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Spritpreis-Senkung in FrankreichZapfsäulen-Populismus

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Ein Wahlgeschenk für Frankreich: Kurz vor der Wahl will Emmanuel Macron den Spritpreis um 15 Cent senken. Populär ist das – nachhaltig nicht.

Wer in Frankreich auf den PKW angewiesen ist, freut sich über Macrons Wahlgeschenk Foto: dpa

W enn das mal kein Geschenk für die unter steigenden Energiepreisen ächzenden Franzosen und Französinnen ist! Weniger als 30 Tage vor den Wahlen, bei denen sich Präsident Emmanuel Macron für weitere fünf Jahre im Amt bestätigen lassen will, kündigt seine Regierung eine Senkung der Treibstoffpreise an der Zapfsäule um 15 Cent an. Das ist natürlich allen, die auf ihre Motorfahrzeuge angewiesen, höchst willkommen.

An den meisten Tankstellen haben Benzin und Diesel die Schwelle von 2 Euro pro Liter erreicht oder überschritten. Damit ist die Schmerzgrenze erreicht, die Staatsführung musste handeln. Noch hat sie in unguter Erinnerung, wie wegen der Treibstoffkosten die Gelbwesten-Protestbewegung entstand. Mit der politisch opportunen Preissenkung beim Auftanken löscht die Regierung das Feuer, bevor es brennt.

Die Maßnahme ist aber auch demagogisch. Denn ihre längerfristigen Konsequenzen werden ausgeblendet. Niemand hört auf die Um­weltschützer, die einwenden, aus klimapolitischen Überlegungen wären hohe Pkw-Fahrkosten durchaus sinnvoll, um den Verkehr zu reduzieren.

Noch ist das Auto in Frankreich König auf der Straße. Gab es kein klügeres Mittel, die Kaufkraft vor der Inflation zu schützen oder wenigstens nur denen finanziell unter die Arme zu greifen, die das Auto für den Beruf oder aufgrund ihrer isolierten Wohnlage benötigen? Dieselbe Frage hatte man schon gestellt, als Macron zum Beginn des Wahljahres an alle mit Gehältern oder Renten unter 2.000 Euro im Monat, aber ohne Blick auf das Vermögen, eine Pauschale von 100 Euro zum „Ausgleich“ der höheren Lebenskosten verteilen ließ.

Die Kaufkraft ist in Frankreich mit Abstand das wichtigste Anliegen der Wähler*innen. Macron will ihnen sofort und in bar etwas in Aussicht stellen. Doch solche Generosität kann kaum gratis sein. Die Staatskasse wird sich den Aufwand auf anderem (fiskalischem) Weg bezahlen lassen. Populär ist auch, dass der Präsident die Rundfunkgebühren abschaffen will. Mit dem Problem der Finanzierung öffentlicher Sender oder vorgesehener Privatisierung beschäftigt man sich lieber erst „danach“.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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24 Kommentare

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  • Wann kapieren die, die die hohen Öl- und Spritpreise als Rettung des Klimas bejubeln, dass der Warentransport in Deutschland hauptsächlich motorisiert erfolgt und somit die Zeche der hohen Spritpreise die Verbraucher:innen bezahlen müssen? Und wieso besteht Grund dazu, steigende Heizkosten (für Gas verdreifachen sich die Kosten) zu bejubeln? Geht es noch?

    • @Elena Levi:

      > somit die Zeche der hohen Spritpreise die Verbraucher:innen bezahlen müssen?

      Schon, Sprit für den Transport wird über die Warenpreise bezahlt. Aber: Der Spritpreisanteil ist sehr viel geringer als wenn man die Waren dann vom Supermarkt nach Hause fährt, denn der Transport im LKW ist im Vergleich, wenn auch nicht ideal, doch ziemlich effizient.

      Wenn man irgendwelche Dinge kauft, die im Fernen Osten hergestellt, mit Schiff nach Hamburg oder Rotterdam transportiert werden, und dann mit dem PKW nach Hause, ist der Löwenanteil sowohl des CO2-Fussabdrucks als auch der Transportkosten dieses letzte Stück des Transports im PKW.

      • @jox:

        Schöne Theorie. Die Realität sieht so aus, dass die steigenden Transportpreise an den Verbraucher weiteregeben werden. Auch ein LKW der die Supermärkte beliefert wird bei gleichen Kraftstoffverbrauch 30 oder 40 Cent Mehrkosten zu tragen haben. Das mag auf die Packung Spaghetti gering sein aber auf den Wocheneinkauf einer vierköpfigen Familie kommt dann schon etwas zusammen - egal ob mit eigenem PKW oder zu Fuß oder dem Rad.

  • Wenn selbst ein Spiegel-Kommentar klüger argumentiert als die hiesigen Foristen ....



    www.spiegel.de/wir...-908a-cc23d0cf8505

    • @Favier:

      Das liegt auch nur im Auge des Betrachters...

  • Der derzeitige Ölpreis beruht auch auf Spekulation. Trotzdem: wichtiger als Klimanwandel ist jetzt kurzfristig einen Spritpreis von unter 2 Euro zu bekommen und vor allem Heizöl ( derzeit rund 1,80 und mehr) massiv zu subventionieren. Was soll das Gereade von kalter Wohnung - wir leben 2022 und nicht in Höhlen. Tempolimit? Nicht nötig, die große mehrheit fährt derzeit sehr spritsparend und die paar Wenigen die dies nicht tun kann man verschmerzen. Wenn das dann alles sich wieder eingependelt hat können wir wieder über Klimaschutzmassnahmen reden, derzeit denke ich ist aber den Allermeisten das Hemd näher als die Hose. So meine Erfahrungen.

    • @maestroblanco:

      Es gibt einfach keine Zeit mehr, den Klimaschutz zu verschieben. Das haben wir die letzten 30 Jahre getan, aber jetzt geht es eben nicht mehr.

      • @jox:

        Hören Sie doch auf, den Umstand der Preiserhöhung durch en Krieg in der Ukraine auf die Notwendigkeit des Klimaschutzes umzumünzen.

    • @maestroblanco:

      Spekulation ist eine in Preis übersetzte Markterwartung. Kann einem gefallen, muss aber nicht.



      Wie die "Zeit" gerade schreibt: die ergiebigsten Frackingölquellen sprudeln nicht mehr so ergiebig. Gleiches wird von den Ölquellen Saudi-Arabiens gemunkelt.



      Der Ukrainekrieg legt unsere Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten offen, verdeckt aber, da er einfache Schuldzuweisungen ebenso zulässt wie einfache Lösungen (Subventionierung / Steuersenkung), dass die am leichtesten zu erschließenden Ölquellen inzwischen weniger Öl liefern als noch vor wenigen Jahren.



      Die Zeit der billigen Energie ist wohl vorbei.



      Wen man aber schon wegen eines vrmtl. nur wenige Wochen andauernden Krieges nach Subventionen giert, was wird passieren, wenn steigende Förderkosten den Grundpreis nach oben treiben? Noch mehr Subventionen nur damit wir unser Leben nicht ändern müssen?

  • Herr Balmer vergisst, dass die höheren Preise ja auch auf Lebensmittel umgelegt werden.



    Am Ende zahlt der Arme genauso wie der Reiche. Auch muss der Arme der ein Auto besitzt auch von A nach B kommen.



    Was bringt es z.b. einer Pflegerin täglich zum arbeiten zu fahren, wenn ein Großteil des Lohnes für Benzin draufgeht.

    • @Hennes:

      Deswegen ist eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf Lebensmittel vielleicht sogar am fairsten.

      Reiche können sich irgendwelche Superyachten kaufen oder genau so überflüssige drei Tonnen schwere SUVs fahren. Aber sie können eben nicht fünf mal soviel Brötchen essen wie ein Fliesenleger oder eine Frisörin.

      • @jox:

        Sind Sie also der Meinung, dass jeder der einen SUV fährt, sich auch gleichzeitig eine Yacht kaufen könnte?



        Wollen Sie die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel dann komplett streichen? 7% sind ja schon mal nicht viel

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    Ja, da hat Macron sicherlich ein bittere Lektion lernen müssen.



    Die Erhöhung der Benzinsteuer 2018 war durchaus ein klimarelevanter Beitrag. Hat jedoch letztlich nur die militanten "Gelbwesten" hervorgebracht.



