Steigende Mieten in Berlin: Neue Wege zu neuen Deckeln

Der Berliner Senat will über den Bundesrat doch noch einen Mietendeckel einführen. Für Samstag rufen Initiativen zur Demo auf.

Auf einer Demonstration gegen steigende Mieten im Mai hält ein Demonstrant ein Schild mit der Aufschrift "Wir nerven zurück" hoch.

Eine Miterhöhung nervt die einen, ein Mietendeckel die anderen Foto: Stefan Boness/Ipon

BERLIN taz | Der rot-rot-grüne Senat versucht es noch mal mit dem Mietendeckel: Über eine am Dienstag beschlossene Bundesratsinitiative soll es nach seinem Willen den Ländern künftig doch möglich sein, einen Mietendeckel einzuführen. Hintergrund ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom April, laut dem das Land Berlin für einen Deckel keine Gesetzgebungskompetenz besitzt.

Im Entschließungsantrag dafür heißt es, der Bund solle den Ländern durch eine „Länderöffnungsklausel“ ermöglichen, auch vom Bundesrecht abweichende Regelungen zur Miethöhe zu treffen. Die bisherigen Regelungen des Bundes – insbesondere die Mietpreisbremse – hätten die Situation „nicht oder nur leicht verbessert“, weshalb eine solche Ermächtigung „unabdingbar“ sei. Das dürfte die Bundesratsmehrheit der CDU-geführten Länder allerdings anders sehen.

Hinzu kommen juristische Fragen. Vergangene Woche war eine Studie der Rosa Luxemburg Stiftung vom Stadtsoziologen Andrej Holm und dem Mietenrechtsanwalt Benjamin Raabe zu dem Schluss gekommen, dass auch ein so zustande gekommener Deckel gekippt werden könnte. Der taz sagte Raabe, zwar dürften die Länder durch eine solche Öffnung prinzipiell wieder einen Mietendeckel beschließen, „doch inhaltlich dürfte der Deckel nicht den Regelungen der Mietpreisbremse widersprechen“.

Praktisch stelle er sich dies aber „schwierig“ vor, da wie schon beim Berliner Mietendeckel argumentiert werden könne, dass der neue Landesdeckel im juristischen Widerspruch zum Bundesrecht steht. Der Bund könne aber durch eine Verordnungsermächtigung Vorgaben erlassen, deren Umsetzung er anschließend den Ländern überließe.

Optimistischer äußerte sich Florian Rödl, Professor für Bürgerliches Recht an der Freien Universität, gegenüber der taz. Rödl sagte, in seinem Urteil habe das Verfassungsgericht den hinter der Mietpreisbremse stehenden Willen des Gesetzgebers als abschließende Regelung interpretiert. Würde der Bund diese Lage nun durch eine Ergänzung im Gesetzestext der Mietpreisbremse ändern, wären die Länder auch wieder zum Beschluss eines Mietendeckels befugt.

Nicht ganz so großer Großankauf

Am Dienstag informierte Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) den Senat weiterhin darüber, dass 14.500 Wohnungen, gut ein Viertel weniger als erwartet, aus dem Eigentum der großen Immobilienkonzerne Vonovia und Deutsche Wohnen in Landeshand wechseln werden. Bereits Mitte September wird mit einem notariellen Abschluss gerechnet.

Zu welchem Preis, mochte Regierungschef Michael Müller (beide SPD) in der anschließenden Pressekonferenz nicht sagen – das unterliege der Vertraulichkeit. Voraussetzung sei aber gewesen: Man kaufe nur, wenn die Wohnungen zum bisherigen Bestand passen „und wenn der Preis stimmt“. Der Kauf zum Ertragswert solle den Haushalt nicht belasten.

Dass nun 14.500 statt wie ursprünglich angekündigt 20.000 Wohnungen in Landeseigentum übergehen, begründete der Regierungschef damit, dass es eben passen müsse. Aus der Finanzverwaltung hieß es, dass die Verhandlungen ergeben hätten, „dass nicht alle Wohnungen zu den letztlich angebotenen Preisen von den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften wirtschaftlich zu kalkulieren sind“, sprich, dass ihr Zustand zu schlecht sei.

„Das ist ein sehr schöner Erfolg“, sagte Müller über das Geschäft mit Vonovia. „Da ist sehr gut verhandelt worden vom Finanzenator“, lobte er seinen Parteikollegen. Von Linken und Grünen kam jedoch Kritik. Einen Erwerb von Immobilien in dieser Größenordnung dürfe der Senat nicht im Alleingang entscheiden, so die Linken-Abgeordneten Steffen Zillich und Michail Nelken. „Wir erwarten, dass der Senat kurzfristig die zuständigen Ausschüsse des Abgeordnetenhauses mit dem geplanten Ankauf befasst.“

Auch die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger verlangte, die Koalition mit einzubeziehen. Aus dem Senat hieß es derweil, es bestehe keine Zustimmungserfordernis des Abgeordnetenhauses, da der Haushalt nicht belastet werde. Der Hauptausschuss werde diese Woche über die Ergebnisse der Verkaufsverhandlungen vertraulich unterrichtet.

Mietenproteste am Samstag

Für Mie­te­r:in­nen dürften weniger die Wege zu neuen Deckeln oder zu mehr landeseigenen Wohnungen zählen, sondern dass überhaupt mehr passiert. Um das zu fordern, werden am Samstag laut Ver­an­stal­te­r:in­nen mindestens zehntausend Menschen zur Mietenwahnsinn-Demonstration auf die Straße gehen. Im Aufruf heißt es, explodierende Mieten seien kein Naturgesetz, sondern „Ergebnis einer verfehlten Wohnungspolitik, die Profitinteressen über das Recht aller Menschen auf angemessenen und bezahlbaren Wohnraum stellt“.

Neben einem bundesweiten Mietendeckel fordern die Initiativen die Enteignung und Vergesellschaftung der großen Immobilienkonzerne sowie einen sechsjährigen Mietenstopp. Darüber hinaus brauche es eine neue Wohngemeinnützigkeit und mehr Neubau im bezahlbaren Segment, sagte Monika Schmidt-Balzert von der Initiative Mietenstopp auf der Pressekonferenz zur Demonstration am Dienstag.

Der Protest steht auch im Zeichen des Tags der Wohnungslosen, der ebenfalls Samstag ist. Sabine Bösing, stellvertretende Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, berichtete, wegen des Mangels an bezahlbarem Wohnraum wären zunehmend auch junge Menschen und Familien von Wohnungslosigkeit bedroht. Bösing forderte, das Menschenrecht auf Wohnen verfassungsrechtlich zu verankern.

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