Staatsstreich in Gabun: Endlich mal ein sinnvoller Putsch
Beim Umsturz in Gabun ist der Herrscher einer mächtigen Familie abgesetzt worden. Ob es einen demokratischen Aufbruch geben kann, ist ungewiss.
N och ein Putsch in Afrika – hört das nie auf? Diese Reaktion nach dem Umsturz in Gabun am Mittwoch wäre nur allzu verständlich. Den Militärputsch in Niger am 26. Juli nannten Politiker von Senegal bis Frankreich damals „einen Putsch zu viel“ und schworen, diesem Phänomen ab jetzt einen Riegel vorzuschieben. Aber der Putsch in Gabun am 30. August ist kein Putsch zu viel. Er ist in der ganzen Serie von Umstürzen in Afrika in den vergangenen drei Jahren der nachvollziehbarste und willkommenste.
In Mali, Guinea, Burkina Faso und zuletzt Niger wurden frei gewählte Präsidenten von ihrer Armee gestürzt, mit mehr oder weniger fadenscheinigen Begründungen. In Gabun wurde nun der amtierende Herrscher der mächtigsten und reichsten Familie des Landes, wenn nicht ganz Zentralafrikas, abgesetzt, nachdem diese Familie das Land seit nunmehr 56 Jahren regiert.
Der Bongo-Clan ist eine zentrale Säule des korrupten neokolonialen französisch-afrikanischen Interessengeflechts, gegen das unzufriedene Jugendliche quer durch das ehemalige Kolonialreich auf die Straße gehen. Sein Sturz ist ein Putsch nicht bloß gegen einen Präsidenten, sondern gegen ein System. Gabun mit seiner festgefügten Elite und seiner extremen sozialen und ökonomischen Ungleichheit ähnelt Tunesien zu Beginn des Arabischen Frühlings mehr als den Sahel-Bürgerkriegsländern, die zuletzt Staatsstreiche erlebt haben.
Und die gabunische Konstellation gilt auch für die Nachbarn Kongo-Brazzaville, Äquatorial-Guinea, Kamerun – oder auch die Demokratische Republik Kongo und Angola nicht weit entfernt. Überall versinkt die Bevölkerung mehrheitlich im Elend, umgeben von immensen Reichtümern. Die Parallele des Arabischen Frühlings deutet zugleich auf das Risiko, das diesem Putsch innewohnt: nämlich, dass am Ende doch nur wieder das alte System obsiegt, weil kein anderes zur Verfügung steht.
Echter Jubel
Kein General und kein Politiker in Gabun hat eine weiße Weste. Kein Geld in Gabun ist von Zweifeln über seine Herkunft frei. Ob es überhaupt jetzt einen demokratischen Aufbruch geben kann oder ob nicht einfach irgendein Obrist oder gar ein Rivale des gestürzten Präsidenten aus den eigenen Reihen die Millionen selber scheffeln möchte, lässt sich noch gar nicht mit Gewissheit sagen.
Aber der Jubel auf den Straßen von Libreville und Port-Gentil, wo man den Gesichtern in aller Freude eine gewisse Fassungslosigkeit ansieht, ist erst einmal ehrlich und echt. Und die Menschen haben es verdient, dass ein neues Gabun entsteht, das ihre Hoffnungen auf ein besseres Leben nicht enttäuscht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies