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Stromtrassen über Land oder verbuddeln?Schneisen durch den Wald

Der Widerstand gegen Hochspannungsleitungen wird zur Folge haben, dass manches Kabel im Boden verschwindet. Diese Variante hat auch Nachteile.

Verlegung von Erdkabeln in der Nähe von Raesfeld, in Nordrhein-Westfalen Foto: dpa

Erdkabel oder Freileitung? Der Druck der Bürger in den betroffenen Regionen hat politische Fakten geschaffen. Für die Höchstspannungstrassen, die in der neuen HGÜ-Technik (Höchstspannungs-Gleichstrom-Übertragung) realisiert werden, gilt seit 2015 ein Vorrang für Erdkabel. Freileitungen sollen die Ausnahme sein. Politiker und Netzbetreiber erhoffen sich dadurch einen geringeren Widerstand der Anwohner.

Eine Pflicht zum Bau von Erdkabeln gibt es inzwischen auch für neue Trassen bis 110.000 Volt. Diese Verpflichtung greift aber laut novelliertem Energiewirtschaftsgesetz nur dann, wenn die Baukosten der Erdkabel jene von Freileitungen nicht um mehr als den Faktor 2,75 überschreiten. Welche Bedeutung dieses Kostenlimit in der Praxis haben wird, ist allerdings auch für die Branche selbst noch nicht ganz absehbar. Bei klassischen Höchstspannungsleitungen mit 380.000 Volt benennen die Netzbetreiber sogar einen „Mehrkostenfaktor“ in der Bandbreite von vier bis zehn. In der Regel werden diese Trassen daher weiterhin als Freileitung realisiert – von Pilotvorhaben abgesehen, sowie in großen Städten, in denen eine Freileitung nicht machbar ist.

Die Mehrkosten sind nicht der einzige Nachteil der Erdkabel – und so ist auch bei deren Bau mit Konflikten zu rechnen. Die leistungsstarken HGÜ-Kabel hinterlassen deutliche Spuren in der Landschaft: Während des Baus werde eine Trasse von 40 bis 50 Meter Breite nötig, und auch nach Bauabschluss bleibe eine Schneise in Gebüschen und Wäldern, weil ein 20 bis 30 Meter breiter Schutzstreifen von tief wurzelnden Gehölzen freigehalten werden müsse, betont der Übertragungsnetzbetreiber Tennet.

Die Landwirtschaft thematisiert unterdessen die Bodenerwärmung durch die Erdkabel. Bauern fürchten eine Austrocknung des Untergrunds, Veränderungen des Grundwasserspiegels, höhere Verdunstungsraten und damit am Ende Ertragsverluste. Die Landwirtschaftsverbände haben bereits eine „wiederkehrende angemessene Vergütung“ für die Grundeigentümer ins Spiel gebracht. Der Deutsche Bauernverband kritisiert zudem, dass ein genereller gesetzlicher Vorrang der Erdverkabelung dem Grundsatz der Eingriffsminimierung in Landwirtschaft, Boden und Naturhaushalt widerspreche.

Nur geringer Temperaturanstieg

Aus Sicht der Wissenschaft stellen die Landwirte das Thema Erwärmung allerdings übertrieben dar. „Die Bodenerwärmung beeinträchtigt die landwirtschaftliche Pflanzenproduktion nicht nachweisbar, weil der Temperaturanstieg zu gering ist“, sagt Gerd Wessolek, Bodenkundler an der TU Berlin. Das wisse man aus Messungen und Modellierungen von Bodentemperaturen auf Kabeltrassen. Und selbst wenn es zu einem Anstieg von einem bis maximal zwei Grad im Oberboden komme, sei dieser für die Landwirtschaft sogar förderlich, da er Wachstumsprozesse eher anrege als dass er schade. Szenarien der Bodenaustrocknung seien völlig haltlos.

Relevant für die Landwirtschaft sei allerdings der Schutz des Bodengefüges. Während der Bauphase müsse man daher entsprechende Umsicht walten lassen, also unbedingt die Bodenverdichtung durch schweres Gerät vermeiden und zudem Ober- und Unterboden trennen, um die Schichten später wieder entsprechend aufbringen zu können „Aber das kann man durch eine angepasste Technik in den Griff kriegen, deswegen begleiten auch Bodengutachter den Ablauf“, sagt Wessolek. Gleichwohl seien Ausgleichszahlungen für die Landwirte berechtigt, weil die Eingriffe zumindest zeitweise den Wert der Ackerflächen minderten.

