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Staatsbesuch des US-Präsidenten in UKGruppenbild mit Trump

Ausgerechnet in der tiefsten Krise von Keir Starmer als britischem Premier kam Trump vorbei. Wieder musste Starmer tun, was Nigel Farage besser kann.

Pomp und Protokoll: Trump bahnt sich seinen Weg durch eine Parade rot berockter Gardisten Foto: Chris Jackson/Pool via REUTERS

Als Großbritanniens Labour-Premierminister Keir Starmer am 1. September die „zweite Phase“ seiner Regierung ausrief, wusste er noch nicht, dass der September der bislang schwerste Monat seiner Amtszeit werden würde. Erst kam der Steuerskandal um seine Stellvertreterin ­Angela Rayner, die am 5. September zurücktreten musste. Am 11. September entließ Starmer seinen US-Botschafter Peter ­Mandelson, nachdem neue Details über dessen Freundschaft mit dem US-Sexualstraftäter Jeffrey Epstein ans Licht gekommen waren. Mehrere enge Berater Starmers sind in der ersten Septemberhälfte zurückgetreten.

Zugleich erwacht eine neurechte Opposition zu neuer Stärke, auf einer Welle rechter Sommerproteste gegen Flüchtlinge. Am 5. und 6. September feierte sich Nigel Farage mit seiner rechtspopulistischen Partei Reform UK auf seinem Parteitag als nächster Premierminister. Am 13. September erlebte London den größten rechtsextremen Aufmarsch der britischen Geschichte mit weit über 100.000 Teilnehmern, die einem Aufruf des Hooligan­anführers Tommy Robinson gefolgt waren; Elon Musk war zugeschaltet.

Ausgerechnet in einer solchen Phase US-Präsident ­Donald Trump zum Staatsbesuch zu empfangen, wäre für jeden britischen Premier ein Härtetest gewesen. Jetzt musste Starmer wie bei seinen vergeblichen Bemühungen, Bootsflüchtlinge aufzuhalten, wieder etwas tun, was Nigel Farage besser könnte: Trump schmeicheln. Die britischen Rechtspopulisten befinden sich im Stimmungshoch. Die Labour-Partei, die die Wahlen im Juli 2024 mit 34 Prozent der Stimmen gewonnen hatte, liegt seit März dieses Jahres in den Meinungsumfragen kon­stant hinter Reform UK – aktueller Stand: Reform UK 31 Prozent, Labour 20, Konservative 17. Es gibt schon Labour-Politiker, die öffentlich fragen, ob Starmer noch das Jahr übersteht.

Aber das britische Königshaus ist Weltmeister des Zeremoniells. Niemand sonst legt so eine prächtige Show hin, die jedem Gast in seiner Einzigartigkeit schmeichelt und zugleich so mühelos daherkommt, als mache man so was jeden Tag. Trumps Empfang auf Schloss Windsor am Mittwoch war da keine Ausnahme: die erste Fahrt eines US-Präsidenten in der goldenen Königskutsche seit 1918, eine überdimensionierte Parade rot berockter Gardisten mit dem König mehrere Schritte hinter seinem Gast – protokollarisch korrekt, aber ungewohnt –, ein Galadiner mit einer strahlenden Kronprinzessin Kate, die den alten Lüstling neben ihr ganz verliebt aussehen ließ. „Wir hatten einen fantastischen Abend“, sagte Trump dazu am nächsten Tag.

wochentaz

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Ein Moment der Selbstvergewisserung

Die prächtige Bühne sollte den Rahmen bieten für prächtige Ergebnisse. Zahlreiche Techunternehmer waren schon in Windsor dabei, und das Arbeitstreffen am Donnerstag mit Keir Starmer auf Chequers, dem Landsitz britischer Premierminister, mündete in der Gründung einer Technologiepartnerschaft („Tech Prosperity Deal“) mit gegenseitigen Investitionen von 250 Milliarden US-Dollar. Großbritannien als wichtigste Wissenschaftsmacht der Welt und die USA als wichtigste Wirtschaftsmacht der Welt bauen gemeinsam die technologische Zukunft der Welt, so die gemeinsame Botschaft. Trump pries mit monotoner Stimme die „natürlichste Partnerschaft der Welt“ und die beteiligten Unternehmer als „die besten der Welt“. Begnadete Rhetoriker sind sie beide nicht, aber es war ein Moment der Selbstvergewisserung, den vor allem Starmer dringend nötig hatte.

