Streit über „Schmähgedicht“: Erdoğan verliert gegen Springer-Chef
Wegen Mathias Döpfners Unterstützung für den Satiriker Jan Böhmermann zog der türkische Präsident vor Gericht. In Köln scheiterte er in letzter Instanz.
Wie zuvor das Landgericht im Mai bewerte nun auch das Oberlandesgericht den „offenen Brief“ Döpfners auf der Internetseite der Zeitung Die Welt, in dem er seine Solidarität mit Jan Böhmermanns „Schmähgedicht“ bekundet, als eine von Artikel fünf des Grundgesetzes geschützte zulässige Meinungsäußerung, hieß es.
Es handele sich bei dem Brief Döpfners zuvorderst um eine Stellungnahme zur rechtlichen Zulässigkeit des Beitrags von Böhmermann in dessen Sendung „Neo Magazin Royale“, erklärten die Richter des Oberlandesgerichts. Dass Döpfner Böhmermanns Beitrag gutheiße, sei vom Grundgesetz als zulässige Meinungsäußerung geschützt.
Auch das „PS“ von Döpfners Brief führe nicht zu einem Unterlassungsanspruch, erklärten die Richter des 15. Zivilsenats. Im Presserecht könne zwar das „Zu-Eigen-Machen“ einer fremden Äußerung zu einer erhöhten Verantwortlichkeit führen, doch sei ein solcher Fall hier nicht gegeben. Denn auch das Post Scriptum Döpfners sei Teil der Auseinandersetzung um die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Meinungs- und Kunstfreiheit sowie um die Diskussion hierüber im Anschluss an das „Gedicht“ von Böhmermann.
Das Wort „Ziegenficker“ ändert nichts
Gegen ein „Zu-Eigen-Machen“ im presserechtlichen Sinne spreche schon, dass Döpfner das Gedicht Böhmermanns in seiner satirischen Einkleidung nicht wiederholt habe, erklärte das Oberlandesgericht. Vielmehr gehe es dem Springer-Chef erkennbar darum kundzutun, dass er das Gedicht Böhmermanns in seiner vorgetragenen Form für Satire und damit für zulässig halte.
Eine andere rechtliche Bewertung folgt aus Sicht der Richter auch nicht daraus, dass der offene Brief Döpfners das Wort „Ziegenficker“ enthält. Döpfner habe damit lediglich auf eine Passage des Gedichts Bezug genommen und nicht den Antragsteller der Beschwerde, also Erdoğan, bezeichnet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus