Streit um Jazzhaus in Berlin: Noch viel Raum für Improvisation
Berlins Jazzszene ist renommiert und soll nun ein „Zentrum für Jazz“ kriegen – in der Alten Münze. Doch dort waren auch andere Nutzungen vorgesehen.
„Jazz am Kaisersteg“ läutet nun erneut den Livekonzert-Sommer 2021 ein. Die Inzidenzzahlen machen Mut, die Impfungen schreiten voran – das könnte also etwas werden. Am 5. Juni findet jedenfalls das erste Konzert im Rahmen dieses Festivals statt; bis Ende September wird man dort auf der Freilichtbühne in Treptow Musik erleben können.
Der Festivalbeginn ist auch die halb offizielle Auftaktveranstaltung zur dritten Jazzwoche, die am 7. Juni startet und bis 13. Juni läuft. Anders als in Schöneweide wird man hier jedoch den Konzerten und Diskussionsveranstaltungen noch einmal nur digital beiwohnen können. Die in diversen Berliner Clubs gegebenen Liveperformances werden gestreamt, die Panels ebenso.
Bei einer der Gesprächsrunden während der Jazzwoche wird es auch um einen Ort gehen, der gerade erst am Entstehen ist und nicht vor 2026 in seiner gedachten Form als Kulturstätte fertig sein wird: die Alte Münze in Mitte. Auf dem Gelände soll das „Zentrum für Jazz und improvisierte Musik“ entstehen. Ein „Kulturort der Begegnung und des transdisziplinären Austauschs“, wie sich das Kathrin Pechlof wünscht, die Geschäftsführerin der IG Jazz, die die Konzeption des Jazzzentrums federführend begleitet.
Pechlof spricht von einer „Ankerinstitution“, einem „Gravitationszentrum“ und einem „Katalysator“, der für die vielfältige lokale, aber auch bundesweite Jazzszene entstehen soll. Und von einer „Riesenchance“, dem Jazz und der improvisierten Musik, die meist unter eher prekären Bedingungen entstehen, ein besseres Standing zu geben. Freilich sei bei der genauen Ausgestaltung des Jazzhauses noch alles im Fluss, sagt sie. Wie es einmal genau aussehen soll und ob es überhaupt hundertprozentig kommt, stehe „immer noch in den Sternen“.
Da es in der Szene sehr viel Gesprächsbedarf dazu gibt, was das geplante Jazzzentrum neben Proberäumen, Aufnahmestudios und Konzerten alles bieten und wofür es genau stehen soll, wird nun auch bei der Jazzwoche noch einmal über dieses Thema geredet: Mit den reichlich umständlichen Worten „Institutionalisierung als probates Mittel zum Aufbau von Resilienz im Bereich des Jazz und der improvisierten Musik?“ ist eine der Diskussionsrunden überschrieben.
Man achte dabei auch auf das Fragezeichen im Titel. Es wird also nicht als gegeben vorausgesetzt, dass sich jeder und jede wirklich so ein Leuchtturmprojekt wünscht. Zumal die international gefeierte Berliner Jazzszene bislang in kleinen Clubs floriert. Was die Frage aufwirft, ob diese noch die nötige Aufmerksamkeit bekommen, wenn sie irgendwann im Schatten einer geförderten Institution für den Jazz stehen werden.
Die dritte Jazzwoche Berlin wird pandemiebedingt als Digitalveranstaltung statt finden. Vom 7. bis zum 13. Juni werden zahlreiche Jazzkonzerte in Berliner Clubs gegeben, die im Stream verfolgt werden können. Dazu gibt es Podcasts und diverse Diskussionsrunden, die sich vor allem mit den prekären Strukturen beschäftigen, in denen sich Jazz und improvisierte Musik behaupten müssen und die während Corona nochmals deutlich sichtbar wurden. (aha)
Das Zentrum für Jazz und improvisierte Musik ist zudem Teil von Streitigkeiten geworden, die gerade hinter den Kulissen entbrannt sind: beim Ringen darum, was genau einmal in der Alten Münze entstehen soll. Um die Hintergründe genauer verstehen zu können, hilft ein kurzer Blick zurück. Schon 2016 plante der Jazztrompeter Till Brönner in der Alten Münze ein „House of Jazz“, wofür sich auch der damalige Kulturstaatssekretär Tim Renner (SPD) stark machte. Dessen Nachfolger, der linke Kultursenator Klaus Lederer, kassierte die Pläne ein und warb darum, an dem Ort Kultur in unterschiedlichsten Facetten erblühen zu lassen.
Vor allem der freien Szene in Berlin wurde so einiges versprochen. Als Ergebnis eines aufwendigen Beteiligungsverfahrens wurde entschieden: Theater, bildende Kunst, alles Mögliche soll hier eine Heimat finden und der Jazz ganz nebenbei auch.
Teile der Koalition der Freien Szene, die sich in einer AG Alte Münze zusammengeschlossen haben, werfen dem Kultursenator nun vor, intransparent weiter die Planungen für den Ort voranzutreiben. Sie fürchten, dass Beschlüsse aus dem Beteiligungsverfahren ignoriert werden. Julia Schell, Sprecherin der AG, spricht gar von einer „Scheinbeteiligung“. Einer ihrer Vorwürfe lautet, dass einzig und allein das Zentrum für Jazz und improvisierte Musik als gesetzt betrachtet werde und dieses zudem mit Geldern von Bund und Land bezuschusst werden solle, während es in Richtung der anderen Künste lapidar heiße: Eure Projekte sollen sich finanziell, bitte schön, selber tragen.
Die Befürchtung seitens der freien Szene ist, dass die Alte Münze am Ende zu einer Kommerzkulturbude wird, in der sich einzig und allein der Jazz frei entfalten kann.
Von der Kulturverwaltung bekommt man bezüglich der Vorwürfe der AG Alte Münze leicht schwammig mitgeteilt: „Wir arbeiten derzeit daran, die Ergebnisse des Beteiligungsverfahrens bestmöglich umsetzbar zu machen.“ Die entsprechenden Fachplaner seien involviert. „Naturgemäß braucht es Zeit, bis man mit Ergebnissen wieder an die Öffentlichkeit treten kann.“
Im August soll es eine weitere öffentliche Veranstaltung zur Alten Münze geben. Wie genau es mit dem Zentrum für Jazz und improvisierte Musik weitergehen soll, wird sicherlich auch Thema sein.
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