    Ich wäre überaus erfreut, wenn Macron weiter regieren würde; die Alternativen sind in Frankreich, von Fr Hidalgo mal absehen, eher abschreckend.



    Insofern: Wenn's hilft, bin ich da, obwohl Klimaaktivist, sehr offen.

    Für Deutschland würde ich mir mindestens mal eine Diskussion darüber wünschen, wie die Mehrheit der deutschen Boykott Beführworter mit dieser Thematik umgehen.



    Gürtel enger schnallen und mehr Pullover anziehen macht noch keine Wohnung warm und bringt niemanden auf dem Land, wo es nach wie vor fast nirgends einen nutzbaren ÖPNV gibt, zur Arbeit.

    • @05867 (Profil gelöscht):

      > und bringt niemanden auf dem Land, wo es nach wie vor fast nirgends einen nutzbaren ÖPNV gibt, zur Arbeit.

      Das ist ein Punkt, den man ändern kann. Wenn Mexiko-Stadt sich eine Flotte von neuen Oberleitungsbussen leisten kann, dann kann das Ruhrgebiet oder Berlin das auch.

      Man sollte den Fokus nicht zu stark auf dünn besiedelten Gebieten legen, denn da bringen Investitionen in ÖPNV halt nicht so viel ökologischen Gewinn. Was nicht heißt. dass man diese Gegenden total vernachlässigen sollte.

    • @05867 (Profil gelöscht):

      Wenn es so einseitig gewesen wäre. Der Protest der Gelbwesten hatte verschiedene Ursachen. Einen Zusammenhang hat Thomas Piketty detailliert beschrieben: die deutliche Absenkung der Vermögenssteuer für große Vermögen sollte mit der Erhöhung der Bezinsteuern ausgeglichen werden.



      Und dann stellten die Betroffenen fest, dass Staat und Region alle alternativen Infrastrukturen zum Auto geschreddert hatten.

  • Sehr wesentlich ist auch: Russland verdient in Deutschland mehr an Benzin als an Gas. Öl und Benzin sind jedoch auf dem Weltmarkt zu haben und werden mit Schiffen transportiert, kann man also leichter woanders bekommen, daher sind sie für Deutschland ein leichteres Ziel für ein Embargo.

  • Letztlich ist das eine Umverteilung von Arm nach Reich. Hier eine Grafik, die zeigt, wie Autobesitz nach Einkommen verteilt ist:

    twitter.com/kkklaw...501838650740457476

    (Aus dem lesenswerte Buch von Katja Diehl, "Autokorrektur", Quelle: DLR / IVT / INFAS)

    - Von Haushalten mit dem niedrigsten ökonomischen Status haben 53% kein Auto, 40% ein Auto, und 6% zwei Autos.

    - Von Haushalten mit mittleren ökonomischen Status haben 21% kein Auto, 63% ein Auto, und 14% zwei Autos

    - Von Haushalten mit sehr hohen ökonomischen Status haben 8% kein Auto, 42% ein Auto, 40% zwei Autos, und 8% drei Autos.

    Das bedeutet:

    - es ist kein ökonomisches Privileg, kein Auto zu haben

    - Eine Reduktion von Steuern auf Benzin ist ganz klar eine Umverteilung von ärmeren zu reicheren Haushalten.

    Will man ärmere Haushalte mit hohen Spritkosten entlasten, dann sind gezielte Maßnahmen sinnvoll, die das Einkommen aufstocken. Wenn man einfach Steuern auf Benzin reduziert, erhöht dies das Spritbudget besonders der reichen Haushalte. Dies erhöht natürlich deren Benzinkonsum und damit, weil wir mit einem Angebotsschock konfrontiert sind, wiederum die Preise - den wenig verdienenden Haushalten würde völlig vorhersehbar als Folge *weniger* Geld zur Verfügung stehen.

    Entlastungen von hohen Energiepreisen müssen sich gezielt an einkommensschwache Gruppen richten und insgesamt Einsparungen fördern, sonst sind sie kontraproduktiv.

