„Spiegel“ erneuert seinen Ableger „Bento“: Das Kind muss sich ändern
Vier Jahre nach dem Start von „Bento“ zieht der „Spiegel“ Resümee. Schluss mit schrill und bunt, das junge Newsportal soll ausgeruhter werden.
Plötzlich schauten alle auf junge Leser*innen. So wirkte es jedenfalls vor einigen Jahren, als zahlreiche Medienhäuser ihre gleichnamigen jungen Portale präsentierten. Zeit Online schickte Ze.TT ins Rennen, das ZDF Heute plus, bild.de sein Portal byou. Und der Spiegel? Der stampfte Bento aus dem Boden und wollte damit die 18 bis 30-Jährigen erreichen, quasi die Hashtag-Generation. Nicht alle Millennial-Plattformen haben seit ihrer Gründung überlebt. Bento aber gibt es noch.
Vier Jahre nach dem Start fragt sich der Spiegel in einem vergangene Woche veröffentlichten Blogeintrag deshalb: Was wurde erreicht? Und wie kann es weitergehen?
Erinnern wir uns noch einmal zurück: Angetreten war Bento Anfang Oktober 2015, als ein eigenständiges journalistisches Produkt für „Frauen und Männer zwischen 18 und 30 Jahren“, und zwar genau solche, „die im Internet zu Hause sind und tendenziell den ‚Spiegel‘ nicht lesen“. Man habe mit schnellen, kurzen News und aktuellen Erklärstücken zur Nachrichtenlage, mit einer längeren Story am Tag und mit lustigem Kleinkram begonnen, heißt es in dem Blogeintrag.
Schrill und bunt, so sah Bento oft aus. Kritker*innen nannten journalistische Beiträge bei Bento manchmal redundant oder erst gar nicht journalistisch. Lange Zeit produzierte Bento Beiträge wie am Fließband. Manchmal, so schien es, ging es mehr um Masse als um Inhalt. Ausgeruhte, längere Stücke, das zeigt die Auswertung des Verlags allerdings, wurden am häufigsten von Leser*innen geklickt – fanden sich aber seltener auf der Seite.
„Bento“ hängt an „Spiegel Online“
Seine Reichweite generierte Bento zu gut zwei Dritteln über Spiegel Online, heißt es außerdem, nicht über seine eigene Seite. Für Verantwortliche des Produkts und im Verlag stellte sich zunehmend die Frage, wie sinnvoll es sei, Bento als eigenständigen Ableger beizubehalten.
Man hatte sich viel vorgenommen vor vier Jahren. Funktioniert hat das alles nicht so richtig, gibt der Spiegel selbstkritisch zu – und genau deshalb soll sich Bento nun verändern. Im Herbst will das Portal im überarbeiteten Design starten – optisch wie inhaltlich.
Auch personell stellt sich Bento neu auf: Die ehemaligen Chef*innen Frauke Lüpke-Narberhaus und Ole Reißmann rücken ab und wechseln in andere, leitende Jobs im Haus. Die neue Redaktionsleitung bilden Julia Rieke und Viktoria Bolmer.
Wobei, ganz so neu sind die beiden für Bento jedenfalls nicht. Rieke arbeitet seit der Gründung des Produkts in der Redaktion, Bolmer ist seit 2018 dabei. Beide gelten im Haus als zuverlässig, ruhig und kollegial. Sie genießen Vertrauen bei ihren Kolleg*innen, heißt es aus Redaktionskreisen. Und sie haben Erfahrung im Millennial-Journalismus, wissen, welche Formate bei Bento funktionieren und welche eher nicht.
Auch junge Medien dürfen ernsthaft sein
Sowieso ist derzeit viel los beim Spiegel-Verlag in Hamburg: Es läuft die Zusammenlegung von Print und Online, beide Redaktionen sollen künftig zu einer gemeinschaftlichen verschmelzen. Wie die Neuausrichtung von Bento in diese Phase passt, lässt sich noch schwer voraussagen. Eine Einstellung der Millennial-Plattform, vor der sich manche aus dem näheren Bento-Umfeld noch vor wenigen Monaten fürchteten, scheint damit aber erst einmal vom Tisch zu sein.
Lässt sich aus Bentos Neuausrichtung aber etwas für den gesamten Millennial-Journalismus ableiten?
Deutlich wird, junge Medienprodukte müssen nicht zwangsläufig bunt und schrill sein, sie vertragen vielmehr Tiefe und Exklusivität. Bento beweist außerdem, wie wichtig ein junges Newsportal sein kann – denn es kann zum Testlabor für Formate werden. Künftig wird sich nicht nur Bento neu ausrichten müssen, auch der gesamte Spiegel-Verlag wird es tun.
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