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Strafe für Flaggen-KürzungDeutschland unten ohne

Ein Mann verbreitete ein Bild einer ums Gold verkürzten deutschen Fahne während der Fußball-EM 2016. Dafür wird er nun in Berlin verurteilt.

Hier bitte nicht schneiden, sonst droht eine Strafe Bild: taz

Berlin taz | Das Corpus Delicti wurde nicht präsentiert, womöglich hätte es ja die Würde des Gerichts verletzt. Ob es der Wahrheitsfindung gedient hätte, darf ebenso bezweifelt werden, schließlich gibt es das belastende Foto. Es zeigt eine Deutschlandfahne – zumindest das, was davon übrig ist: Ein Fähnchen in Schwarz-Rot, ohne den charakteristischen „senffarbenen“ Streifen – das Bundesverfassungsgericht hat diese Bezeichnung ausdrücklich erlaubt. Eine Flagge also, die eher für anarcho-kommunistische Träume oder die Clubberer vom 1. FC Nürnberg steht als für die Bundesrepublik Deutschland.

Weil es aber nun mal eine Nationalfahne war, wie ein kleiner goldener Reststreifen erahnen ließ, musste sich am Dienstag der Angeklagte Daniel S. vor dem Kriminalgericht in Berlin-Moabit verantworten. Durch das Posten des Bildes der gekürzten Fahne habe er gegen den Paragrafen 90a des Strafgesetzbuches verstoßen, sich der Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole schuldig gemacht, so der Vorwurf. Und der wiegt schwer: Eine solche Tat wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Am Ende kam S. um das Gefängnis herum, wurde jedoch schuldig gesprochen. 50 Tagessätze zu je 50 Euro muss er nun zahlen.

Zur Last gelegt wurde dem Angeklagten, am 7. Juni 2016 die Fahne für alle Kollegen sichtbar an seinem Arbeitsplatz in Berlin-Neukölln zur Schau gestellt und dann ein Bild davon auf seinen Facebook- und Instagram-Profilen veröffentlicht zu haben. Dazu schrieb der Programmierer, auf englisch: „Ich fand eine Flagge in unserem Büro und wollte ein Zeichen setzen: #CuttheGold.“

Der 38-jährige S. ließ seine Anwälte eine Erklärung verlesen, in der er den wesentlichen Tatvorwurf – das Posten des Bildes – gestand. Er betonte jedoch, dass er die Fahne in diesem Zustand gefunden habe – was glaubwürdig erschien. Denn drei Tage vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft der Männer 2016 in Frankreich, bei der Deutschland später im Halbfinale scheiterte, waren ja genug Fähnchen, auch verunstaltete, im Umlauf. Dann will sich S. an einen Aufruf zum Tag der Deutschen Einheit erinnert haben, der das Abtrennen des goldenen Streifens propagierte. Deshalb habe er das entsprechende Hashtag: „Cut the Gold“ gesetzt.

Ich fand eine Flagge in unserem Büro und wollte ein Zeichen setzen: #CuttheGold

Der etwa 20-sekündigen Erklärung des bislang nicht vorbestraften Angeklagten, folgten die Plädoyers der Staatsanwältin (Forderung: 40 Tagessätze à 60 Euro) und der Anwältin („Freispruch“). Nach kaum fünf Minuten war die Verhandlung beendet. Die Richterin zog sich zurück, kam wieder und urteilte ab.

Das Zerstören der Fahne könne S. nicht nachgewiesen werden, doch um eine Verunglimpfung handle es sich zweifelsfrei. Einfach gemacht habe sie sich das Urteil nicht, so die Richterin. Sie habe abwägen müssen zwischen dem Rechtsverstoß und der grundgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit. Am Vorabend habe sie sich zum Thema „deutsche Fahne“ juristisch kundig gemacht, sagte sie.

Die schwarz-rot-goldene Fahne wurde erstmals 1832 auf dem Hambacher Fest geführt. Mit Blick auf die Nazis und ihre schwarz-weiß-rote Fahne sagte die Richterin: „Gerade ums Gold wurde viel gestritten, es steht auch für was.“ Nämlich, so ihre Ausführung, für die freiheitlich- demokratische Grundordnung, also Menschenwürde, Demokratie, Rechtsstaat. Daran scheine den Angeklagten ja etwas zu stören.

Der verurteilte S. äußerte sich auch nach Ende des Prozesses nicht. Die Frage, wer sich derart verletzt fühlte und das Bild zur Anzeige brachte, blieb damit unbeantwortet.

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18 Kommentare

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  • (B)anano(R)epublica(D)emocratico

  • Quick Math: Urteil (50*50€) höher als Forderung der Staatsanwältin (40*60€). Wie geht das eigentlich

    • @Mauli Apfel:

      Ganz einfach - 2.500€ sind 100€ mehr als 2.400€. Die Richterin musste sich doch am Vorabend „juristisch kundig“ zum Thema „deutsche Fahne“ machen. Das kostet dann halt extra. Sie arbeiten doch nach Feierabend auch nicht umsonst - oder? «(º¿º)»

  • Goldig

    Zitat: „„Gerade ums Gold wurde viel gestritten, es steht auch für was.“ Nämlich, so ihre Ausführung, für die freiheitlich- demokratische Grundordnung, also Menschenwürde, Demokratie, Rechtsstaat.“

    Na, zunächst stand die Farbe Gold für die goldfarbenen Messingknöpfe an den ansonsten schwarzen Uniformen mit roten Vorstößen des Lützowschen Freikorps, deren Mitglieder für ihre Ausrüstung selber aufkommen mußten und die weit verbreiteten Messingknöpfe am billigsten waren.

