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Streit um RundfunkgebührenKulturkampf in Sachsen-Anhalt

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Beim Gebührenstreit geht es nicht um 86 Cent. Die AfD und der rechte CDU-Flügel wollen einen vermeintlich linksgrünen Rundfunk schwächen.

Anschreiben des Anstoßes Foto: Hendrik Schmidt/dpa

E s geht nicht um die 86 Cent. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak legt eine falsche Fährte, wenn er die Koalitionskrise in Sachsen-Anhalt als Streit über eine „nüchterne Sachfrage“ beschreibt. Worum es wirklich geht, hat der geschasste Innenminister Holger Stahlknecht in einem Interview klar benannt. Der rechte Flügel der Landes-CDU wehrt sich gegen die angebliche Moralapostelei einer intellektuellen, natürlich linksgrünen Minderheit, gegen Gendersprache und politische Korrektheit.

Stahlknechts Offenheit ist erfreulich ehrlich. Teile einer Regierungspartei wollen also den als zu links empfundenen öffentlich-rechtlichen Journalismus maßregeln, indem sie ihm den Geldhahn zudrehen. Das ist eine unverhohlene Drohgebärde gegenüber einer demokratischen Institution.

Es geht um Ideologie, nicht um Strukturen, Stellen oder Repräsentanz. Wer so tut, als streite man hier über die Frage, ob jede Vorabend-Schmonzette im MDR unverzichtbar ist oder das Regionalstudio in Dessau-Roßlau groß genug, der stellt sich absichtlich dumm. Der rechte CDU-Flügel in Sachsen-Anhalt fühlt sich der AfD näher als den mitregierenden Grünen. Er stimmt denselben verächtlichen Tonfall an, den die rechtsextreme AfD setzt: Für sie sind die Öffentlich-Rechtlichen eine linksgrün versiffte Propagandamaschine, die aufrechte BürgerInnen indoktriniert.

Über das Motiv darf man sich keine Illusionen machen. Die AfD hasst kritischen Journalismus, weil er ihre Schwächen offenlegt. Nicht ohne Grund beschimpfen AfD-PolitikerInnen gerne JournalistInnen, werden KollegInnen auf rechten Demos mit Gewalt bedroht oder gar tätlich angegangen. Auf AfD-Parteitagen werden regelmäßig Anträge gestellt, die Medien auszuschließen. Dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk das Ziel einer AfD-Kampagne ist, ist kein Zufall. Ohne ihn würden mehr Menschen ihren Lügen glauben. Die Verächtlichmachung freier Medien ist ein Kernelement rechtspopulistischer Strategielehre.

Darf man der Ansicht sein, die Anstalten brauchten nicht mehr Geld, obwohl die 86 Cent mehr de facto die erste Gebührenerhöhung seit 2009 sind? Selbstverständlich. Aber den Kontext der Debatte so konsequent zu ignorieren, wie es die Bundesspitze der CDU tut, ist gefährlich und falsch. Ziemiak verteidigt faktisch die Idee des rechten CDU-Flügels in Sachsen-Anhalt, eine von 15 Landtagen und mehreren CDU-Ministerpräsidenten unterstützte Reform zu torpedieren. Gegen den erklärten Willen der Koalitionspartner, aber zusammen mit Faschisten.

Bräuchte man noch einen Beleg für die Angst der CDU-Spitze vor den rechten Kräften in ihrem eigenen Laden und ihre Hilflosigkeit: Hier ist er.

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Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
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16 Kommentare

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  • Hallo,

    also, wenn ( erstens ) die Entscheidung einer Landtagsfraktion schon dadurch delegitimiert wird, daß rechte Rattenfänger sich daranhängen und damit eine freie Entscheidung von Abgeordneten



    kippen können, wenn damit ( zweitens ) ein „Kulturkampf“ diagnostizierbar wird, dann frage ich mich ( drittens ), wieso die Duldung der von SPD geführten Minderheitsregierungen durch die damals frisch umbenannte PDS ( bis 1990 „SED“ ) in Sachsen-Anhalt bzw. Berlin ( 1994 bis 2002 respektive 2001 bis 2002 ) untadelig war [ 1 ] ?

