Steigende Wohnkosten: Reich die Vermieter, arm die Mieter
Mieten sind seit 2015 um mehr als 50 Prozent gestiegen, haben sich mancherorts sogar verdoppelt. Leider zieht das Bauministerium falsche Schlüsse.

D ie Mieten steigen dramatisch – vor allem in den Großstädten. Was allen Wohnungssuchenden seit Jahren bekannt ist, weiß nun endlich ganz offiziell auch die Bundesregierung. Laut Bundesbauministerium stiegen die Angebotsmieten in den 14 größten kreisfreien Städten seit 2015 durchschnittlich um fast 50 Prozent. In Berlin sogar um mehr als 100 Prozent. In anderen Worten: Sie haben sich mehr als verdoppelt.
Und was macht die neue Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD)? Sie verkündet einen Bauturbo, mit dem sie den in den letzten Jahren komplett eingebrochenen Wohnungsbau wieder in die Gänge bringen will. Das ist nicht falsch. Aber es löst das Problem nicht. Im Gegenteil. Denn sie setzt wieder einmal beim falschen Akteur an, den Investoren. Für die dürfen künftig lästige Bebauungspläne geschleift werden. Für die soll es Eilverfahren geben, damit sie schneller nachverdichten und aufstocken können.
Aber profitieren davon auch die Wohnungssuchenden? Klar. Allerdings nur, falls sie sich die Extremmieten im Neubau auch leisten können. Die Ministerin macht Wohnungsbau-, statt Mietenpolitik.
Da hilft auch die Verlängerung der Mietpreisbremse nichts. Denn selbst wenn sie funktionieren würde, würde sie die Mietenexplosion nicht stoppen, sondern allenfalls minimal abbremsen. Doch solange es nicht mal eine stichprobenartige staatliche Kontrolle gibt, bleibt sie ein stumpfes Schwert.

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Die einzige einigermaßen nachhaltige Abwehrstrategie, die Mieter:innen geblieben ist, lautet daher: nicht umziehen! Solange es geht. Für die Immobilienwirte ist das kein Problem. Die rechnen mit langfristiger Rendite, können in der Hängematte der Spekulation baumeln und darauf warten, dass die Altverträge auslaufen – weil Mieter:innen irgendwann doch mal umziehen müssen – oder sterben. Und dann wird doppelt und dreifach kassiert. Das ist Turbokapitalismus in Reinkultur.
Gigantische Umverteilung nach oben
Viele dieser Mietmilliarden fließen übrigens in Aktienpakete, die laut Marktgläubigen künftig die Renten finanzieren sollen, die die Alten brauchen, um die gestiegenen Mieten zu zahlen. Es bleibt eine gigantische Umverteilung von unten nach oben. Deren Dimension wird klar, wenn man auf die Zahlen schaut. Bundesweit befinden sich rund 21 Millionen Haushalte in gemietetem Wohnraum. Im Jahr 2022 lag deren durchschnittliche Bruttokaltmiete bei 700 Euro pro Monat. Zusammen flossen damit 150 Milliarden Euro im Jahr von Mieter:innen an die Vermieter:innen.
Aktuell dürften es nochmal 10 Milliarden Euro mehr sein. Zum Vergleich: Im Bundeshaushalt 2024 waren für Wohngeld 2,4 Milliarden eingeplant. Man hat es förmlich in den Ohren, das Zischen dieses Tropfens auf den heißen Stein beim Verdampfen.
Helfen würde eine Baupolitik, die ausschließlich auf durch Mieter kontrollierte Akteure setzt: Genossenschaften zum Beispiel, die garantieren, dass langfristige Gewinne in neue Projekte gesteckt werden. Helfen könnte die Vergabe von staatlichen Grundstücken in Erbpacht. Helfen würde die überfällige Einführung eines wirksamen Mietendeckels. Das wäre eine Revolution auf dem Wohnungsmarkt.
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