Landtagswahl in Wien: Rot sehen in Wien
Der Wahlkampf um den Wiener Landtag wird bestimmt von Koks-Plakaten und SPÖ-Bräsigkeit. Dabei ist diese Wahl eine der wichtigsten in Österreich.
A llerorts lachen sie einen gerade an in Österreichs Hauptstadt, die Spitzenkandidaten der Wiener Landtagswahl am 27. April. Das ist eine der wichtigsten Wahlen des Landes – und könnte doch kaum fader sein. Ohne die lachenden Politiker auf den ansonsten recht inhaltsleeren Plakaten könnte man sie glatt vergessen.
Die politischen Verhältnisse in der Zweimillionenstadt sind einzementiert. Mit Ausnahme der Austrofaschismus- und Kriegsjahre wird Wien seit 1919 sozialdemokratisch regiert, meist mit absoluter Mehrheit, in letzter Zeit zweimal mit grüner Beteiligung, dann mit den liberalen Neos. Zwar wird sich die rechtsradikale FPÖ Umfragen zufolge verdreifachen – von nur 7 Prozent, denn infolge des Ibiza-Skandals 2019 war sie massiv eingebrochen.
Der SPÖ, die in Umfragen bei 39 Prozent liegt, wird sie damit aber nicht gefährlich. Und so kann SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig diesmal kein „Duell um Wien“ ausrufen, wie es mithilfe der Boulevardmedien in früheren Wahlen üblich war. Dadurch ist sein größtes Problem eine möglicherweise schwache Mobilisierung. Denn auch bei den Themen gibt es keine Aufreger.
Das Bemerkenswerteste an der Wahl ist noch ihre Vorverlegung vom Herbst. Bürgermeister Ludwig wollte „geordnete Verhältnisse“ angesichts der zwischenzeitlich drohenden FPÖ-Regierung im Bund. Derlei Überlegungen sind hinfällig, auf Bundesebene regieren nun ÖVP/SPÖ/Neos. Und so bleibt nur die Frage nach dem Juniorpartner der SPÖ. Infrage kommen vor allem Neos und Grüne, die in Umfragen bei rund 12 Prozent liegen. So viel hat auch die ÖVP, die aber in Wien traditionell kaum eine Rolle spielt.
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Einiges spricht für eine Fortführung der Koalition mit den Neos, derzeit für Bildung, Integration, Jugend und Transparenz zuständig. Mit kleineren Reformen und mehr Personal sorgten sie für Erleichterung in den Schulen, und das in Zeiten der vielen Neuzugänge durch Krieg in der Ukraine und Familiennachzug. Doch bleibt noch viel zu tun. Auch bei der Transparenz, zum Beispiel der Vergabe öffentlicher Aufträge, ist Luft nach oben. Das liegt allerdings mehr an der verschlossenen Stadt-SPÖ.
Streitfall Wiener Autobahnring
Inhaltlich kamen sich Neos und SPÖ kaum in die Quere. Anders war das in Koalitionen mit den Grünen, vor allem wegen der Verkehrspolitik. Mehr als alles andere ist die SPÖ Rentner- und Autofahrerpartei. Michael Ludwig gilt zudem als Vertreter des rechten Parteiflügels. Die Grünen plakatieren wieder gegen den Bau des Wiener Autobahnrings, der durch ein Naturschutzgebiet führt. Aber die Autobahn ist Bundessache. Die Stadt ist nur für den Zubringer zuständig, und dieser ist längst im Bau.
ÖVP und FPÖ setzen derweil wie erwartet voll auf das Thema Sicherheit. Bei der ÖVP naheliegend, ihr Spitzenkandidat Karl Mahrer war lange Chef der Wiener Polizei. Doch gegen ihn wird wegen Anstiftung zur Untreue ermittelt. Auch mit den Plakaten gibt es Ärger: „Mutter, der Mann mit dem Koks ist bald nicht mehr da“, textete die ÖVP ungelenk. Das umgewandelte Songzitat brachte ihr prompt einen Rechtsstreit mit der Falco Privatstiftung ein. Der Sänger würde sich wohl im Grabe umdrehen.
„Team HC Strache“ wohl nicht über 5 Prozent
Apropos Kokain: Wer sich nach den alten Zeiten sehnt, kann immerhin Heinz-Christian Strache wählen. Der frühere Vizekanzler, einst einer der führenden Rechtspopulisten Europas, kandidiert mit seinem ebenso rechten „Team HC Strache“, wird aber wohl an der Fünfprozenthürde scheitern wie die KPÖ. Die Bierpartei zog schon im Februar ihre Kandidatur zurück.
Und wie fair ist diese Wahl? Mehr als 610.000 Wiener*innen können mangels österreichischer Staatsbürgerschaft gar nicht erst mitmachen. Die ist im EU-Vergleich besonders schwer zu erlangen. Ein Missstand, auf den die Organisation SOS Mitmensch seit Jahren mit der symbolischen „Pass Egal Wahl“ aufmerksam macht. Abgestimmt werden kann auch am Würstelstand – erklärtes Motto: „Gib deinen Senf dazu!“
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