Aus Sicht der Wissenschaft stellen die Landwirte das Thema Erwärmung allerdings übertrieben dar

Weil sich Nachteile durch Erdkabel für die Landwirtschaft mit Geld ausgleichen lassen, grundsätzliche Bedenken der Anwohner gegen Freileitungen aber eher nicht, dürften der Weg durch die Erde vielerorts reibungsloser vonstatten gehen.

Doch für die Netzbetreiber bringt der Vorrang für die Erdkabel auch technische Herausforderungen. Die Stromwirtschaft weist darauf hin, dass Höchstspannungskabel nur in Teilstücken von bis zu etwa 800 bis 1.000 Metern Länge verlegt werden können. Denn Kabelrollen mit längeren Stücken könnten auf normalen LKWs nicht mehr transportiert werden – aus Gründen des Gewichtes und der erforderlichen Querschnitte, etwa bei der Unterquerung von Brücken. Zur Verbindung der Teilstücke sind dann Muffen notwendig, die aufgrund ihrer Fehleranfälligkeit bei den Netzbetreibern unbeliebt sind.

Schnelle Reparatur

Zugleich weisen die Unternehmen auf die geringeren Ausfallzeiten der Freileitungen hin. Das mag überraschen, weil Wind und Wetter den Erdkabeln weniger anhaben können als den Leiterseilen an den Masten. Doch eine Reparatur in der Luft könne binnen „Stunden oder wenigen Tagen“ erfolgen, bei Erdkabeln könne es im Fall einer schwerwiegenden Störung „Wochen bis Monate“ dauern, rechnet der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz vor. Denn im Schadensfall müssen Bagger die Kabel erst aufwendig freilegen. So kalkuliert das Unternehmen bei Freileitungen mit einer Verfügbarkeit von mindestens 99,8 Prozent, bei Erdkabeln aber nur von mindestens 93 Prozent.

Ein Nachteil des Erdkabels ist zudem seine fixe Leistungsbeschränkung. Freileitungen hingegen können zeitweise mit bis zu 50 Prozent Aufschlag gegenüber der Normlast betrieben werden. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, muss der Netzbetreiber die Temperatur der Leiterseile überwachen, was mancherorts bereits praktiziert wird.

Da die Nennlast für 35 Grad Celsius Lufttemperatur definiert ist, sind bei niedrigerer Umgebungstemperatur und starker Kühlung der Leitung durch Wind höhere Transportleistungen möglich – attraktiverweise gerade dann, wenn auch viel Windstrom im Netz ist. Weil es bei Erdkabeln keinen solchen Aufschlag gibt, schränkt schon ein kurzer Abschnitt in der Erde die Gesamtleistung einer Trasse ein.

Und deswegen wird man noch vielerorts auf Jahre hinaus um die Frage ringen: durch die Luft oder in die Erde?

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15 Kommentare

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  • Freileitungen sind technisch schlichtweg das wesentlich bessere Konzept. Es gibt auch nichts, dass was die Immissionen betrifft für Erdleitungen spricht. Es ist nur "aus den Augen, aus dem Sinn".

  • Schön, dass man Freileitungen übelasten kann, wenn sie gut gekühlt werden. Das senkt sicher die Verluste. Aber weder Freileitung noch Erdkabel können Energie speichern. Also besser gleich in ein Wasserstoffnetz investieren.

    • @Gregor Tobias:

      GREGOR TOBIAS: "Schön, dass man Freileitungen übelasten kann, wenn sie gut gekühlt werden. Das senkt sicher die Verluste. "

       

      Gedanklicher Kurzschluss. Die Verluste wachsen bei jeder Ueberlast, ja eigentlich auch bei Lasterhöhung unterhalb der Nennlast, quadratisch mit dem höheren Strom.

       

      Die niedrigeren Umgebungstemperaturen verbessern allein die Entwärmung der Leiter.

       

      Es gibt nicht viele Leitungen die mit variabler Höchstlast betrieben werden (Canada, Australien, Südafrika), dann aber nur mit zwei Parametern Sommer/Winter - im Norden Canadas theoretisch immerhin eine Spanne von 50°C. Allerdings werden meist die Leiter durch die Sonneneinstrahlung zusätzlich erwärmt, was für geringe Durchmesser spricht, die aber wieder die ohmschen Verluste erhöhen.

       

      Trickreich der elektrische Leitungsschutz. Da müssen viele Schutzrelais jeweils den Winter/Sommerkriterien folgen.

       

      Bald wird allerdings alles besser, wenn die Grünen das Ohmsche Gesetz geändert haben.

