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Studie über Rassismus in der PolizeiAlarmstufe braun

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Ein Prozent in der Polizei vertritt erklärtermaßen ein geschlossen rechtsextremes Weltbild. Rassisten in Uniform darf eine Demokratie nicht erlauben.

Auch die Erkenntnis, dass der Querschnitt der Be­am­t:in­nen die Positionen der Gesamtbevölkerung widerspiegeln, beruhigt nicht Foto: Hartenfelser/imago

E s gibt kein Rassismusproblem in der Polizei. Es gibt kein Rassismusproblem in der Polizei. Es gibt kein Rassismusproblem in der Polizei. Vielleicht muss man diesen Satz nur oft genug sagen, damit ihn am Ende wirklich alle glauben. Und der Kernsatz der in dieser Woche vorgestellten Polizeistudie klingt ja auch sehr schön. Zu schön allerdings um wahr zu sein.

Wis­sen­schaft­le­r:in­nen der Deutschen Polizeihochschule in Münster haben durch die Befragung von Zehntausenden Po­li­zis­t:in­nen herausgefunden, dass die große Mehrheit der Be­am­t:in­nen für eine offene und demokratische Gesellschaft eintritt. Dass nur ein kleiner Rand ein rechtsextremes Weltbild hat. Das hört sich erst mal gut an.

Wirklich? Spätestens hier muss man aufhorchen. Ein Prozent aller Po­li­zis­t:in­nen lässt bei einer freiwilligen Befragung offen erkennen, dass sie ein geschlossen rechtsextremes Weltbild vertreten. Das ist nicht nur das Gegenteil von „kein Problem“, es ist Alarmstufe braun. Solche Ex­tre­mis­t:in­nen haben in einer Polizei, die das Grundgesetz in Person vertreten soll, nichts, aber auch gar nichts zu suchen.

Wenn die sie umgebende Struktur, angefangen von den Kol­le­g:in­nen über die Vorgesetzten bis ganz hoch zu Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), nicht alles dafür tun, dass diese Ver­fas­sungs­fein­d:in­nen sofort aus dem Dienst entlassen werden, dann ist das Problem deutlich größer als das extreme eine Prozent.

Auch die Erkenntnis, dass der Querschnitt der Be­am­t:in­nen die Positionen der Gesamtbevölkerung widerspiegeln, mag aktuell nicht beruhigen, wenn bis zu einem Drittel der Wäh­le­r:in­nen für anerkannt rechtsextreme Parteien votieren. Eine Polizei, die sich auch in Zeiten des aufkeimenden Faschismus damit zufrieden gibt, durchschnittlich zu sein, anstatt in jeder einzelnen Handlung das hohe Lied der Demokratie zu singen, sollte keinem Anspruch genügen – vor allem nicht dem Anspruch der Polizei selbst.

Auch kleinste Dosen sind zuviel

Hier aber liegt der Kern des Problems: Die Haltung in Bezug auf Fehler zeichnet sich besonders in den oberen Hierarchieebenen häufig durch die Strategie aus, Kritik von der Polizei fernzuhalten. Das sagen nicht irgendwelche linken Kritiker:innen. Dieser Satz steht genau so in der Studie aus Münster. Allerdings hätte es dafür keine Forschung gebraucht.

Man muss sich nur an den damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erinnern, der sich mit Händen und Füßen gewehrt hat, den Rassismus in der Polizei erforschen zu lassen. Eine Polizei aber, die Rassismus und rechtsextreme Tendenzen in ihren Reihen auch nur in den kleinsten Dosen duldet, runterspielt und leugnet, hat nicht nur ein Problem. Sie ist selbst eins.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters
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7 Kommentare

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  • Es ist davon auszugehen, dass die 40 000 Befragten länger bei der Polizei sind, sonst wäre sie nicht repräsentativ, was sie aber behauptet zu sein.

    Also sprechen wir hier bei den befragten nicht von Polizeischüler*innen.

  • "Herr Wachtmeister, sind Sie ein Rassist?" "Nein!" "Na dann ist ja alles in Ordnung!" So in etwa stelle ich mir die Befragung vor. Denn 2020 hat es zu diesem Thema bereits eine Studie der Ruhr-Uni Bochum gegeben, die den strukturellen Rassismus bei der Polizei bestätigte. Die Einzelfalltheorie wurde darin ad absurdum geführt.

    Nun hat man die Frösche gefragt, ob der Teich trockengelegt werden soll.

    Viele Einzelfälle ergeben einen Trend. Viele Trends ergeben eine Struktur und viele Strukturen ein System.

  • Nun der genaue Fragebogen wäre toll, leider findet man soweit ich das verstehe immer nur "Beispiele" der Aussagen.

    Diese Stelle ist interessant auf Seite 123 wo die vier "Statements" stehen die das (geschlossen) rechtsextreme Weltbild begründen sollen.



    Hier mal aus Auszug;

    Wie in der Natur sollte sich in der Gesellschaft immer der Stärkere durchsetzen.



    Das oberste Ziel der deutschen Politik sollte es sein, Deutschland die Macht und Geltung zu verschaffen, die ihm zusteht.



    Wir sollten endlich wieder Mut zu einem starken Nationalgefühl haben.



    Was unser Land heute braucht, ist ein hartes und energisches Durchsetzen deutscher Interessen gegenüber dem Ausland.

    ....Konzeptionell decken die vier Statements nur einen Teil der Dimensionen ab, die meist mit einem (ge-schlossen) rechtsextremen Weltbild in Verbindung gebracht werden....



    -> Wer so denkt ist also rechtsextrem?

    Thema Islamfeindlichkeit Beispiele: Durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land.



    -> das individuelle Gefühl darf man haben



    Die Mehrheit der Muslime findet islamistischen Terrorismus



    gerechtfertigt.



    ->die Aussage kann richtig oder falsch sein da niemand alle Mrd. fragen wird

  • Als gebürtiger Pariser muss ich schmunzeln, wenn ich Herrn Asmuth bei "Ein Prozent aller Po­li­zis­t:in­nen lässt bei einer freiwilligen Befragung offen erkennen, dass sie ein geschlossen rechtsextremes Weltbild vertreten. Das ist nicht nur das Gegenteil von „kein Problem“, es ist Alarmstufe braun." hyperventilieren höre.



    Zur Einschätzung der politischen Gemütslage der französischen Polizei seien die Ergebnisse einer Umfrage des Centre de recherches politiques de Sciences Po (Cevipof) von 2021 zur Wahlabsicht (aktiver) französischer Polizisten aufgeführt: "En 2017, 57% des policiers et des militaires disaient avoir voté pour Marine Le Pen au second tour de l'élection présidentielle. Aujourd'hui, ils seraient 60% à avoir l'intention de donner leur voix au RN. Et le chiffre est bien plus élevé (74%) si l'on tient uniquement compte des policiers actifs." 74% der aktiven französischen Polizisten wollten demnach für den RN stimmen. Und die Zahlen dürften nicht gesunken sein. Ist Frankreich demzufolge dem Faschismus anheimgefallen?

  • Bewaffnete Kräfte, ob Polizei, Bundeswehr oder andere Organisationen ziehen rechte Gesinnung an, wie totes Fleisch die Fliegen. Andere Gesinnung aber verachtet in der Regel diese Berufsgruppen. Und da liegt dann auch schon das Problem. Woher die Menschen nehmen die mit der Waffe im Holster ihre Bürger beschützen, oder ihr Land verteidigen oder "nur" im Panzerwagen das Geld von A nach B transportieren?! Würden das die pazifistisch Gesonnenen machen? Die Ich-Menschen? Kranke und Schwache? Die Redaktion von TAZ, Spiegel, Zeit usw?!

  • Den Daten der Studie und der Anzahl an Personenkontrollen nach ist es so, dass es in Deutschland 3-4 Nazi Polizei Pärchen gibt die zusammen jährlich je 60 Kontrollen durchführen. Das gilt unter der Annahme, dass alle Polizist*innen gleich wahrscheinlich auf Streife sind und Kontrollen durchführen. Das ist natürlich nicht der Fall.

    Es gibt ebenfalls 750 Pärchen in denen ein Nazi mitläuft (45 Tausend Kontrollen sind das dann).

    Dann gibt es 37 500 Pärchen die ohne Nazis (nach Studiendaten!) auskommen.

    Jetzt folgt daraus, dass es jährlich mindestens 3-4 Entlassungen wegen Rechtsextremismus geben muss (die reinen Nazi Pärchen).

    Außerdem sollten mindestens 750 Polizist*innen jährlich von ihrem Partner verpfiffen werden, da sie nicht für den Staatsdienst im Sinne der FDGO geeignet sind.

    Die Frage stellt sich: Wie hoch sind die Anzeigen? Erhalten wir in der Polizei mindestens 750 Vorgänge und dementsprechend auch 750 Disziplinarverfahren / Entlassungen jährlich? Falls nicht ist dies ein Hinweis für eine rassistische Polizei, die Nazis nicht entfernt.

    • @ToSten23:

      Es gibt regelmäßig Entlassungen bei der Polizei und bei Polizeischulen. Dies wird in der Tat auch regelmäßig wortreich kommentiert. Ob es Deutschlandweit 750 Entlassungen sind, weiß ich nicht, ich habe aber schon das Gefühl, dass die Sensoren gegenüber Rechtsradikalismus bei der Polizei auf Empfang sind.