Steigende Corona-Infektionszahlen: Vernunft ist wichtiger als Verbote
Neue Einschränkungen sind die logische Folgerung der steigenden Zahl von Corona-Infektionsfällen. Wichtig ist, dass die Maßnahmen einleuchten.
D ie jüngsten Zahlen sind erschreckend: Über 2.400 bestätigte Corona-Infektionen pro Tag sind in der letzten Woche in Deutschland im Durchschnitt gemeldet worden – etwa 7-mal so viele wie noch vor drei Monaten. Und in Regionen wie Hamm in Westfalen oder Neukölln in Berlin liegt die Zahl der Neuinfektionen mit rund 90 Fällen pro 100.000 Einwohner und Woche zuletzt fast doppelt so hoch wie der offizielle Alarmwert.
Zudem sind auch wieder mehr ältere Menschen betroffen, was zu einem Anstieg von schweren Verläufen führt. Dass die Politik da gegensteuern will, ist verständlich. Sinnvoll sind die beschlossenen Maßnahmen aber nur zum Teil. So ist es sicher hilfreich, Kneipen früher zu schließen und Großveranstaltungen weiterhin zu untersagen.
Denn jede Zusammenkunft von vielen Menschen auf engem Raum ist ein Risiko, das man nur eingehen sollte, wenn es wirklich nötig ist – was bei Kneipengängen eindeutig weniger der Fall ist als etwa beim Schulbesuch. Wenig überzeugend sind dagegen die Reisebeschränkungen für Menschen aus deutschen Gebieten mit hohen Fallzahlen, die in einzelnen Bundesländern schon gelten und die nun wohl ausgeweitet werden sollen.
Denn gefährlich ist man nicht allein, weil man in Hamm oder in Neukölln lebt – sondern wenn man, wie in Westfalen geschehen, ohne jeden Abstand mit Hunderten anderen eine Hochzeit feiert oder, wie in Berlin verbreitet, trotz Corona zu Partys geht. Beschränkungen von innerdeutschen Reisen sind nicht nur schwer zu kontrollieren; sie können auch kontraproduktiv sein.
Denn Vorschriften, die viele Menschen zu Recht als unsinnig oder ungerecht empfinden, können dazu führen, dass auch die sinnvollen Regeln nicht mehr ernst genommen werden. Und das wäre gefährlich, denn zur Eindämmung von Corona ist die Vernunft der Menschen am Ende wichtiger als Verbote. Menschenmengen meiden, wo immer möglich Abstand halten und konsequent Maske tragen (und zwar im Zweifel lieber die teureren und unangenehmeren, aber wesentlich sichereren FFP2-Modelle):
Das ist weiterhin der sicherste Weg, eine Infektion zu verhindern. Auf diese Maßnahmen sollte sich die Politik darum konzentrieren – vor allem durch Aufklärung. Zwar ist es im öffentlichen Raum sicher nötig, die Regeln auch mit Kontrollen durchzusetzen. Aber flächendeckend und auch in privaten Gebäuden ist das – zum Glück! – nicht möglich. Ohne echte Einsicht wird es darum nicht gehen. Doch die lebt von Regeln, die jedem einleuchten. Die innerdeutschen Reisebeschränkungen gehören nicht dazu.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe