Sponsoring und Werbung an Schulen: Möbelhaus macht Verkehrserziehung
Die Opposition spricht von Verschleierung. Schwarz-Grün in Hessen antwortet auf einen Berichtsantrag zu Sponsoring an Schulen nicht öffentlich.
Die SPD-Fraktion hatte im Januar nach Details einer Sponsoringaktion der Möbelhäuser Porta gefragt. Bei der Aktion „Helm auf“ unterrichten Mitarbeiter des Unternehmens an Grundschulen Verkehrssicherheit. Im Anschluss gibt es gratis Fahrradhelme mit dem Firmenlogo. Aber nur, wenn sich die Schüler das Geschenk in einer Porta-Filiale abholen. Die SPD wollte von der Regierung wissen, ob sie dies als unzulässige Werbung einstufe.
Die bislang nur interne Antwort des Kultusministeriums, die der taz aber vorliegt, bleibt vage: Die Schulleiter müssten im Einzelfall abwägen. Auch könne im Nachhinein nicht mehr beurteilt werden, ob es „zu einer unzulässigen Hervorhebung des Namens des Unterstützers gekommen ist“. Das Schulgesetz erlaube Sponsoring grundsätzlich, solange der schulische Nutzen größer ist als die Werbewirkung für das Unternehmen.
Die Regierung ergänzt jedoch: „Es ist unzulässig, in Schulen auf Veranstaltungen oder Aktionen hinzuweisen, bei denen Schülerinnen und Schüler die Geschäftsräume eines Unternehmens aufsuchen sollen, um außerhalb der Schule kostenfreie Produkte mit dem Logo einer Marke geschenkt zu bekommen.“ Genau das passierte jedoch bei der Aktion „Helm auf“.
Dass die Antwort zunächst nicht veröffentlicht wurde, begründet Ministeriumssprecher Stefan Löwer rein formal: „Das hat jetzt keine größere Bedeutung.“ Obwohl es sich „eingebürgert“ habe, müssten solche Berichtsanträge nicht schriftlich, geschweige denn öffentlich beantwortet werden.
Schulamt teils überfordert
Christoph Degen, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, vermutet Verschleierung. „Bei allen anderen Berichtsanträgen zu diesem Thema waren die Antworten öffentlich“, sagte er der taz. Er habe schon viele solche Anträge gestellt. „Nur als es einmal um sexuellen Missbrauch ging, war das Ganze aus guten Gründen nicht öffentlich.“ Er vermutet: „Man will öffentlich keine Schuld eingestehen.“
Für Degen war die Anfrage „die Nagelprobe“ für das kritisierte Schulgesetz. Und die habe es nicht bestanden: „Jetzt sieht man, dass es eben nicht funktioniert, und die Verantwortlichkeit von einem zum anderen geschoben wird.“ Er stützt diese Einschätzung auf Anfragen zu diversen Sponsoringaktionen des Gesamtpersonalrats der Lehrerinnen und Lehrer des Rheingau-Taunus-Kreises und Wiesbaden. Protokolle davon zeigen, wie das entsprechende Schulamt zwischen Februar und September vor allem auf die Verantwortung einzelner Schulen pochte und teils selbst überfordert war.
Kurz bevor die nichtöffentliche Antwort am Mittwoch dem kulturpolitischen Ausschuss vorgelegt wird, gab es für die Schulämter noch einmal Tipps vom Ministerium. Indirekt verurteilt dieses in einer Rundmail die Aktion von Porta: Es warnt vor Geschenken oder Gutscheinen, um Schüler in die Geschäftsräume des Sponsors zu locken. Diese seien „in der Regel (…) als unzulässige Werbung abzulehnen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was