Stellenabbau in den Medien: „Die Geduld ist am Ende“
In den Medien jagt gerade eine Sparrunde die nächste. Dagegen wehrt sich Verdi, sagt die Gewerkschaftssekretärin Kathlen Eggerling.
taz: In den vergangenen Wochen haben eine Reihe von Medienbetrieben Sparrunden und Entlassungswellen angekündigt, darunter RBB, SWR, Deutsche Welle, Springer, Gruner+Jahr und ProSiebenSat1. Was ist da los, Frau Eggerling?
Kathlen Eggerling: Jetzt wird Digital First gnadenlos vorangetrieben. Sonst ist es kaum nachvollziehbar, warum jetzt mit aller Gewalt und um den Preis riesigen Stellenabbaus diese Sparrunden durchgedrückt werden. Die Voraussetzungen sind ja sehr unterschiedlich, ob ÖRR oder privates Unternehmen. Warum machen alle gleichzeitig diesen Schritt? Das scheint wie verabredet. Das eine Steinchen fällt und reißt alle anderen mit in den Abgrund.
Verdi hat vor allem den angekündigten Stellenabbau bei der Deutschen Welle kritisiert. Der Personalrat kritisiert in einem offenen Brief den Intendanten Peter Limbourg. Was werfen Sie dem Sender vor?
Die Deutsche Welle hatte in den letzten Jahren immer einen Zuwachs an Mitteln. Im Koalitionsvertrag ist zugesichert, DW weiter zu fördern. Warum dann plötzlich dieser Abbau? Das ist vorauseilender Gehorsam. Die Belegschaft wirft dem Intendanten vor, ohne Not zu sparen und andere Maßnahmen nicht ausreichend zu prüfen. Dazu ist es in den letzten Jahren zu einer unglaublichen Arbeitsverdichtung gekommen. Alles muss gleichzeitig gemacht werden: linear und digital. Das ist auch der Vorwurf der Sportkollegen. Sie haben all ihre Vorgaben erfüllt – und jetzt werden sie abgebaut.
ist ver.di-Gewerkschaftssekretärin für den öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfund Berlin-Brandenburg.
Die Sportredaktion wird fast vollständig eingestellt …
… das Budget wird um drei Viertel zusammengestrichen. Die Einschätzung der Mitarbeitenden ist, dass man so die Expertise der Abteilung nicht halten kann. Man wird mit so wenig Mitteln wohl kaum mehr Programm machen können. Das ist die komplette Zerstörung.
Erschwerend kommt hinzu, dass viele Kolleginnen aus Ländern außerhalb Europas kommen. Ihre Aufenthaltsgenehmigung hängt vielfach an ihrem Arbeitsverhältnis. Wenn sie ihre Stelle verlieren, laufen sie Gefahr, in ihre Heimatländer zurückkehren zu müssen. Das kann in manchen Fällen ein Problem werden, für Journalisten, die in Ländern zurückkehren müssten, wo man Journalisten nicht wohlgesonnen ist. Limbourg hat da eine Verantwortung seinen Angestellten gegenüber.
Die Sparrunden werden vor allem freie Mitarbeiter treffen, nicht Angestellte.
Das Pervertierte und das Ungerechte an diesem System ist, dass der Rundfunk angewiesen ist auf die freie Mitarbeit. Es wird auch immer offen gesagt: Die Sparmaßnahmen werden die Freien treffen, weil das am einfachsten ist. Dieses Manko versuchen wir beim RBB durch einen Tarifvertrag mit Bestandsschutz für Freie abzumildern. Wir wollen dadurch Beschäftigungssicherung erreichen, damit sich so was wie bei der Deutschen Welle nicht wiederholen kann.
Auch der RBB hat angekündigt, 100 Stellen zu streichen. Wie ist da die Stimmung?
Die Leute sind sehr sauer. Es kann nicht sein, dass wir ausbaden müssen, was die alte Leitung des RBB verursacht hat, diese ganze Geldverschwendung, die überteuerten Gehälter, Ruhegelder. Gleichzeitig stecken wir seit Ende letzten Jahres in Tarifverhandlungen fest. Bei den anderen Öffentlich-Rechtlichen gab es leider nur sehr mäßige Tarifergebnisse. Sie haben sich am Tarifergebnis des öffentlichen Dienstes der Länder orientiert, das waren nur 2,8 Prozent. Das ist nicht mal Inflationsausgleich. Da konnten wir auch mit Streikmaßnahmen nicht mehr erreichen. Aber was der RBB uns anbietet, liegt da noch weit darunter. Sie haben zwar eine Einmalzahlung angeboten, aber wir wollen etwas Nachhaltiges erreichen, etwas, das nicht gleich verpufft. Da müssen wir mehr Druck machen.
Wie?
Am liebsten mit dem klassischen Mittel des Streiks. Es gab beim RBB bisher einen Streiktag, aber da müssen noch mehr folgen. Und viele sind kämpferisch. Auch die freien Kollegen sind mittlerweile streik- und aktionserprobt. Wir wurden jetzt schon oft um Geduld gebeten und die ist auch irgendwann am Ende.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins