Strategiepapier der SPD: Gut wären ein bis zwei Kinder

Ein geheimes Strategiepapier der SPD lotet die Perspektiven der Partei aus. Und fordert radikale Konsequenzen in der Personalpolitik.

Manuela Schwesig: Ihr Gesicht und ihre Art kommen gut an. Bild: dpa

Am Rande des SPD-Parteitags ist in dieser Woche ein Strategiepapier – mit Blick auf die Wahljahre 2017 und 2021 – aus dem Umfeld der Friedrich-Ebert-Stiftung aufgetaucht. Als Autoren werden Politikberater, Kommunikationswissenschaftler und ehemalige SPD-Granden gehandelt, die den Niedergang der Partei aufhalten möchten. In Insiderkreisen trägt das Geheimpapier den Titel „Agenda 17 und 4“. Wir zitieren auszugsweise:

Erste und oberste Erkenntnis: Moderne Politik wird mit Optik, psychologischen Markern und strategisch-kommunikativen Angeboten gemacht. Im Klartext: mit Gesichtern und Parolen, die ankommen. Programme spielen demgegenüber keine Rolle. Wie sehr uns das gegen den Strich gehen mag, wir haben darauf pragmatisch zu reagieren, wenn wir Politik nicht ausschließlich aus der Opposition heraus gestalten wollen. Konkret: Wir haben nach Gesichtern zu suchen, die sich so mit Parolen verbinden lassen, dass daraus Commitment und Bindung entsteht.

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Union und SPD verhandeln über Mindestlohn und Rente. Aber wovon hängt es ab, ob sich jemand arm fühlt? Nur vom Geld? Vier Begegnungen an den Grenzen der Armut lesen Sie in der taz.am wochenende vom 16./17. November 2013 . Darin außerdem: Der deutsche Kunstmarkt muss jetzt endlich Verantwortung für die Raubzüge des „Dritten Reiches“ übernehmen, sagt der Historiker Hanns C. Löhr. Und der sonntaz-Streit: Der neue iranische Präsident Rohani gilt als verhandlungsbereit. Kann man dem Iran trauen? Nein, sagt Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

2017 wird die Partei ein ähnliches Problem haben wie 2009: Juniorpartner in Regierungskoalitionen haben kaum zu kompensierende wahlstrategische Nachteile. Deshalb muss unser Hauptaugenmerk realistischerweise darauf liegen, wie wir 2017 ohne weiteren Aderlass überstehen, um 2021 angreifen zu können. Auf dieses Ziel hin ist unsere interne Umgestaltung, insbesondere unserer Kommunikation und unseres Personalangebots, auszurichten.

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Statusanalyse des aktuellen Führungspersonals. Steinmeier: endgültig verbraucht. Verliererimage. Gute persönliche Sympathiewerte, die aber keine Wähler ziehen. Mittelfristig auszugliedern. Möglicher Auffangjob: FES-Chef.

Oppermann: Klug, fair, redefähig, erzeugt aber erstaunlicherweise kein Commitment. Bleibt ein Fragezeichen.

Gabriel: Sicherlich das heißeste Eisen. Unbezweifelbare Intelligenz, Beweglichkeit (politisch) sowie großer Ehrgeiz. Aber, was die Optik betrifft, medial nur sehr schwer vermittelbar. Radikaler Personality Relaunch unbedingt notwendig. Gabriel könnte 2017 den Steinmeier von 2009 spielen. Wahrscheinlichste Funktion: den Übergang zum Führungspersonal von 2021 innerparteilich und medial vorzubereiten.

Nahles: Keine Zukunft. Wird sich spätestens 2017 als Personalie erledigt haben. Hat in keiner Weise die Funktion erfüllt, jüngere Wähler, vor allem Wählerinnen, zu binden, innerparteilich schwindende Unterstützung. Unmusikalisch.

Kraft: Interessanter, aber musealer Fall. Derzeit noch Hoffnungsträgerimage. 2013 hätte sie bei richtiger Parteistrategie bundespolitisch Chancen gehabt. Wo sie 2017 steht, ist ungewiss. Vermutung: am Abgrund ihrer rot-grünen Koalition. Daher ungünstige Prognose für längerfristige Bundesperspektive, auch aus Altersgründen.

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Was ist das Zukunftspersonal?

Der Genderindex weist prognostisch für die kommenden 20 Jahre einen eindeutig positiven Feminin-Marker bei den Wahlchancen aus. Infolgedessen ergibt sich ein Plus für weibliche Spitzenkandidaten.

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Nach unseren Analysen sind dabei folgende Punkte von Wichtigkeit. Gutes Aussehen ist ein Plus nur in Verbindung mit dem souveränen Gestus: „Darauf kommt es nicht an.“ Die Karte Optik muss selbstverständlich wirken, darf keinesfalls „ausgespielt“ werden. Performance: Die Kandidatin muss verbindlich und klar, darf aber nicht zu straight sprechen. Dies ist der wichtigste K-Punkt überhaupt: Die Balance zwischen einer Aura von Mütterlichkeit und einer strikt „instrumentellen“ Einstellung in allen Sachfragen als Kennzeichen der unbestechlichen Problemlöserin. Gefragt ist eine Weiterentwicklung des Merkeltyps. Hier herrscht noch weiterer Klärungsbedarf. Internes Stichwort in unserer Diskussion ist „Familiäre Brutalität“, sprich: die Ausstrahlung von Ellenbogen und Samthandschuhen, Härte und Solidarität, Fürsorge und hartes Durchgreifen.

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Gut wären ein bis zwei Kinder, möglichst Ostherkunft; optimal ein persönlicher Migrationshintergrund (3. Generation), ersatzweise ein Ehemann mit nichtdeutschen Wurzeln. Ebenfalls positiv: christliche Bindung, aber keineswegs klerikal.

Derzeit kommt diesem Bild, auch wenn nicht alle traits zutreffen, nur eine bereits politisch eingeführte Kandidatin nahe: Manuela Schwesig. Ihr Gesicht und ihre Art kommen gut an. Defizit: kein Landesmutter-Image, was auch eine Altersfrage ist. Bis 2021 – sie ist dann 47 – sollte sie als Spitzenkandidatin aufgebaut werden. Zunächst als radikale, aber verbindlich wirkende Kritikerin der erwartbaren Missgriffe der künftigen Koalition.

Zentrales Problem: sie als Spitzenkraft aufzubauen, ohne sie mit den Pannen der Regierung in Verbindung zu bringen. Die Partei muss ihr eine Nische schaffen, in der sie sich als radikale Reformerin ohne Angst vor Tabubrüchen inszenieren kann. Als medienwirksame „innerparteiliche Oppositionsführerin“ gegen Schwarz-Rot wird sie nach dem 2017 endgültig besiegelten Generationswechsel auf den Schild gehoben. 2021 wird sie Spitzenkandidatin.

[…]

Gleichzeitig umfassendes Screening in den Landesverbänden nach möglichen Alternativen. Aufbau einer Coaching-Zentrale für den Führungsnachwuchs. Entwicklung einer Fohlenelf.

Weniger fiktive Informationen finden Sie hier: www.spd.de

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