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Studie der Rosa-Luxemburg-StiftungMathe-Unterricht mit Senator Geisel

Eine neue Studie zeigt: Nach der Vergesellschaftung könnten die Mieten sofort um 16 Prozent sinken. Das liefert Argumente gegen die SPD.

Sie lieben Neubau, auch wenn er oft nicht sozial ist: Die Genossen der SPD Foto: dpa | Annette Riedl

Berlin taz | Es sei offen, ob die Vergesellschaftung der großen profitorientierten Wohnungskonzerne tatsächlich zur Entspannung des Wohnungsmarktes beiträgt, sagte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) noch Mitte Dezember. Nun, eine Kurzstudie der Stadtforscher Matthias Bernt und Andrej Holm, die am Dienstag in der Rosa-Luxemburg-Stiftung vorgestellt wurde, hat Antworten geliefert. Und siehe da: Tatsächlich gehen die Autoren davon aus, dass die Miete in den vergesellschafteten Wohnungen sofort um durchschnittlich 16 Prozent gesenkt werden kann.

Um auf diese Zahl zu kommen, machen die Forscher eine simple Annahme: Dass die vergesellschafteten Bestände bewirtschaftet werden, wie bereits heute die Wohnungen der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Denn anders als die sechs börsennotierten Großkonzerne, die in der Studie behandelt werden (Adler Group, Grand City Properties, Heimstaden, Vonovia, Deutsche Wohnen und Covivio), müssen die Landeseigenen ihr Geschäftsmodell nicht auf maximale Rendite auslegen.

Das Resultat ist, dass die Landeseigenen ihre Wohnungen bereits heute im Bestand 1,34 Euro netto kalt (6,29 Euro gegenüber 7,63 Euro) und bei den Angebotsmieten sogar 1,99 Euro netto kalt (9,24 gegenüber 7,25 Euro) günstiger anbieten als die Privaten. Zudem, so argumentieren die Autoren, investieren die Landeseigenen wesentlich mehr in die Instandhaltung der Wohnungen – verzichten aber weitestgehend auf mietsteigernde Modernisierungsmaßnahmen.

189 Euro weniger Miete

Würden die Mieten entsprechend abgesenkt, könnten wohl gerade die bisher am meisten vom Profitdruck gebeutelten Mie­te­r:in­nen die Korken knallen lassen. So etwa die Be­woh­ne­r:in­nen der 18.577 Berliner Wohnungen des schwedischen Immobilienriesen Heimstaden. Für sie würde eine Absenkung von den derzeitigen 9,36 Euro auf das Niveau der Landeseigenen bedeuten, dass sie, auf eine 64-Quadratmeter-Wohnung gerechnet, einen Mieterlass von beachtlichen 189,24 Euro erhielten. Für Mieter von Vonovia spränge immerhin eine Mietminderung von 45,34 Euro heraus.

Laut der Studie könnte durch Vergesellschaftung auch mehr bezahlbarer Wohnraum für Wohnungssuchende bereitgestellt werden. Bereits heute müssen die Landeseigenen 63 Prozent aller Neuverträge an Menschen mit Wohnberechtigungsschein vergeben.

Bei einer Fluktuationsquote von 5 Prozent auf die 222.000 zu vergesellschaftenden Wohnungen der sechs Konzerne gerechnet, ergeben sich so etwa 7.000 zusätzliche bezahlbare Wohnungen pro Jahr. Und weil die Bestände der Privaten meist in den Gründerzeitvierteln der Innenstadt liegen, könnte Vergesellschaftung sogar der Verdrängung in den dortigen Kiezen entgegenwirken.

Die Rechnungen, die Bernt und Holm präsentieren, bestechen mit ihrer Simplizität. Geisel und seine SPD versuchen ihren Wäh­le­r:in­nen dagegen immer noch zu erklären, dass man nur möglichst viel bauen muss, um ärmere Mie­te­r:in­nen zu entlasten – obwohl das, was tatsächlich gebaut wird, meist hochpreisiger Wohnraum ist. Beim Versuch zu verstehen, wie das aufgehen soll, kann man schon mal Kopfschmerzen bekommen. Vielleicht sind manche Probleme aber auch weniger kompliziert, als immer getan wird.

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12 Kommentare

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  • Denn anders als die sechs börsennotierten Großkonzerne,.....müssen die Landeseigenen ihr Geschäftsmodell nicht auf maximale Rendite auslegen.

    Genau das ist der springende Punkt und eigentlich leicht zu begreifen! Aber es wird die Nebelmaschine angeworfen und hin und her diskutiert, bis niemand mehr weiß, was nun richtig ist.

    Man fragt sich, wer sich da mit dem Korruptionsvirus infiziert hat oder schlicht und einfach unfähig ist.

  • Könnten, sollten, müssten.



    Geisel ist ein Negativbeispiel für gute Politik - für mich!



    Ich wünsche mir einen Boris Palmer hier in der Stadt. Ein intelligenter Mann mit Ideen, die er diese auch umsetzt!!!!

  • "Insgesamt mehr Wohnugnen gib es dadurch nicht, das ist aber auch nicht das Problem."

    Die Aussage ist einfach mal falsch. Die Initiative hat mit mehr bezahlbarem Wohnraum geworben. Dies dürfte sich für Menschen ohne Wohnberechtigungsschein nun als Falle erweisen, den sie haben zukünftig weniger Chancen, in den enteigneten Häusern Wohnungen zu finden und müssen sich dann auf dem kleiner werdenden Wohnungsmarkt umsehen. Menschen mit geringen Gehalt und ohne Anspruch auf einen WBS werden die echten Verlierer dieser Reform - und sie dürfen das Ganze über ihre Steuern dann auch noch mitfinanzieren.

  • Die Studie setzt eine ganze Reihe von Wenns und Abers voraus. Angesichts der Auftraggeberin und der Autorenschaft ist das Ergebnis weder überraschend noch überzeugend.

    Der Preis der Vergesellschaftung wird in Karlsruhe festgesetzt, erst dann kann realistisch über Mietsenkungen nachgedacht werden.

    • @DiMa:

      Genau, wenn man keine Gegenargumente hat, dann einfach die Autoren persönlich angreifen.

      Glücklicherweise ist die Studie im Original verlinkt. das 25-seitige Dokument enthält 3 'aber' und 20 'wenn' und eine ganze Menge guter Argumente :-)

      • @Anna Bell:

        "Wenns und Abers" steht halt im Allgemeinen für Bedingungen. Wichtigste Bedingung ist hier eine angenommene Mietenabsenkung. Nur wie kommen die Autoren darauf, wenn der Preis für die Enteignung noch gar nicht nicht fest steht?

        Die Vergesellschaftung senkt also - anders als in der Studie behauptet - nur unter bestimmten Bedingungen die Miete und die die Vergesellschaftung hilft gegebenfalls auch nur bestimmten Wohnungssuchenden, auf Kosten anderer Wohnungssuchender.

  • Wenn die Berechnungen so simpel sind, dann stelle ich mir mehrere Fragen, u.a.:



    Warum sind die Berliner Wohnungsgesellschaften mit 17 Mrd. verschuldet und benötigen finanzielle Mittel des Berliner Senats, wenn doch mit deren Mieteinnahmen alles so dufte ist?



    Wie entstehen denn 7.000 neue bezahlbare Wohnungen durch Fluktuation der Mieter? Sind die Mieter so alt und sterben einfach weg oder ziehen diese aus Berlin weg?

    • @unbedeutend:

      Die erste Frage auch: Durch Neubautätigkeit und Kauf von Wohnungen, was typischerweise auf Pump erfolgt. Und 17 Mrd. mag sich viel anhören, aber solange die Tilgung nicht gefährdet ist, stellt das kein Problem dar.

      • @Anna Bell:

        Naja, bereits heute gehen ja 1/3 der Mieteinnahmen für Zins- und Tilgung bei den Gesellschaften an die Banken. Bei einem steigenden Zinsniveau wird der Anteil weiter steigen, wenn das Mietniveau konstant bleiben soll. Irgendwann fehlen dann die Mittel für Sanierung und Instandhaltung. Also insofern stellt die hohe Verschuldung schon ein ehrhebliches Problem dar.

      • @Anna Bell:

        war an @Unbedeutend gerichtet

    • @unbedeutend:

      Die zweite Kann man einfach beantworten:



      Es geht um verfügbare Wohnungen auf deren Belegung der Statt Einfluss nehmen kann (für Bedürftige),



      die durch Fluktuation frei werden. Der Rest ist ja belegt.

      Insgesamt mehr Wohnugnen gib es dadurch nicht, das ist aber auch nicht das Problem.

      • @Sonntagssegler:

        Ja, aber wohin ziehen denn diese 7.000 Mieter? Ist ja nun nicht so, dass der Berliner Wohnungsmarkt total entspannt ist und bei den niedrigen Mieten wird ja auch keiner ohne Not ausziehen.