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Steigende WohnkostenReich die Vermieter, arm die Mieter

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Mieten sind seit 2015 um mehr als 50 Prozent gestiegen, haben sich mancherorts sogar verdoppelt. Leider zieht das Bauministerium falsche Schlüsse.

Viel zu langsam und viel zu wenig Wohnraum wird gebaut. Und die Preise für gemieteten Wohnraum steigen Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

D ie Mieten steigen dramatisch – vor allem in den Großstädten. Was allen Wohnungssuchenden seit Jahren bekannt ist, weiß nun endlich ganz offiziell auch die Bundesregierung. Laut Bundesbauministerium stiegen die Angebotsmieten in den 14 größten kreisfreien Städten seit 2015 durchschnittlich um fast 50 Prozent. In Berlin sogar um mehr als 100 Prozent. In anderen Worten: Sie haben sich mehr als verdoppelt.

Und was macht die neue Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD)? Sie verkündet einen Bauturbo, mit dem sie den in den letzten Jahren komplett eingebrochenen Wohnungsbau wieder in die Gänge bringen will. Das ist nicht falsch. Aber es löst das Problem nicht. Im Gegenteil. Denn sie setzt wieder einmal beim falschen Akteur an, den Investoren. Für die dürfen künftig lästige Bebauungspläne geschleift werden. Für die soll es Eilverfahren geben, damit sie schneller nachverdichten und aufstocken können.

Aber profitieren davon auch die Wohnungssuchenden? Klar. Allerdings nur, falls sie sich die Extremmieten im Neubau auch leisten können. Die Ministerin macht Wohnungsbau-, statt Mietenpolitik.

Da hilft auch die Verlängerung der Mietpreisbremse nichts. Denn selbst wenn sie funktionieren würde, würde sie die Mietenexplosion nicht stoppen, sondern allenfalls minimal abbremsen. Doch solange es nicht mal eine stichprobenartige staatliche Kontrolle gibt, bleibt sie ein stumpfes Schwert.

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Die einzige einigermaßen nachhaltige Abwehrstrategie, die Mie­te­r:in­nen geblieben ist, lautet daher: nicht umziehen! Solange es geht. Für die Immobilienwirte ist das kein Problem. Die rechnen mit langfristiger Rendite, können in der Hängematte der Spekulation baumeln und darauf warten, dass die Altverträge auslaufen – weil Mie­te­r:in­nen irgendwann doch mal umziehen müssen – oder sterben. Und dann wird doppelt und dreifach kassiert. Das ist Turbokapitalismus in Reinkultur.

Gigantische Umverteilung nach oben

Viele dieser Mietmilliarden fließen übrigens in Aktienpakete, die laut Marktgläubigen künftig die Renten finanzieren sollen, die die Alten brauchen, um die gestiegenen Mieten zu zahlen. Es bleibt eine gigantische Umverteilung von unten nach oben. Deren Dimension wird klar, wenn man auf die Zahlen schaut. Bundesweit befinden sich rund 21 Millionen Haushalte in gemietetem Wohnraum. Im Jahr 2022 lag deren durchschnittliche Bruttokaltmiete bei 700 Euro pro Monat. Zusammen flossen damit 150 Milliarden Euro im Jahr von Mie­te­r:in­nen an die Vermieter:innen.

Aktuell dürften es nochmal 10 Milliarden Euro mehr sein. Zum Vergleich: Im Bundeshaushalt 2024 waren für Wohngeld 2,4 Milliarden eingeplant. Man hat es förmlich in den Ohren, das Zischen dieses Tropfens auf den heißen Stein beim Verdampfen.

Helfen würde eine Baupolitik, die ausschließlich auf durch Mieter kontrollierte Akteure setzt: Genossenschaften zum Beispiel, die garantieren, dass langfristige Gewinne in neue Projekte gesteckt werden. Helfen könnte die Vergabe von staatlichen Grundstücken in Erbpacht. Helfen würde die überfällige Einführung eines wirksamen Mietendeckels. Das wäre eine Revolution auf dem Wohnungsmarkt.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz. 2000 bis 2005 stellvertretender Leiter der Berlin-Redaktion. 2005 bis 2011 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Bluesky:@gereonas.bsky.social Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de ex-Twitter: @gereonas Foto: Anke Phoebe Peters
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7 Kommentare

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  • Ich empfehle Plauen als Wohnort! Klingt absurd? Wenn man sich die Zahlen anschaut, vielleicht gar nicht so sehr. In Plauen findet man sehr günstige Wohnungen und die Durchschnittseinkommen im Vogtland sind nicht so niedrig, dass man sich Sorgen machen müsste. Nur ein paar Arbeitsplätze mehr sollten dort entstehen.



