Strategien für den neuen Bundestag: Keine Bühne für die AfD

Bald wird die AfD wohl im Bundestag sitzen und das Parlament für sich zu nutzen wissen. Wie bereiten sich die anderen Parteien vor?

Der Berliner Reichstag im Hintergrund, im Vordergrund von grünen Bäumen umrahmt

Draußen bleiben wird die AfD wohl nicht Foto: dpa

ERFURT/BERLIN taz | Landtagssitzung in Thüringen. Das Parlament diskutiert den Zwischenbericht eines Untersuchungsausschusses, die Schüler auf der Zuschauertribüne fächeln sich mit den Landtagsbroschüren Luft zu. Dann hat der Abgeordnete Stephan Brandner von der AfD das Wort: alles Altparteiengezänk, überflüssig und an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten. Überhaupt würden die Parteien Vielfalt nur vortäuschen, sich ansonsten absprechen gegen die AfD, hinterfotzig sei das. Brandner kriegt einen Ordnungsruf, die Schüler aber sind schlagartig aufgewacht und werfen sich entsetzt-amüsierte Blicke zu.

In Thüringen sind sie solche Szenen gewohnt, dem Bundestag in Berlin stehen sie noch bevor. Denn Brandner, Spitzenkandidat der thüringischen AfD und 60 oder gar mehr weitere AfDler werden wohl dem neuen Bundestag angehören, sie werden Ausschüsse leiten und Anträge einbringen. Und sie werden das Parlament als Bühne für sich zu nutzen wissen. AfD Landtags-TV stellt die Reden Brandners und der anderen AfD-Fraktionsmitglieder ins Netz, wo sie eifrig geklickt werden. Wie bereiten sich die anderen Parteien auf die AfD im Bundestag vor?

Die Linkspartei hat bereits vorgearbeitet. Nachdem die AfD 2014 in drei ostdeutsche Länderparlamente eingezogen ist, hat der Parteivorstand eine Arbeitsgruppe einberufen, die Handlungsvorschläge für den Umgang mit der AfD in den Parlamenten erarbeitet hat. Ziel: einer „Normalisierung“ der Partei entgegenwirken und immer wieder darauf hinweisen, „dass die AfD keine demokratische Alternative ist“.

In Empfehlungen, die der Parteivorstand 2015 beschlossen hat, schlägt die Linke vor, konsequent gegen AfD-Anträge zu stimmen, keine gemeinsamen Erklärungen abzugeben, keine Unterstützung in Personalangelegenheiten zu gewähren oder anzunehmen. „Die Abgrenzung soll im Idealfall in einer politischen Isolation der AfD enden“, heißt es in dem Papier. Man wolle für diesen Kurs auch bei den anderen Fraktionen werben.

In Sachsen kaum Ausfälle

Doch die politische Isolation könnte schwierig werden. Denn die Thüringer AfD macht es den dortigen Landtagsparteien mit ihren Schlägen unter die Gürtellinie vergleichsweise leicht. Die sächsische AfD setzt hingegen darauf, als ganz normale Partei wahrgenommen zu werden.

„Sie werden kaum Ausfälle von sächsischen AfD-Abgeordneten hören“, sagt Kerstin Köditz, die die AfD-Arbeitsgruppe in der Linkspartei leitet und dem Sächsischen Landtag angehört. Die sächsische AfD und ihre Spitzenkandidatin Frauke Petry gelten als die gemäßigten AfDler – nationalkonservativ, aber nicht rechtsextrem.

Der Soziologe Wolfgang Schroeder vom Berliner Wissenschaftszentrum (WZB) hat mit einem Kollegen die Arbeit der AfD in 10 der bislang 13 Landtagen untersucht und unterscheidet zwei Haupttypen: parlaments- und bewegungsorientierte Fraktionen. „Die einen“, sagt Schroeder, „wollen das Parlament nur als Bühne benutzen, die anderen wollen es ernst nehmen.“

Die Abgrenzung von der parlamentsorientierten AfD in Sachsen fällt selbst der Linkspartei mitunter schwer. Bei manchen Anträgen von der sächsischen AfD, etwa zur Absenkung von Hürden bei Volksentscheiden, hat ein Teil von Köditz’ Fraktion sich in der Vergangenheit nur enthalten, statt mit Nein zu stimmen. „Wir müssen bei jedem einzelnen Antrag gucken, wo wir die Kritik ansetzen“, meint Köditz.

