Streit um Elterngeld: Reiche Kinder erwünscht
Das Elterngeld war schon immer ungerecht: Während die Armut von Alleinerziehenden wuchs, ließen sich andere vom Staat ihre Traumreise bezahlen.
D ie Diskussion übers Elterngeld diese Woche war super. Kaum hatte Familienministerin Lisa Paus – vom Finanzminister unter Kürzungsdruck gesetzt – vorgeschlagen, das Elterngeld für Sehrgutverdiener abzuschaffen, hagelte es Stellungnahmen, Interviews, Kommentare, Zahlen, Daten. Es war ein Fest der allgemeinen Faktenfindung und Urteilsbildung.
Wenn schon gespart werden müsse, seien die obersten Einkommensprozente dafür nicht die schlechteste Adresse, meinten viele. Andere: Was für eine Idee, bei den Einkommen über 150.000 Euro zu kürzen! Genau dort werde doch der beabsichtigte Effekt gefährdet: Papa kümmert sich auch ums Kind! Und überhaupt: das Signal!
Mein Verhältnis zum Elterngeld ist leider dadurch belastet, dass ich seine Einführung ab 2005 relativ aufmerksam begleitet habe. Das war, bevor Twitter im Minutentakt neue Details zu Gesetzesvorschlägen ausspuckte und es Statistiken noch nicht so fix aus dem Netz zu fischen gab – im Vergleich zu heute waren Diskussionsprozesse geradezu bedächtig. Von Argument zu Gegenargument, das dauerte schon mal einen Monat oder zwei.
Doch wartete ich damals vergeblich auf die empörten Familienpolitikerinnen, die endlich auf den ganz entscheidenden Haken an der Sache hinwiesen: Weil für das Elterngeld das Erziehungsgeld abgeschafft wurde, wurden die Leistungen für arme Familien einfach mal glatt halbiert. Sie bekamen bis dahin 300 Euro pro Monat für zwei Jahre, daraus wurde nun ein Jahr. Irgendwoher musste das Geld ja kommen, um die neue Lohnersatzleistung bis zu 1.800 Euro zu zahlen. Die Kurzfassung dieses Vorgangs lautet „Umverteilung von unten nach oben“.
Mehr Kinder von Gutverdienenden erwünscht
Das Familienministerium unter Ursula von der Leyen rückte auch irgendwann die Zahlen dazu heraus, wer mit dem Elterngeld in die Röhre guckte: „155.000 Familien mit einem Einkommen unter 30.000 Euro netto erhalten weniger Elterngeld, als ihnen bisher für zwei Jahre Erziehungsgeld zustehen würde“, schrieb mir die Pressestelle im Mai 2006. Das war nicht die endgültige Größe. Unter anderem ging das mit den Hartz-IV-BezieherInnen auch noch alles durcheinander. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung zeigte aber in den Folgejahren auf, wie die Armut unter alleinerziehenden Müttern zunahm, und verwies zur Erklärung trocken unter anderem aufs Elterngeld.
Doch so ist das, wenn viele profitieren, die artikulationsstark sind, und hier sind JournalistInnen ausdrücklich mitgemeint: Die Idee einer staatlichen Kompensation des Babyjahres fanden einfach zu viele viel zu gut, um auf die Details zu schauen. Endlich interessiert sich der Staat genug für Familien, um den Verdienstausfall zu zahlen! Die These, dass gerade Gutausgebildete und Gutverdienende einen Anreiz bräuchten, um mehr Kinder zu kriegen – es seien ja die Kinder, von denen man mehr wollte (Gerhard Schröder sprach das aus, die SPD hatte das Elterngeld bis 2005 vorbereitet) –, verfing auf beschämend schlichte Weise.
Im Ergebnis gab es dann bald auch Reportagen von jungen Familien zu lesen, die dank Elterngeld endlich ihre Traumreise mit dem Camper machten, das Kind in der Mitte: Er nahm seine acht Papa-Wochen, und der Staat zahlte ein Gutteil des Trips, wie toll! In Neuseeland wunderten sich die Pensionswirtinnen über die deutsche Babyschwemme.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Die Geburtenrate ist nicht so gestiegen, dass irgendwer das ernsthaft aufs Elterngeld zurückführen würde. Der Arbeitsmarkt saugt die Mütter jetzt auch von selbst auf – deren Wiedereinstieg ist ohnehin nicht mehr gefährdet. Und die Väter? Die nehmen statistisch jetzt ein paar Wochen mehr Elternzeit als im Jahr 2007. Schön, das. Der Preis dafür war und bleibt hoch.
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