    Wer etwas näher an Berlin wohnen möchte, könnte auch nach Leipzig ziehen. Auch dort gibt es noch erschwinglichen Wohnraum. Wenn man von Deggendorf nach München pendeln kann, geht's auch von Leipzig nach Berlin.

  • Wohnen bleiben, wo man schon wohnt ist also Turbokapitalismus?



    Natürlich fällt bei dieser Kultur ein wichtiger Vorteil des Mietens weg. Man mietet, weil man flexibel bleiben möchte.



    Flexibilität ist in einem leergefegten Wohnungsmarkt allerdings kein Vorteil mehr. Oder für soziale Menschen dann doch allzu haltlos.



    Aber solange man einfach mit seinem Hintern da hocken bleiben kann, wo man es bisher tat und der Kapitalismus einen nicht raustreibt aus den liebgewonnenen Mietwänden, solange ist der Turbokapitalismus noch nicht ausgereizt.



    Ohne neuen Wohnraum in den wachsenden Vierteln oder neue Arbeitsplätze in den bisher günstigen Gegenden wird sich das mit den steigenden Mieten aber nicht ändern.



    Alle Mietpolitik ist nichts wert, wenn Wohnungsbaupolitik und Wirtschaftspolitik nicht die gleichen Ziele verfolgen.



    Und gerade die Wirtschaftspolitik fördert nach wie vor lieber Ballung als Wohnortnähe.

    • @Herma Huhn:

      Das Problem gerade junger Leute ist, dass die meisten keine 6-stelligen Jahresgehälter haben und daher das Eigenkapital nicht ansparen können, das notwendig wäre, um eine eigene Behausung zu kaufen, ohne dass die monatliche Belastung stark stiege. Um das zu erreichen, bräuchte man z. Zt. ungefähr 25%-35% des Kaufpreises plus die Kaufnebenkosten auf dem Sparkonto oder im Depot. Bei einer Wohnung, die 300.000€ kostet, wären das ca. 100.000€. Diese Summe können die meisten nicht locker beiseite legen, sondern brauchen dafür mindestens 10 Jahre.



      Fazit: Es ist weniger eine Frage der Flexibilität als der Leistbarkeit, wenn man Mieter bleibt.



      In vielen Ländern der westlichen Welt haben wir übrigens wegen momentan hoher Baufinanzierungszinsen und den in den vergangenen Jahren durch Niedrigstzinsen befeuerten Immobilienpreisanstiegen ganz genau dieselbe Situation. Deutschland steht mit dem Problem nicht alleine und an der Ampel liegt es auch nicht.

  • Geld leihen und selber bauen. Wenn es so einfach ist.

    • @Strolch:

      Klar! Am besten in München, Frankfurt, Hamburg oder Berlin.

      • @Aurego:

        Klar, da machen Sie 100% Gewinn. So schreibt es der Artikel. Also auf! Machen nicht meckern!

        PS Das einzige, was gegen teuren Wohnraum hilft, ist mehr Wohnraum dort, wo er gebraucht wird. Nur muss man bereit sein, das Risiko zu tragen, dass in 40 Jahren eine andere Stadt hipp ist und schwupps war das todsichere Inverst ein Flop, denn eine Immobilie ist IMMOBIL. Mich nervt an dem Artikel der Unterton, dass dies alles klar war und Gier ist. Wenn es denn so einfach wäre, müsste es doch jeder machen. Warum macht es nicht jeder? Man scheut das Risiko (neidet aber denen, die es eingehen den Gewinn), man möchte flexibel bleiben (aber kosten soll die Flexibilität nichts).

        Dem Vorschlag, den ich im Artikel etwas abgewinnen kann, ist die Förderung von Genossenschaften.

        • @Strolch:

          Ich bin schon längst investiert. ;)