Keine „Lex AfD“

Eingeflossen in den AfD-Parlamentsnavigator der Linken sind auch die Erfahrungen mit der NPD, die sowohl in Sachsen als auch in Mecklenburg-Vorpommern im Landtag vertreten war. Damals änderten Länder und Kommunalparlamente reihenweise Geschäftsordnungen und parlamentarische Gepflogenheiten. So einigte man sich in Sachsen darauf, dass jeweils nur ein Redner der Opposition und der Koalition Stellung zu NPD-Anträgen nehmen sollte, um die Rechtsextremen nicht zu sehr aufzuwerten. „Hirnrissig hoch drei war das“, meint Köditz heute. „Es bringt nichts im Kampf gegen die Feinde der Demokratie, auch die Demokratie einzuschränken.“

Eine Änderung parlamentarischer Regelungen und Gepflogenheiten extra wegen der AfD lehnt auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, ab. „Wir wollen keine Lex AfD“, sagt Haßelmann, „wir werden denen keine Gelegenheit bieten, sich als Opfer zu inszenieren.“ Für ebenso abwegig hält sie es, bereits im Vorfeld über die mögliche Besetzung von Ausschüssen zu spekulieren.

Die Bild-Zeitung hatte vergangene Woche berichtet, dass sich die Haushälter im Parlament bereits darauf geeinigt hätten, keinem AfD-Abgeordneten die Leitung des Haushaltsausschusses zu übertragen. Der Ausschuss ist einer der einflussreichsten des Parlaments, denn dort wird entschieden, wofür die Regierung Geld ausgeben darf. Den Vorsitz hat normalerweise die stärkste Oppositionsfraktion inne – und das könnte nach dem 24. 9. die AfD sein.

Haßelmann plädiert für einen selbstbewussten, coolen Umgang mit der AfD. „Im Parlament gibt es klare Regeln, an die hat sich auch eine AFD zu halten. Wir als Parlament sollten souverän, aber hart in der Sache mit der AfD umgehen. Und über kein Stöckchen springen.“ Konkrete Handlungsempfehlungen, wie sie die Linkspartei vorlegt, gibt es bei den Grünen nicht. Man werde sich am 25. September mit den anderen demokratischen Parteien zusammensetzen und über einem gemeinsamen Umgang sprechen, meint Haßelmann.

Die AfD jubelte

Auch für die SPD steht bislang lediglich fest: „Wir werden inhaltlich keine gemeinsame Sache mit der AfD machen und sie politisch nicht einbinden“, erklärt die parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion, Christine Lambrecht. „Es wird keine Anträge geben, wo draufsteht: SPD, AfD.“

Ansonsten werde man nicht zulassen, dass die AfD die Opferrolle für sich beanspruche, und deshalb mit ihr so umgehen, wie man mit jeder anderen demokratisch gewählten Fraktion umgeht. Allerdings behalte man sich vor, AfD-Abgeordnete nicht in Gremien zu wählen, wenn sie sich fachlich nicht eigneten.

Die CDU-Zentrale erklärt zum künftigen Umgang mit der AfD: „Die Parteivorsitzende, der Generalsekretär und andere Mitglieder der Parteiführung haben immer wieder deutlich gemacht, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben wird. Das gilt.“

Selbst für Parteifreunde nicht bundestagstauglich

Doch das stimmt so nicht. In Sachsen-Anhalt etwa hat die CDU bereits mit der AfD zusammengearbeitet. So stimmte die Mehrheit der Magdeburger Fraktion für einen Antrag der AfD, eine Enquete-Kommission einzurichten, die sich mit Linksextremismus beschäftigen soll. Die AfD-Fraktion jubelte.

„Inzwischen streben alle Parteien einen mehr oder weniger normalen Umgang mit der AfD an“, erzählt AfD-Analytiker Schroeder vom WZB. Eine harte Abgrenzung schweiße die mitunter sehr fragilen Fraktionen der AfD zusammen und mobilisiere zudem Widerstand außerhalb des Parlaments. „Die Selbstzerstörungskraft, die vielen Fraktionen innewohnt, wirkt viel stärker, wenn die AfD genauso behandelt wird wie andere Parteien.“

Je größer die Bundestagsfraktion wird, desto komplizierter wird es für die AfD. Denn dann werden die Spannungen, die es in der zutiefst gespalteten Partei gibt, deutlicher zum Tragen kommen. Und auf den hinteren Listenplätzen stehen auch Leute, die selbst Parteifreunde für nicht bundestagstauglich halten.

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