    Zu den prominentesten Mitgliedern dieses Freicorps gehörte bekanntlich auch der groß-deutsch-nationalistische und chauvinistische Franzosen- und Judenhasser Friedrich Ludwig Jahn, bekannt auch als der „Turnvater“. („Frisch, frei, fröhlich und fromm – ist des Turners Reichtum“) In einem Brief anTheodor Müller vom 24. August 1816 läßt er an seinem Bekenntnis keinen Zweifel aufkommen: „Und darauf verlaß Dich: So wird die preußische Landwehr noch nie geklopft haben, als im Gottesgericht wider Junker, Juden, Gauner, Gaukler und Garden. Gott verläßt keinen Deutschen.“ Er gilt als Erfinder des „Deutschtums“ und eines spezifisch teutonischen Brauchtums, der Bücherverbrennung (auf dem Wartburgfest 1817), im Mai 1933 von den Hakenkreuzlern dankbar imitiert. (vgl. Marco Puschner: Antisemitismus im Kontext der Politischen Romantik. Tübingen 2008)

    Soviel zur Symbolik des „goldenen“ Teils der deutschen Trikolore.



  • Auf hoher See und vor Gericht,



    versteht man ja so manches nicht.

  • Ein kleiner Scherz? "vor dem Kriminalgericht"....! 50 x 50 €, das ist mehr als ein kleiner Scherz, mit den Anwaltskosten landet er bei knapp 3.500 bis 4.000 €! Schön dass Kriminalgerichte auch für solche Nichtigkeiten Zeit haben. Wenn das die Probleme zur Zeit in Deutschland sind, dann geht es uns wirklich gut. Verständnisloses Kopfschütteln! Mehr bleibt einem nicht.

  • Für so eine Bagatelle 50 Tagessätze á 50 Euro statt einer Verwarnung mit Strafvorbehalt. Macht 2.500,00 EUR plus Verfahrenskosten Typisch für die deutsche Justiz. Und "einfache" vorsätzliche Körperverletzungen werden von den Staatsanwaltschaften routinemäßig eingestellt.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Ein Land, das mit solchen Nichtigkeiten seine Richter belästigt, hat einen mächtigen Sprung in der Schüssel. Schilda lässt grüßen!

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @849 (Profil gelöscht):

      Schilda wäre mir sympatischer. Hier sehe ich eine menschenverachtende Systematik der Abschreckung am Werk. Eiskalte Funktionalität. Da fröstelt mir - selbst bei 'Rekordtemperaturen'.

  • Allerhand! Positiv anzumerken ist doch, dass man dafür nicht mehr den Kopf verliert :)

  • Interessant wäre die Frage ob die umgekehrte Präsentation der Bundesflagge (Schwarz unten) wie sie nach einer zeitgenössischen Darstellung beim Hambacher Fest geführt wurde und wie sie zumindest in militärischem Kontext einen Hilferuf bedeutet als Protestsymbol wogegen auch immer strafbar ist.

  • 9G
    99663 (Profil gelöscht)

    die bedeutung der drei streifen in zeiten des sommers und der fußball-wm: verkohltes grillgut-ketchup-senf. ich hoffe, ich muss, da man mich als einkommenslosen studenten nicht zu tagessätzen verurteilen kann, nun nicht ins gefängnis.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Deutschland 2018: Geschenkt! Als ob dieses Land keine anderen Sorgen hätte.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Hat es denn andere?

      Also echte und keine aufgebauschten?

      Also welche, um die zu streiten sich lohnt?

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Sonntagssegler:

        Alles eine Frage des Blickwinkels. Ich kenne Ihren leider nicht.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Da hätte Tucholsky seine Freude dran gehabt.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Jau. - das nicht satisfaktionsfähige -;)

      “Tucho" - hätte nochmals nen ganz anderen Drall. So Richtung M O ------.

      unterm----



      Nicht zu verwechseln mit dem -----



      Bei Ringelnatz - den große Schwester(?)



      Nochens mal erklären sollte.

      & nochens -

      ”Am Vorabend habe sie sich zum Thema „deutsche Fahne“ juristisch kundig gemacht, sagte sie.…" Däh!

      Nu - Das stand ohnehin zu vermuten!;)



      Normal.

      kurz - Die Abwägung - öh - hätt ich doch bitte mal schriftlich was näher mir zu Gesicht & …Gemüte geführt!;)

      Mal als Anstoß - noch auf der Ebene ordentliche Gerichtsbarkeit - also vor Karlsruhe - gell!



      www.google.de/amp/...-a-471880-amp.html

      & liggers ---



      Für das Hambacher Fest - hat ja insbesondere der ausgewiesene Verfassungsfeind Dr. Helmut Bimbes Kohl geschwärmt.



      Motto: Ein Reaktionär ist einer.



      Der einen ehemaligen Revolutionär anbetet.



      Er. Den sie damals allerdings wohl eher "Ah! ça ira, ça ira, ça ira,… à la lanterne! " - jejeben hätten. Newahr.

      Anyway. Alles etwas schlicht! Woll.



      Es gibt halt so Tage - Ha no.



      Da reicht ein Tagewerk - eben doch nicht hin. Gell.

  • Damit hat nun auch die Richterin das Gold ("Menschenwürde, Demokratie, Rechtsstaat") restlos aus der Fahne gekratzt und alle sind quit.