    Als rhetorische Lösung böte sich jetzt an, was 2008 der damalige Bundesvorsitzende Kurt Beck zu den in der SPD damals immerhin noch umstrittenen Plänen der hessischen Fraktionsvorsitzenden Andrea Ypsilanti ( SPD ) in wohlwollend-besänftigendem Tonfall sagte, als diese eine Beteiligung der Partei Die Linke an einer SPD-Landesregierung in Aussicht stellte: „Es gibt eine Normalität, und es gibt eine besondere Normalität … “ [ 2 ].

    [ 1 ] de.wikipedia.org/w...Magdeburger_Modell

    [ 2 ] Quelle: Radiointerview, m.W. im DLF

    Netter Gruß,



    Thomas Dräger, D-67098

  • 08.12.20

    Hallo,

    obzwar ich Ausdrücke wie „ … versifft“ nicht gutheiße, kann ich dennoch lesen. Zum Beispiel hier:

    www.journalist.de/...-der-ard-nachwuchs



    und ( fairerweise ) auch hier:



    uebermedien.de/545...-ein-datenprojekt/.

    … sowie hier:



    de.statista.com/st...rundfunkanstalten/



    und hier:



    www.faz.net/aktuel...ener-16901992.html.

    Mittlerweile wurde ja eingeräumt, daß die Beitragserhöhung als erforderlich angesehen wird, weil sie der Rücklagensicherung dient dessen, was die Anspruchsberechtigten als betriebliche Altersversorgung zusätzlich zu ihren Rentenansprüchen erhalten.

    Warum ein Landesparlament dies einfach nur eben so durchwinken soll, weil die rechten Trittbrettfahrer der AFD sich das Thema aus ganz anderer Motivation heraus zu eigen machen, erschließt sich nicht jedem – sorry.

    Netter Gruß,



    Thomas Dräger, D-67098

  • Wenn man den öffentlichen Rundfunk als linksgrün-versifft bezeichnen kann, dann muss man doch wohl auch die Parteien und Landtagsabgeordneten, die gegen die Erhöhung kämpfen, als stramm-schwarzbraun bezeichnen. Das wäre doch die logische Entsprechung, oder?

    • @Quixote:

      Nach meinem Verständnis paraphrasiert Ulrich Schulte mit dem "linksgrün-versifft" im obigen Kommentar die Denke der AfD. Wenn man unterstellt dass derartiges Vokabular CDU-Mitgliedern über die Lippen gekommen ist sollte man das schon durch entsprechende Zitate belegen können. Ich bin nun wirklich kein Freund der Union, diese aber dafür, dass sie gegen die Gebührenerhöhung, nicht wie die AfD grundsätzlich gegen den ÖR, ist in die braune Ecke zu stellen wirkt auf mich nicht nur absurd sondern auch als demokratisches Foulspiel der Parteien links der CDU.

  • Erschreckend ist, dass anscheinend große Teile der CDU im Osten die verfassungsrechtliche Rundfunkfreiheit ignorieren, um politisches Wohlverhalten zu erhalten und Standortinteressen zu bedienen. Dabei hatte der Medienrechtler Holznagel die Parlamentarier in Magdeburg bereits im November davor gewarnt, ihr Vorgehen verstoße gegen Artikel 5 Grundgesetz und die Rundfunkurteile des Bundesverfassungsgerichts. Die Geschicht zeigt, dass die Union immer wieder von den Richtern in Karlsruhe zurechtgewiesen werden mussten. Siehe auch: medienfresser.blog...achsen-anhalt.html

  • "Es geht um Ideologie, nicht um Strukturen, Stellen oder Repräsentanz." Fragt man die sachsen-anhaltinische CDU ist aber genau das der Fall:



    www.ardmediathek.d...00ZjFiODcxZjM5NzU/



    Natürlich muss man die CDU-Positionen nicht teilen, um darin aber den häufig diagnostizierten Angriff auf die Pressefreiheit, ja gar auf die Demokratie, und faschistoide Tendenzen erkennenen zu können braucht es schon erhebliche geistige Verrenkungen.



