Stockende Verhandlungen im Gaza-Krieg: Erbittertes Ringen um Waffenruhe
Eine Bodenoffensive der israelischen Armee auf die Grenzstadt Rafah rückt offenbar näher. Die Verhandlungen mit der Hamas stocken.
Eine weitere indirekte Verhandlungsrunde zu einem Waffenstillstand und zur Freilassung der Geiseln zwischen der Hamas und Israel hatte am Montag in Kairo geendet. Knackpunkt der Verhandlungen scheint nach die Dauer der Waffenruhe zu sein. Während die Hamas einen vollständigen Waffenstillstand fordert, war Israel bislang nur zu einer vorläufigen Feuerpause bereit. Auch in der Frage, ob die palästinensischen Binnenflüchtlinge, die in den Süden geflohen sind, die Möglichkeit erhalten sollen, in ihre Häuser im Norden zurückzukehren, gibt es bislang keine Einigkeit unter den verfeindeten Parteien.
Das israelische Militär hatte am Sonntag einen großen Teil seiner Bodentruppen aus dem Gazastreifen abgezogen. Nur eine Brigade verbleibt noch in dem Küstenstreifen und teilt in einem Korridor weiterhin den Gazastreifen in ein südliches und ein nördliches Gebiet. Unklar bleibt, ob der Rückzug als Vorbereitung auf einen möglichen Waffenstillstand zu verstehen ist oder im Gegenteil als Vorbereitung auf eine Offensive auf die am südlichen Rand Gazas gelegene Stadt Rafah.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verkündete am Montagabend in einer Videobotschaft, der Termin für eine Offensive in Rafah stehe fest. Außerdem gab das israelische Militär an, 40.000 Zelte zu erwerben, um die Evakuierung von Hunderttausenden von Palästinenser*innen aus der Grenzstadt nach Ägypten vorzubereiten. Das israelische Militär vermutet, dass vier Hamas-Bataillone in Rafah stationiert sind und sich Hamas-Anführer ebenfalls dort versteckt halten. Möglicherweise werden einige der israelischen Geiseln auch dort festgehalten.
Heftiger internationaler Widerstand gegen Israel
Bezüglich der Rafah-Offensive steht Netanjahu von zwei Seiten unter Druck. Sein rechtsextremer Minister für innere Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, drohte kurz nach dem Abzug der israelischen Truppen, dass Netanjahu keine Regierungskoalition mehr haben werde, sollte es keine Offensive in Rafah geben. Einen Angriff auf Rafah hat Israel allerdings in den vergangenen Wochen oft angekündigt, bislang jedoch nicht durchgeführt.
Das liegt wohl auch an dem heftigen internationalen Widerstand, der den Plänen entgegenbläst, auch aus den USA. In Washington herrschen große Zweifel daran, dass der israelische Evakuierungsplan durchführbar ist. Rund eineinhalb Millionen Gazaner sind in die kleine südliche Stadt geflohen und leben dort unter katastrophalen Zuständen seit Monaten auf engsten Raum gedrängt.
Der französische Präsident Emmanuel Macron, der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi sowie der jordanische König Abdullah II. riefen in einem gemeinsamen Beitrag in der Washington Post am Dienstag zu einem sofortigen Waffenstillstand auf und warnten vor den „gefährlichen Konsequenzen einer israelischen Offensive in Rafah“.
Die Türkei schränkt derweil wegen des israelischen Militäreinsatzes im Gazastreifen die Ausfuhr von Dutzenden Produkten nach Israel ein, darunter Baumaterialien und chemische Düngemittel. Auch Israel bereite als Reaktion derweil ein Einfuhrverbot für die Türkei vor, so der israelische Außenminister Israel Katz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen