Streit um Kurs gegen AfD: Sachsens CDU im Clinch mit sich
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer gibt dem der Ostbeauftragten Marco Wanderwitz Mitschuld am schlechten Abschneiden der CDU.
![Kretschmer und Wanderwitz vor einem Wahlplakat mit einem Kretschmer-Portrait Kretschmer und Wanderwitz vor einem Wahlplakat mit einem Kretschmer-Portrait](https://taz.de/picture/5131744/14/CDU-Sachsen-1.jpeg)
Vor zwei Wochen sind Marco Wanderwitz, der Ostbeauftragte der Bundesregierung, und der sächsische Ministerpräsident Michael Kretmscher noch gemeinsam in einem Museum im Oelsnitz im Erzgebirge gewesen, um über die Kulturhauptstadt Chemnitz zu diskutieren. Dazu war für die beiden sächsischen Christdemokraten Polizeischutz notwendig. Denn vor der Tür hatten sich die rechtsextremen „Freien Sachsen“ postiert, insgesamt mehr als hundert Leute. Wanderwitz hat davon ein Foto gepostet. „Vor der Tür blanker Hass“, hat er dazugeschrieben.
Am Tag danach hatte er der taz von seiner Sorge erzählt, dass das Land kippen könnte. Und berichtet, dass Kretschmer und er beim Umgang mit Rechtsradikalen von der AfD und anderen „zu 99 Prozent auf einer Linie“ seien. Nur liege die Schmerztoleranz des Ministerpräsidenten höher – und dessen Herangehensweise sei eine andere: „die Gesprächsangebotsdauerschleife“. Er selbst dagegen sei „in den Kampfanzug“ gestiegen. Soll heißen: Wanderwitz ist für klare Abgrenzung und geht alles Rechtsradikale hart an. Was ihm eine Menge Hass der Rechten einbringt.
Seit der Bundestagswahl aber, bei der die AfD in Sachsen stärkste Kraft geworden und die CDU nur auf Platz drei gelandet ist, ist es mit der vermeintlichen Einigkeit zwischen Kretschmer und Wanderwitz vorbei. Der Ministerpräsident hat nicht nur Kanzlerkandidat Armin Laschet, sondern auch Wanderwitz, dem Spitzenkandidaten der sächsischen CDU, eine Mitschuld an dem schlechten Abschneiden der CDU in Sachsen gegeben.
Wanderwitz hatte vor einem halben Jahr gesagt, die Ostdeutschen seien teilweise so „diktatursozialisiert“, dass sie auch nach dreißig Jahren nicht in der Demokratie angekommen seien. Ein Teil der Bevölkerung, konstatierte er, habe „gefestigte nichtdemokratische Ansichten“, der größte Teil der AfD-Wähler:innen sei für die Demokratie verloren.„Das war sicher nicht hilfreich“, sagte Kretschmer jetzt der Leipziger Volkszeitung mit Blick auf den Wahlausgang. Menschen hätten sich stigmatisiert gefühlt.
Direktmandat ging an AfD
Auch soll Kretschmer nach Medieninformationen verhindert haben, dass Wanderwitz wieder Chef der sächsischen Landesgruppe im Bundestag wird, in das Amt wurde am Montagabend der Zwickauer Carsten Körber gewählt. Damit ist Wanderwitz, der wie andere sächsische Christdemokraten sein Direktmandat an die AfD verlor, deutlich geschwächt.
Während manche in der CDU der Ansicht sind, Wanderwitz habe alle Ostdeutschen beleidigt und der Partei geschadet, gibt es in der Zivilgesellschaft auch viele, denen Wanderwitz als einer der wenigen in der Ost-CDU gilt, der einen ganz klaren Abgrenzungskurs zur AfD und anderen extrem Rechten fährt – und damit die Demokratie verteidigt.
„Wenn die CDU in Thüringen und Sachsen wieder Boden gutmachen und die Demokratie stärken will, muss sie sich wie Wanderwitz gegen Rechtsextreme in der AfD und Co. und deren antidemokratische Ressentiments klar abgrenzen“, schrieb zum Beispiel der Historiker Jens-Christian Wagner, der die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora in Weimar leitet, auf Twitter.
Anbiedern, so Wagner weiter, helfe der AfD und schade der CDU – „siehe Maaßen“. Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen, der genau diesen Anbiederungskurs verfolgt, war bei seiner Kandidatur um ein CDU-Direktmandat in Südthüringen gescheitert – und auf Platz drei hinter SPD und AfD gelandet.
„Wanderwitz spricht in seinem politischen Resonanzraum aus, was in der sozialwissenschaftlichen Forschung zur Entwicklung des Rechtsextremismus in Ostdeutschland seit langem Konsens ist“, meint auch David Begrich, Rechtsextremismusexperte vom Verein Miteinander in Magdeburg. Und schrieb weiter auf Twitter: „Dafür wird er politisch bestraft. Zu Unrecht.“
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