Strukturen der HoGeSa: Die Neonazi-Hool-Connection
Nach der Kölner Randale rufen rechtsradikale Hooligans und Neonazis zur Demonstration in Hannover auf. Der Zusammenschluss der Gruppen ist nicht neu.
BERLIN taz | Wer steckt hinter den Randalierern, die mit ihrer Demonstration in Köln und einem geplanten Aufmarsch in Hannover Aufregung und Besorgnis erregen? Am Rande der Feiern zum Jahrestag des Mauerfalls demonstrierten am Sonntag nur einige Dutzend Neonazis in Berlin. Hooligans waren nirgends sichtbar – stattdessen traten Hunderte Gegendemonstranten auf.
Doch für den kommenden Samstag plant der Zusammenschluss „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) einen Marsch durch Hannover. In Köln randalierten vor zwei Wochen fast 5.000 Hooligans in der Innenstadt, bedrohten Passanten und verletzten 49 Polizeibeamte.
In Hannover erwartet die Polizei eine ähnliche Bedrohungslage. Die angemeldete Demonstration wurde zwar am Freitag verboten, doch der Anmelder kann am Montag juristisch dagegen vorgehen. Auf einer zentralen Website werben Hooligans und Neonazis unbeeindruckt weiter für den Marsch. Mehr als 4.200 von ihnen erklärten dort, in die niedersächsische Landeshauptstadt kommen zu wollen.
Hinter dem Anmelder verberge sich das Netzwerk HoGeSa, sagte Hannovers Polizeipräsident Volker Kluwe: „Wir gehen davon aus, dass es sich um eine Fortsetzung der Veranstaltung in Köln handelt.“ Die Polizei lehnte auch den angebenden Versammlungsleiter ab, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung ermittelt.
Auch die Gegenseite mobilisiert
Auf seiner Facebook-Seite soll der Oldenburger eine Postkarte veröffentlicht haben, darauf das Bild eines Waggons, mit dem Häftlinge nach Auschwitz gebracht wurden; „Genieße das Leben in vollen Zügen“ sei daneben zu lesen gewesen. Ein neu benannter Anmelder war schon in Köln als Versammlungsleiter aufgefallen.
Auf ein Verbot des Marsches werde man sich nicht verlassen, sagte Ingo Mertens vom Bündnis „Gemeinsam gegen Rassismus und religiösen Fundamentalismus“.
Die Verbindung von gewaltbereiten Fußballfans und Neonazis überrascht weite Teile der Öffentlichkeit. Doch dieses Netzwerk besteht schon wesentlich länger, als es viele wahrhaben wollen. Schon am 8. Februar 2014 tauchten scheinbar aus dem Nichts heraus etwa 150 Hooligans am Rande einer Kundgebung des radikalen Salafistenpredigers Pierre Vogel in Mönchengladbach auf.
Der Polizei gelang es damals, die Gruppe in eine Seitenstraße abzudrängen. Anderthalb Monate später traf sich der rechte Fußballmob erneut. Dieses Mal fanden sich schon bis zu 300 Störer verschiedener Vereine ein, um eine Vogel-Kundgebung in Mannheim zu attackieren. Der örtliche Polizeisprecher erkannte ein „gut organisiertes Zusammentreffen von rechtsgerichteten Hooligans aus dem Südwesten“.
Kein Mangel an Feindbildern
Schon kurz nach dem Mönchengladbacher Auflauf wurde die Facebook-Gruppe „Weil Deutsche sich’s noch trau’n“ ins Leben gerufen. Zwischen Februar und April vernetzten sich hier, nur auf persönliche Einladung, über 300 Personen aus dem rechtsextremen Spektrum, darunter viele Hooligans.
Ein Forumsteilnehmer brachte die Motivation in einem Beitrag auf den Punkt: „Anstelle uns immer gegenseitig auf die Nase zu hauen, was auch Spaß macht, müssen wir was Deutschland angeht Seit an Seit stehen.“ An gemeinsamen Feinden gab es keinen Mangel: Gehetzt wurde gegen Linke, die Antifa – und den Islam.
Im Fußballkontext funktioniert der zeitweise Zusammenschluss verfeindeter Gruppen schon länger. Während die Hooligans an den Rand des Hochglanzprodukts Bundesliga gedrängt werden konnten, bieten Spiele der deutschen Nationalmannschaft ihnen immer wieder einen Anlass, sich als zusammenhängende Szene zu präsentieren. 2011 randalierten mehrere Hundert Hooligans am Rande eines EM-Qualifikationsspiels des DFB-Teams in Wien.
Dass sich diese Fußballschläger nun auch zu angeblich politischen Versammlungen verabreden, ist neu, aber wohl der immer stärkeren Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten im Fußballumfeld geschuldet.
Vorbild aus England
Ein Vorbild für die Mobilisierung gegen eine angebliche Islamisierungsgefahr in Europa bieten ausgerechnet die Hooligans des Erzfeindes England. Unter dem organisatorischen Dach des rassistischen Anti-Islam-Netzwerks English Defense League führen diese regelmäßig Angriffe auf Versammlungen von „Islamisten“ durch.
Hierzulande mischt der 2010 gegründete deutsche Ableger, die German Defense League, im Umfeld der Hooligans gegen Salafisten mit. In Mönchengladbach bildete sie einen eigenen Demoblock, und auch beim Aufmarsch in Köln schwenkte sie ihre Fahnen.
In der Onlinegruppe „Weil Deutsche …“ fanden sich dann auch German-Defense-League-Aktivisten ebenso wie Mitglieder von Rockerklubs, NPD oder der rechtsextremen und islamfeindlichen Partei „Pro NRW“ wieder. Besonders stark vertreten waren Hooligans aus Mönchengladbach, Bochum und Kaiserslautern.
Eine weitere Plattform für die Vernetzung rechtsgerichteter Hooligans hat sich unter dem Label „GnuHonnters“ formiert. Der Name steht für New Hunters, neue Jäger. Ein erstes Treffen fand 2012 auf Einladung der Dortmunder Hooligangruppe Borussenfront um ihren Antreiber Siegfried Borchert statt.
Zurück in die Stadien
Der 60-Jährige gehörte einst der verbotenen rechtsextremen „Freiheitlichen Arbeiterpartei Deutschlands“ an und agitiert heute für die Kleinstpartei „Die Rechte“, die insbesondere im Ruhrgebiet radikale Nationalisten aus verbotenen Kameradschaften vereint.
Seit dem ersten GnuHonnters-Treffen, gestartet von Veteranen der Hooliganszene, kamen immer mehr Gruppen dazu. Die Ziele des Netzwerkes: „Herstellung alter Werte, keine Antifa im Stadion, Meinungsfreiheit zurückgewinnen.“ Ihr Schwerpunkt liegt demnach im Versuch, die Deutungshoheit in den Stadien zurückzugewinnen und linke Ultras aus den Kurven zu vertreiben.
Recherchen des vierteljährlich erscheinenden Antifa-Magazins Antifaschistisches Infoblatt zeigen personelle Überschneidungen mit der nach wenigen Wochen aufgelösten Facebook-Gruppe. Aus diesem Milieu entstanden die „Hooligans gegen Salafisten“, die über eine Website, einen Videokanal bei YouTube und immer neue Facebook-Gruppen ihren Weg in die Öffentlichkeit suchen.
Teilnehmerzahlen steigen schnell
Ein erster Aufruf brachte am 21. September 80 Hooligans in Essen zusammen. Die Polizei setzte die Gruppe fest und verhinderte ein Zusammentreffen mit Salafisten. Vier Tage später fanden sich, ungestört von der Polizei, 350 Teilnehmer zum Kennenlernen in Dortmund zusammen.
Zu diesem Treffen hatte auch Die Rechte mobilisiert, Dominik Roeseler, stellvertretender Parteivorsitzender von Pro NRW, fungierte als Anmelder. Die wichtigste Partei der extremen Rechten, die NPD, hat sich dagegen erst einige Tage nach dem Großaufmarsch von Köln erstmals zu der neuen Bewegung geäußert.
Als ein verbindendes Element zwischen Hooligans und Rechtsextremen fungiert die Hooliganband Kategorie C – Hungrige Wölfe. Sowohl Sänger Hannes Ostendorf als auch Schlagzeuger Magnus Ahlgrim entstammen der rechtsextremen Bremer Hooligan-Gruppierung „Standarte Bremen“.
Die Band, deren Konzerte in Deutschland teilweise verboten wurden, spielt im Ausland auch bei Veranstaltungen des „Blood and Honour“-Netzwerks, das rechtsextreme Bands miteinander vereint und dessen deutsche Division verboten ist. Einer der Aktivisten ist Ostendorfs Bruder Henrik – für den Verfassungsschutz ein „Drahtzieher im internationalen Netzwerk zwischen NPD, NS-Skin-Milieu und der Hooliganszene“.
Nicht zu viel Struktur
Zu dem Aufmarsch in Köln lieferten Kategorie C mit dem Song „Hooligans gegen Salafisten, sonst wird Deutschland ein Massengrab“ eine eigene Hymne.
Ein organisatorisches Netzwerk soll durch die Aufteilung des Hooligan-Netzwerks in die Regionalgruppen Nord, West, Süd und Ost entstehen, ausgestattet jeweils mit einem Regionalleiter und einem Stellvertreter.
Ein festerer organisatorischer Zusammenschluss scheint angesichts der Aufgeschrecktheit der Sicherheitsbehörden wenig attraktiv – „und widerspricht dem Selbstverständnis dieser Gruppen“, so David Begrich, Rechtsextremismusexperte beim Bildungsverein „Miteinander in Magdeburg“.
Intern wird bei den Hooligans um die Teilnahme rechter Parteien gestritten, es gab erste Abspaltungen und Austritte. Die Verwirrung um die neuerlichen Aufmärsche zeugt ebenso von Schwächen und Spannungen. Doch unabhängig von der weiteren Entwicklung hat die Kölner Demonstration jetzt schon eines gezeigt: Das Potenzial an Personen, die gewaltsam ihre rassistischen Ressentiments auf die Straße tragen wollen, ist groß.
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