    • @Gregor Tobias:

      TAZ: "Die Landwirtschaft thematisiert unterdessen die Bodenerwärmung durch die Erdkabel. Bauern fürchten eine Austrocknung des Untergrunds, Veränderungen des Grundwasserspiegels, höhere Verdunstungsraten und damit am Ende Ertragsverluste. "

       

      Denke die Erdkabelbetreiber fürchten Bodenerwärmung und Austrocknung des Bodens mehr als der Bauer. Beide Phänomene behindern die Entwärmung der Erdkabel, die nicht wärmer als ca. 90°C werden dürfen ohne Schaden zu erleiden. Oft verfüllt man den Kabelkanal daher mit definiert wärmeleitfähiger Erde oder Sand oder umgiesst die Kabel mit Magerbeton, z.B. in Wien.

       

      Schon immer haben die meisten Schäden an Erdkabeln ihre Ursache in Ueberwärmung und resultierender Erwärmung der umgebenden Erde im Extrem ein circulus vitiosous.

    • @Gregor Tobias:

      Und warum ned das Erdgasnetz nutzen?!? Muß auch ned gekühlt werden und gast (Ozonschicht) weitaus weniger aus...

      • @Hugo:

        Das vorhandene Erdgasnetz zu nutzen ist eine weitere Möglichkeit (Kapazität ca. 200 TWh), aber die Wandlung H2 + CO2 -> Methan ist auch verlustbehaftet und ob H2 der Ozonschicht schadet-??

        • @Gregor Tobias:

          Wenn der Wind eh zuviel da ist, scheißt sich der Verlust weg ;) . Bevor Neubau sollte nur erstmal über die Nutzung von Vorhandenem nachgedacht werden und ein H_2-Netz ist jetzt kein Glasfaserkabel und selbst dessen Ausbau ist hier in D. scheiße...

  • "Ein Nachteil des Erdkabels ist zudem seine fixe Leistungsbeschränkung. Freileitungen hingegen können zeitweise mit bis zu 50 Prozent Aufschlag gegenüber der Normlast betrieben werden. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, muss der Netzbetreiber die Temperatur der Leiterseile überwachen, was mancherorts bereits praktiziert wird."

     

    Diese Überwachung war das Gegenargument seitens Vattenfall/50 Hertz für das Auslasten der Trassen durch den Thüringer Wald anstatt neu zu bauen...

  • Plötzlich sollen Mehrkosten ein Argument gegen die Realisierung sein?!?

     

    Lächerlich! Bei anderen Großprojekten fallen die Euros doch auch in unbegrenzter Menge vom Himmel. Ich erwähne hier nur BER, S21 und viele andere mehr....

    • @Urmel:

      Sie sollten zwischen geplanten und ungeplanten Mehrkosten unterscheiden. Die ungeplanten kämen ja bei den Stromtrassen noch oben drauf...

      • @Normalo:

        Trotz heftigen Nachdenkens verstehe ich Ihre Antwort nicht einmal ansatzweise.

         

        - Fallen etwa bei den erwähnten Projekten die Euros sowohl geplant als auch ungeplant vom Himmel?

         

        - Und ist dies im Endeffekt nicht völlig egal: Die Zeche zahlt in jedem Fall der Endverbraucher bzw. Steuerzahler?

  • Die anfallenden Kosten werden wieder auf die Privatpersonen abgewälzt, wie der Rest der Geschäftsidee EEG.

    Man könnte ja noch versuchen, Investor bei HGÜ zu werden, bei einer garantierten

    Verzinsung von 6,91%, rentiert es sich wenigstens für diese.

    Deutschland hat genug Probleme, aber unter dem Deckmantel von Klima und Umweltschutz wird alles bedingungslos akzeptiert.

    • @Günter Witte:

      Autobahnen, Kernkraftwerke, ICE-Trassen, Netzkabel, Funkmasten, usw. hat mit Klima und Umwelschutz gar nichts zu tun. Auch hier muss am Ende der Privatmann bezahlen, nicht nur im Kapitalismus auch in anderen Staatsformen ist das so...

       

      Was das EEG betrifft - das ist für Privatleute deshalb so teuer, weil die Industrie weitgehende Befreiungen hat und gleichzeitig von den niedrigen Stromkosten an der Strombörse profitiert. Fragen Sie mal Angela Merkel, die zeichnet dafür verantwortlich. Ist ne Form von Industriesubvention, weshalb die EU demnächst auch ein Wettbewerbsverfahren gegen die Bundesrepulik eröffnen will.

      • @Grisch:

        Seit wann haben Kernkraftwerke nichts mit Klima- und Umweltschutz zu tun? Nur weil die Energiegewinning selbst emissionsfrei ist? Da spielt aber dann der Abbau von "Brennmaterial" und die Lagerung von Atommüll wohl auch eine Rolle und ab dem Moment ist Kernenergie eine ziemliche Sauerei...