    "Wer so tut, als streite man hier über die Frage, ob jede Vorabend-Schmonzette im MDR unverzichtbar ist oder das Regionalstudio in Dessau-Roßlau groß genug, der stellt sich absichtlich dumm."



    Dass man aber die notwendige Auseinandersetzung über genau diese Fragen viel zu lange nicht geführt hat ist doch letztlich die zentrale Ursache für das derzeitige Dilemma. Man hätte das Thema längst auf Sachebene abräumen und die ÖR zu den überfälligen Struktur- und Programmreformen in Eigenregie veranlassen können, dann hätte die AfD nun auch keine Chance ihre taktisch-populistischen Spielchen zu treiben.

    • @Ingo Bernable:

      Mit "man hätte" haben Sie völlig recht. Naturlich hätte auch ich mir gewünscht, daß im zweitgrößten Parlament der Welt sich ein paar mehr Mitglieder als ein Grüppchen krasser Außenseiter des Themas annähmen. Haben sie aber nicht und tun es auch jetzt noch nicht.

  • Und mit dem Ausbleiben einer Erhöhung um 86 Cent wäre der Rundfunk geschwächt? Zumal das Gesamtaufkommem an Einnahmen aufgrund der wachsenden Zahl der Haushalte und der gesteigerten Werbeeinnahmen sowie kontinuierlich steigt? Und diesen Masterplan hat die CDU in ST schon vor 10 Jahren gefasst, als sie es ins Programm geschrieben hat und Rot-Grün damit vollkommen überrumpelt als die dem im Koalitionsvertrag zugestimmt haben? Aha!

  • Es stimmt, es geht nicht um zehn Euro im Jahr sondern um die ganzen 210. Was konsequent totgeschwiegen wird, ist die *Verdreifachung* der Gebühr bei der Umstellung von Rundfunkgebühr auf -beitrag. Vom Fernsehzuschlag als Zwang für alle war in der Debatte davor nie die Rede. Vor längerer Zeit war ich ein ausgesprochener und lautstarker Befürworter des ö-r Rundfunks. Damals gab es Gegenwert für das Geld. Um 1990 wurde WDR Radio 5 ganz offiziell nach dem Vorbild von BBC Radio 4 gegründet und kurze Zeit kam er dem Ideal auch nahe. Inzwischen ist auch er zum reinen Dudelprogramm verkommen, eines unter Dutzenden. Ich höre inzwischen fast nur noch BBC. Heute kann ich das dank Streaming wieder in guter Qualität tun. Nach dem Niedergang des BFBS gab es längere Zeit nur Langwelle und selbst das war bei einigermaßen ruhigem Wetter besser als alle deutschen Alternativen. Um linkslastig zu sein, müßte der Rundfunk erst einmal überhaupt Inhalte haben. Was gibt es denn außer Fußball, Gedudel und seichtem Geschwätz?

    • @Axel Berger:

      Der Beitrag hat sich nur für diejenigen verdreifacht die ausschließlich über ein Radio verfügten - für alle Anderen ist der Beitrag gleich geblieben.

      Davon abgesehen spart die jetzt pauschale Gebühr Verwaltungskosten. Außerdem dürfte es quasi niemand mehr geben der nur noch ein Radio hat... denn selbst ein normales Smartphone ermöglicht es auf das volle Programm zuzugreifen.

      PS was es gibt? DLF, Wissenschaftsprogramme, Konzerte ohne Werbung, Dokumentationen, Spielfilme ohne Werbung in HD, Verbraucherinformationen, ...