Die „zweite Phase“ seiner Regierung hatte Starmer Anfang des Monats als die definiert, in der seine Regierung liefert. Aber nur wenige glauben, dass Starmer liefern kann. Die parteiinterne Unzufriedenheit brachte vor wenigen Tagen der Labour-Oberhausabgeordnete Lord Glasman, ein bekannter Politologe, auf den Punkt mit der Bemerkung, Starmer komme „aus dem Recht, er denkt, dass die Welt aus Worten besteht“ – dass es also genüge, die richtigen Worte zu finden, damit die Realität sich verändert. Passend dazu ist die einzige Wählergruppe, bei der Labour in Umfragen noch führt, die der Privatschulabsolventen. Sie dominieren Politik und Medien und sind von der Macht ihrer Worte überzeugt, gerade wenn sie sich für fortschrittlich halten.

Kaum jemand steht so für diese Wortmachtelite wie ­Peter Mandelson, der jetzt entlassene britische Botschafter in den USA. In eine Labour-Politiker­familie hineingeboren, ist der 71-Jährige seit 40 Jahren eine zentrale Figur in Labours Kommunikationsarbeit, er begleitete Tony Blairs Aufstieg und leitete dessen Labour-Wahlkampf 1997, was zum größten Wahltriumph der Parteigeschichte führte. Seine Karriere galt als längst beendet, als Keir Starmer ihn im Dezember 2024 in der Hoffnung auf Zugang zu Trumps innerstem Machtzirkel überraschend zum Botschafter berief.

Mandelson und Trump eint die Männerfreundschaft mit Jeffrey Epstein, dem seriellen Sexualstraftäter, der 2019 in US-Haft starb. Wen Epstein auf seinen berüchtigten Partys alles mit Gespielinnen versorgte und wie jung manche davon gewesen sein mögen, ist eines der brisantesten Skandalthemen der USA und Großbritanniens. Viele sind davon überzeugt, dass die volle Wahrheit die komplette politische Elite beider Länder zu Fall bringen würde – angefangen mit Trump selbst.

Empörende Bilder

Ein prominentes Opfer hat die Epstein-Affäre schon gefordert, nämlich Peter Mandelson. Der war zu seinen besten Zeiten regelmäßig Gast bei Epstein, und nach dessen Verurteilung 2008 schrieb er ihm, er glaube an seine Unschuld und Epstein müsse um seine Freiheit kämpfen. Laut britischen Medien lag diese peinliche Korrespondenz Premierminister Starmer vor, als er Mandelson gegen Bedenken aus dem Sicherheitsapparat zum US-Botschafter machte. Im Parlament aber sagte Starmer, einen Tag bevor er Mandelson entließ, er habe das damals nicht gewusst und alles sei korrekt gelaufen.

Nach den Maßstäben, die einst für Boris Johnson galten, müsste spätestens mit diesen Enthüllungen aus dem Mandelson-Skandal ein Starmer-Skandal werden. In Windsor wurde Trumps Aufenthalt durch abendliche Bildprojektionen gestört, die Trump und Epstein zusammen zeigen. Für viele Briten sind die Bilder von Trump und Starmer, oder Trump und König Charles, gerade vor diesem Hintergrund empörend.

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1 Kommentar

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  • "Ein prominentes Opfer hat die Epstein-Affäre schon gefordert, nämlich Peter Mandelson" (taz)



    Nein, es gibt auch ein zweites Opfer - Prince Andrew. Er wurde von vielen öffentlichen Auftritten "befreit".



    Leider kann man Trump nicht wie US-Botschafter Mandelson "entlassen".



    Was sind das eigentlich für traurige alte Männer, die sich von Eppstein möglicherweise mit jungen Mädchen haben "bekannt machen" lassen.