    Und radikale Einsparungen - und dazu zähle ich ich auch ein sofortiges Tempolimit ! - sind auch gesamtökonomisch dringend notwendig: Es ist ja nicht nur so, dass das Geld für den im Preis gestiegenen Sprit auch noch zusätzlich an Putin geht. Es fehlt darüber hinaus auch der Wirtschaft hier - denn Verbraucher können ja jeden Euro nur einmal ausgeben. Daher Tempolimit.

    • @jox:

      Viele gute Punkte genannt!

      Beim Punkt "Senkung der Spritpreissteuer unterstützt Besserverdienende" muss ich allerdings widersprechen.

      Mehrere Punkte:



      - Auch bei nur einem Auto, welches möglicherweise für die Arbeit benötigt wird, ist die Ersparnis signifikant. Da es sich in dem Fall um eine absolute Ersparnis handelt, profitieren einkommensschwache prozentual sogar mehr.



      - Senkung der Spritpreise betrifft alle Güter des täglichen Lebens!



      - Die genannten Besserverdienenden fahren in großen Teilen sowieso schon Hybrid/Elektro und sind daher weniger von den hohen Preisen betroffen.

      Wie sähe ihrer Meinung nach eine gezielte Entlastung der einkommensschwachen Gruppen aus?

      • @Mukmuk:

        > Auch bei nur einem Auto, welches möglicherweise für die Arbeit benötigt wird, ist die Ersparnis signifikant.

        Aber Reiche sparen absolut mehr ein, als Arme entlastet werden. Es ist eine Umverteilung von Arm nach Reich.

        Hier die Verteilung des Autobesitz nach Haushaltdseinkommen:

        twitter.com/kkklaw...501838650740457476

        > - Senkung der Spritpreise betrifft alle Güter des täglichen Lebens!

        Das geht auch mit einer Senkung der Mehrwertsteuer - und diese hält mehr Geld im Land, als Einnahmen aus Benzin, die nach Russland fliessen

        > Die genannten Besserverdienenden fahren in großen Teilen sowieso schon Hybrid/Elektro und sind daher weniger von den hohen Preisen betroffen.

        Nein, gerade die großen Schlitten haben mit Batterie ja nur geringe Reichweite und dann wird ja auch noch schnell gefahren.

        > Wie sähe ihrer Meinung nach eine gezielte Entlastung der einkommensschwachen Gruppen aus?

        Ein Fahrtkostenzuschuss auf Antrag beim Arbeitsamt. Das geht heute sowieso schon für Azubis und Weiterbildung, also gibt es schon Strukturen dafür:

        www.helpster.de/fa...en-so-geht-s_17589

        www.helpster.de/wi...ttet-bekommt_15842

        www.hilfreich.de/f...steht-was-zu_11958

    • @jox:

      Nun möchte Macron aber nicht vor allem die ärmeren Haushalte entlasten, sondern die Mittelschicht

      Das sind seine Wähler.







      Und die Gelbwesten waren keine Hungerrevolte.

      Es wird ja nichts nachhaltiger, wenn Marine Le Pen die Wahlen gewinnt.

      In Frankreich gibt es übrigens bereits ein Tempolimit.

  • Und wie qualifizieren wir jetzt die in Dtl. geplanten Maßnahmen?



    "Ein Leben ohne Auto ist möglich aber sinnlos."?



    So funktioniert es also in Frankreich, so funktioniert es in Dtl. und hier reden wir sogar über einen Nachlass von 20 Cent.

    Wurden die Grünen nicht gewählt, um schneller zur Klimaneutralität zu kommen?



    Und dürfen sich nun alle bestätigt fühlen, die genau daran gezweifelt haben?

    • @Favier:

      Also ich bin der Meinung, dass man die Frage der Klimaneutralität von der aktuellen Spritpreisdiskussion trennen sollte.

      Eine kurzfristige Senkung der Preise unterstützt alle, die auf das Fahrzeug angewiesen sind.



      Die Besserverdienenden fahren inzwischen sowieso Hybrid/Elektro und sind damit weniger von den Preisen betroffen.

      Man würde das Klimathema nur noch stärker auf den Rücken der finanziell schwächeren austragen.

      Zudem ist eine Spritpreissenkung auch eine Absicherung, so gut wie aller Preisniveaus des täglichen Lebens, da Transport nahezu alle Produkte betrifft

      • @Mukmuk:

        ich stimme ihnen zu!