Spielfilm „The Report“: Totale Nutzlosigkeit
Nach dem 11. September etablierte die CIA extreme Verhörtechniken. In „The Report“ wird das illegale Treiben des Geheimdienstes aufgearbeitet.
Sie sehen ein bisschen so aus wie die reduzierten Piktogramme, die Otl Aicher für die Olympischen Spiele 1972 entworfen hat. Der wäre schon wegen der gewählten Versalien mit den Bildunterschriften nicht einverstanden gewesen.
Und als Freund der von der Gestapo verhörten Sophie Scholl auch nicht mit den in Wort und Bild dargestellten, recht unsportlichen Inhalten: „ATTENTION GRASP“ steht da etwa und: „WALLING“; „FACIAL HOLD“; „FACIAL/INSULT SLAP“; „WALL STANDING“; „STRESS POSITIONS“; „SLEEP DEPRIVATION“; „USE OF INSECTS“. Nicht zu vergessen: „WATERBOARDING“.
Bei der CIA findet man den Powerpoint-Pitch der beiden Psychologen Dr. Mitchell und Dr. Jessen gleich sehr überzeugend. Weniger überzeugt ist der FBI-Mann, als die beiden Wissenschaftler sich daran machen wollen, ihr Konzept der enhanced interrogation techniques erstmals in die Praxis umzusetzen, am lebenden Objekt: „Wissen Sie viel über al-Qaida?“ „Nein.“ „Haben Sie jemals einen Terroristen verhört?“ „Nein.“ „Irgendeinen Verbrecher?“ „Nein.“ „Haben Sie überhaupt schon mal jemanden verhört?“ „Unwichtig. Er ist ein Mensch. Ich bin Psychologe. Er kennt ein Geheimnis, und ich werde ihn dazu bringen, dieses Geheimnis zu verraten.“
Um die Sorte Geheimnisse, die Menschen verraten, wenn man sie etwa in eine mit Insekten gefüllte Holzkiste sperrt, geht es später auch noch in einem Dialog mit einer langsam doch etwas ungeduldig werdenden CIA-Frau. Dr. Mitchell: „Das ist es, was wir dank Waterboarding rausfinden konnten: Jetzt wissen wir, dass er lügt.“ CIA-Frau: „Ich dachte, es geht darum, die Wahrheit rauszufinden?“ Dr. Jessen: „Und die Wahrheit ist, dass er lügt.“
Verändertes Genre
Die beiden mad scientists und ihr dialektisches Verständnis des Folterhandwerks sind nicht die einzige Absurdität in Scott Z. Burns’ („The Loudest Voice“, „The Laundromat“) Film „The Report“, der eigentlich nicht komisch gemeint ist. Aber die realsatirische Dimension war eben doch zu verlockend.
Es geht also um die extremen Verhörtechniken der CIA nach den Anschlägen vom 11. September; um deren totale Nutzlosigkeit und deren systematische Verschleierung.
„The Report“, seit 29. 11. auf Amazon Prime
Es geht auch um Filmästhetik und darum, wie sich das Genre des Paranoia-Thrillers seit den 70er Jahren, nach Watergate, verändert hat. Zum Beispiel „Three Days of the Condor“, mit Robert Redford, der auch in „All the President’s Men“ mit dabei war. Der Mann, der als Literaturwissenschaftler bei der CIA gelandet ist, ist eigentlich ein ähnlicher Schreibtischhengst wie Daniel Jones (gespielt von Adam Driver – der selbst nach 9/11 bei den Marines angeheuert hatte).
Abgrenzung von Folterwerken
Das hindert ihn nicht daran zur Pistole zu greifen und mit Faye Dunaway anzubandeln. Für solche filmischen Konventionen fehlt einem Daniel Jones ebenso der Sinn wie einer Katharine Gun, der Whistleblowerin aus den Reihen des britischen GCHQ und der Hauptfigur im gerade in den Kinos laufenden „Official Secrets“.
Jones fehlt es für ein Techtelmechtel außerdem an Zeit. Schließlich verbringt er fünf Jahre seines Lebens offenbar ausschließlich in Büros und Konferenzräumen. Nicht eine Szene spielt in seiner Wohnung. Burns grenzt sich inhaltlich wie formal von den gelegentlich als Pro-Folter-Machwerken begriffenen „Zero Dark Thirty“ und „24“ ab.
Das konspirative Treffen mit einem Journalisten in einer Tiefgarage wiederum kann nur als Referenz an „All the President’s Men“ verstanden werden. Daniel Jones zögert kurz, aber er wird keine Quelle, kein Whistleblower werden. Für seine Auftraggeberin, die Senatorin der Demokraten Dianne Feinstein (Annette Bening), ist Edward Snowden ein Verräter. Es ist an ihr, die Veröffentlichung von Jones’ gekürztem Bericht selbst zu besorgen. Oder an dem, was sie verkörpert: deep state statt Deep Throat.
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