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Streit um „Haus des Gastes“ auf AmrumAbstimmung nach 24 Jahren Debatte

In der Gemeinde Nebel auf Amrum will die Politik das „Haus des Gastes“ abreißen, eine BI kämpft dagegen für die Sanierung. Im Februar wird abgestimmt.

Baufällig oder nicht? Lange gab es nicht einmal ein Gutachten zum Zustand des Amrumer „Haus des Gastes“ Foto: Matthias Süßen/ wikimedia commons (CC BY-SA 4.0 Deed)

Neumünster taz | Abriss oder Sanierung – in Nebel auf Amrum läuft ein Bürgerentscheid über das Schicksal einer Villa aus der Bäderzeit, in dem heute die Touristinformation, das „Haus des Gastes“, untergebracht ist. Seit dem vergangenen Jahr streiten die Gemeindevertretung und eine Bürgerinitiative (BI) um die Zukunft des historischen Gebäudes und des angrenzenden Parks. Das Bürgerbegehren, den ersten Schritt des Verfahrens, hatte die BI für sich entschieden. Doch die Debatte hat sich in den vergangenen Wochen noch verschärft.

Immer wieder verschwinden im Ort Schilder, mit denen die BI für ihr Anliegen „Retten wir das Haus des Gastes“ wirbt. „Kindergarten“ und „Schildbürgerstreich“, lauten die verärgerten Kommentare auf der Facebook-Seite der BI. In den Kommentar-Spalten des Onlinemediums „Amrum News“ beharken sich beide Seiten: Von der „irrlichternden Gemeindevertretung“ ist die Rede, „idiotisch-polemisch“ kontert ein anderer Nutzer.

Nicht nur Einheimische, auch zahlreiche Ur­lau­be­r:in­nen beteiligen sich an den Debatten, rund 3.000 unterschrieben eine Petition zugunsten der Sanierung. Aber zur entscheidenden Abstimmung am 11. Februar sind nur die wahlberechtigten der 984 Ein­woh­ne­r:in­nen der Inselgemeinde aufgerufen.

Das Haus des Gastes wurde 1905 im Bäderstil erbaut. Früher waren in der Villa ein Lungensanatorium und ein Kinderheim untergebracht. Seit 1986 gehört das Gebäude, das am Ortsende in einem kleinen Park liegt, der Gemeinde, die dort die Tourismuszentrale sowie Veranstaltungsräume untergebracht hat. In den oberen Räumen wohnen während der Badesaison die Ehrenamtlichen, die im Sommer die Strandaufsicht übernehmen.

Wir wollen keinen Streit in der Gemeinde, nur sachlich klären, ob sich dieses ortsprägende Gebäude vielleicht doch retten lässt

Liane Kurfürst, Bürgerinitiative „Retten wir das Haus des Gastes“

Seit dem Jahr 2000 diskutiert die Gemeindevertretung über die Zukunft des Hauses. 2012 fiel zunächst ein Beschluss, das Gebäude zu sanieren. Der Plan wurde jedoch wegen erwarteter hoher Kosten nicht umgesetzt, stattdessen 2018 beschloss die Gemeinde einen Neubau. Bei einem Architektenwettbewerb gewann ein Entwurf, der ein flaches Gebäude mit größerer Grundfläche als das heutige Haus vorschlägt – daher müssten zahlreiche Parkbäume weichen.

Aus Sicht der Gemeinde passt sich der moderne Entwurf gut in die Landschaft ein. Der Gemeinderat steht geschlossen hinter dem Bau, ebenso die gemeindeeigene Amrum Touristik als Nutzerin des Hauses. Die Be­für­wor­te­r:in­nen verweisen zudem auf Barrierefreiheit und bessere Dämmung des Neubaus. Kri­ti­ke­r:in­nen wie der Insel-Historiker Georg Quedens sprechen dagegen von einem „Tomatentreibhaus“, das nicht zum Friesenstil des Ortes passe.

Dennoch gab es keinen großen Protest – bis die Nebelerin Liane Kurfürst und ihr Mann Manfred zufällig darauf stießen, dass es keinen Beweis für die Baufälligkeit der Villa gebe: „Es war immer von einem Gutachten die Rede. Doch als wir das sehen wollten, gab es gar keins“, erklärt sie der taz. Um Klarheit zu schaffen, gründete sie mit anderen Interessierten die Bürgerinitiative, aus der das Bürgerbegehren folgte.

„Wir bekommen viel Gegenwind“, sagt Kurfürst. Gerechnet habe sie damit nicht: „Wir wollten keinen Streit in der Gemeinde, nur sachlich klären, ob sich dieses ortsprägende Gebäude vielleicht doch retten lässt.“ Auf eigene Kosten ließ die BI ein Gutachten erstellen, das dem Haus ein gutes Zeugnis ausstellte und auch die architektonische Besonderheit hervorhebt.

Bürgermeister Cornelius Bendixen (CDU) nannte das Gutachten zwar „eine Farce“, ein Gegengutachten der Gemeinde fehlt aber weiterhin. Den Kompromissvorschlag einer Architektin, wie der Altbau so umgerüstet werden könnte, dass er alle Wünsche der Amrum Touristik inklusive Barrierefreiheit erfüllt, lehnte die Gemeindevertretung einstimmig ab. Streit gibt es über die Kosten – jede Partei legt Berechnungen vor, nach denen ihre Variante billiger wäre als die der Gegenseite. Gleiches gilt für die Umweltschäden: Die BI kritisiert, dass Bäume gefällt werden, die Gemeinde verweist auf ein Grasdach als Ausgleich.

Während die Gemeinde ihre Vision vom neuen Haus des Gastes in aufwändigen Werbefilmen und Flyern zeigen kann, kleben Liane Kurfürst und ihre Mit­strei­te­r:in­nen Zettel und verteilen Flyer. Und selbst das werde ihnen schwer gemacht, berichtet Kurfürst: „Da herrscht schon eine Ungleichheit der Waffen.“

Bei der Abstimmung am 11. Februar müssen insgesamt drei Kreuze gesetzt werden: Ein Ja oder Nein zum Vorschlag der BI, das bestehende Gebäude zu erhalten und zu sanieren, ein Ja oder Nein zum Vorschlag der Gemeindevertretung für einen Neubau sowie eine Stichfrage – ein Verfahren, das zu Fehlern und damit ungültigen Stimmen führen kann. Eigentlich hätte eine Frage gereicht, schreibt ein User auf der Seite der Amrum news. Aber „die Gemeinde wollte unbedingt eine zweite Frage haben“.

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2 Kommentare

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  • "Grasdach ... " statt Bäume. Klingt wie "Plastik sparen" statt BahnCard oder "Ölologische Ausgleichsmaßnahme" beim Autobahnbau. Wörtergeklingel statt ernsthaft. Politik macht sich lächerlich.



    Amrum hat in den 70-ern erst begonnen, aufzuforsten: Landeinwärts entlang der Düne(n) entstand ein Streifen Nadelwald. Und steht noch.

    • @lesnmachtdumm:

      Jetzt haben wir erfahren, dass auf das Grasdach(ca700m2, das eine versiegelte Fläche von bis zu 3500m2 ausgleichen soll) jetzt noch eine Fotovoltaikanlage aufmontiert werden soll. Da bleibt man sprachlos!