Welt in der Auslandsberichterstattung.
Der Grund dafür sei, dass sich nur wenige Medien eigene Korrespondent*innen leisteten und in den meisten Ländern keine Korrespondent*innen aktiv seien, erklärt Engelhardt. Einzelne decken dabei mehrere Länder ab – sie sind teilweise für Gebiete mit mehreren Tausend Kilometern Breite zuständig. Dabei müssen sie auch oft gegen die örtlichen Regierungen ankämpfen. Das erzählt auch die Journalistin Bettina Rühl. Sie ist Mitglied des Netzwerks Weltreporter und berichtet seit Jahren aus Afrika, aktuell ist sie in Kenia.
Die Länder würden ihnen keine Akkreditierungen geben, wenn die Themen nicht passen, oder sie seien sehr teuer, „viele Hundert oder manchmal auch 1.000 US-Dollar“, sagt Rühl. Es habe auch schon vor 30 Jahren Regierungen gegeben, die ausländische Medien nur zögerlich ins Land ließen, aber das habe sich „in den vergangenen zwei, drei Jahren massiv verschärft“, erklärt Rühl weiter. Auslandsjournalismus sei für Deutschland aber aktuell „wichtiger denn je“. Nur so könne die demokratische Gesellschaft Sinn und Unsinn von Militäreinsätzen abschätzen. „In einer globalisierten Welt geht es natürlich auch darum, die Wirtschaftsverflechtungen im Blick zu behalten.“ Doch dafür fehle es vor allem am Geld.
Engagement für Pressefreiheit im Ausland
In seinem Diskussionspapier fordert Marc Engelhardt dafür öffentliche Mittel, denn es handle sich um eine gesellschaftliche Aufgabe. Über die genaue Ausgestaltung müsse aber noch diskutiert werden, denn die Regierung dürfe keinen Einfluss darauf haben, worüber Korrespondent*innen berichten. Aber der bisherige Weg habe keine Zukunft, „die Marktmechanismen reichen offenbar nicht“, findet er.
Petra Sitte, die stellvertretend für die Linken im Medienausschuss des Bundestags sitzt, spricht sich ebenfalls dafür aus. Die deutsche Regierung müsse sich als „Verteidigerin der Pressefreiheit auch im Ausland engagieren“, fordert sie. Ähnlich klingt das auch bei Erhard Grundl, dem Obmann der Grünen im Medienausschuss. Er zeigt sich ebenfalls offen für eine Debatte über die öffentliche Förderung des Auslandsjournalismus: „Die geopolitischen Herausforderungen verlangen einen Kurswechsel.“
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