      Abgesehen davon ist es ein solidarisch finanziertes System - niemand zwingt Sie zur Nutzung - es ist wie die Krankenversicherung man zahlt ein - für andere - auch wenn man selbst nicht krank ist.

      • @danny schneider:

        Hallo,

        > " ... ein solidarisch finanziertes System ... "



        Aber die Zahlen bei diesem Link [1 ] haben Sie gesehen - oder ?

        Netter Gruß,



        Thomas Dräger, D-67098

        [ 1 ] de.statista.com/st...rundfunkanstalten/

    • @Axel Berger:

      Probieren Sie es mal mit DLF. Mehr Radio braucht man nicht.

      • @dermovi:

        "Mehr Radio braucht man nicht."



        Meine Rede. Sowohl KEF als auch 15 Landtage sind allerdings einhellig der Meinung, dass zur Auftragserfüllung der ÖR nicht weniger als 21 TV- und 74 Radiosender sowie diverse Online-Angebote notwendig sind und sich nicht auch nur einer davon einsparen ließe.

        • @Ingo Bernable:

          Es geht hier um ein Milliardenbudget - die vielen Dritt- und Viertsender kosten einstellige Millionenbeträge - die meiste Arbeit übernehmen Computer zur Automatisierung. Das einsparen dieser Sender würde im Beitrag nicht mal die letzte Kommastelle ändern.

          Im übrigen finde ich es gut das vieles so zeitversetzt wiederholt wird, so kann man auch mal Dinge sehen die sich sonst überschneiden würden

          • @danny schneider:

            Das ist falsch und wird durch ständige Wiederholung auch nicht wahrer.



            Etwa die Hälfte des Rundfunkbeitrags fließt an die Landesrundfunkanstalten also die Dritten Programme. Der Betrieb der zehn(!) MDR-Radioprogramme kostet zusammen 161,4 Mio. €, je Sender also im Durchschnitt runde 16 Mio. € im Jahr. Der Anteil dieser zehn Sender am Rundfunkbeitrag der Länder Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhanlt beträgt 1,91 €. Ihre Behauptung "Das einsparen dieser Sender würde im Beitrag nicht mal die letzte Kommastelle ändern." ist also falsch, im Durchschnitt würde die Reduktion etwa 19 ct betragen



            Würde man 9 der 10 MDR-Radioprogramme einsparen und lediglich den teuersten Sender beibehalten würde allein das den Rundfunkbetrag also um 1,56 € entlasten und man hätte immer noch eine äußerst breite Palette an strukturell redundanten Landesrundfunkanstalten.



            Radio Bremen sendet gerade mal für rund 0,7 Mio. potentielle Hörer*innen, dafür aber auf 6 Programmen. Im Durchschnitt wird da also für je etwas über 100.000 Leute ein eigener Radiosender betrieben. Und da diese wiederum nur von einem Bruchteil eingeschaltet werden darf man sich auch nicht wundern, dass etwa RB Next (96,7 MHz) im Durchschnitt gerade mal 23.000 Hörer*innen hat.



            Und würde man die neun parallel betriebenen Doppelstrukturen der Landesrundfunkanstalten ausmustern und den ÖR auf einige Sender auf Bundesebene reduzieren könnte man den Rundfunkbeitrag halbieren und hätte weitere Kostentreiber wie Spitzensportevents oder Degeto-Unterhaltungsproduktionen noch nicht mal angefasst.

      • @dermovi:

        Danke für den Tip. Und der ist 210 Euro im Jahr wert? Zugegeben, mein Taz-Abo kostet mehr, aber die schicken mir keine Drohbriefe und keine Gerichtsvollzieher sondern das zahle ich vollkommen freiwillig. Im Gegenzug hat die Taz den Anreiz, mich mit etwas Qualität als Gegenleistung bei Laune zu halten.