Spaziergänge mit Schrifstellerinnen: Da lag ihr Buch im Schaufenster
Neue Hobbys in der Coronazeit: Instagram-Stories ohne Ton schauen. Schreibprojekte entwerfen. Dann doch länger liegen bleiben.
M asken, Abstand, Reinlichkeit. Im Wesentlichen sind das immer noch die Punkte, um gut durch diese Krise zu kommen, von der ja kein Ende abzusehen ist. Vermutlich wird es ein Long-Term-Ende geben, einen Long-Tail-Effect (nicht: Snail-Effekt; auch nicht: Snake-Effekt; schon gar nicht: Kobra-Effekt, bitte nachgucken) geben, also ein sich ins Unendliche hinziehendes Ende. So richtig zu Ende sein wird es am Ende nie.
Masken tragen mehr oder weniger die meisten, die einen so, die anderen anders, alle ganz nach Situation. „Es fällt heute leichter, Ihre Gefühle zu zeigen, statt sie hinter einer Maske zu verstecken“, witzelt das Horoskop der Bild dazu am Mittwoch. Einen Tag später war auf dem Titel besagter Zeitung sogar von einem „unheimlichen Maskenmann“ die Rede.
Das mit dem Abstand ist da schon schwieriger, im Grunde hält sich niemand daran. Einer der Vorteile des Lockdown war, dass sich berühmte Schriftstellerinnen mit mir zu Spaziergängen verabredeten. Also zu von mir sogenannten „Walks of Fame“. Da fielen meist erst allerlei Namen, also es wurde reichlich Namedropping betrieben, bis man sich auch innerlich endlich locker gemacht hatte. Manchmal spazierte man an einer Buchhandlung vorbei, in dessen Schaufenster Bücher der Schriftstellerin zu sehen waren. Das waren merkwürdige Momente. Beinahe Signature Moves.
Die eine Schriftstellerin erzählte, dass es den Menschen in den südlichen Ländern weitaus mehr Schwierigkeiten bereiten würde, Abstand zu halten, während für die meisten Deutschen ja gelte: Sobald das Abstandsgebot aufgehoben wird, gehe ich wieder zurück auf 4 Meter!
Der Text über Stille und Gänge
Apropos Buchhandlung. „Die Pest“, den Bestseller der Anfangszeit von C, hatte ich immer noch nicht gelesen. „Die Post“ schon. Zumindest meine. „Die Pst“, einen Text über Stille und Gänge, wollte ich selbst schreiben. Genauso wie das kollektive Tagebuch „Die 120 Tage von Corona“, aber bislang reichten meine Kontakte in die Verlagsbranche nicht aus, diese Sachen auch zu platzieren (Wink mit dem Zaunpfahl).
Neben diesen Walks und Talks blieb man auch viel zu Hause, vornehmlich alleine. Homeoffice ist da das nächste Schlagwort, ein Anglizismus, der mittlerweile sogar in Frankreich benutzt wird, wie ich gelernt habe. Homeoffice ist besonders für Teilzeitmessies ganz günstig, sie können in den Arbeitspausen mehr aufräumen oder mal zum Supermarkt gehen; auch für Langschläfer – oder besser gesagt: Nachteulen – bietet es Vorteile: Erst gerade hat der Wecker geklingelt, schon ist man hüftaufwärts bereits im Dienst und via Zoom zugeschaltet. Was untenrum passiert, das sieht man ja nicht.
Aber nicht nur Zoom, auch die sozialen Medien legten noch einmal an Bedeutung zu. Witzig ist, sich Instagram-Storys mit sprechenden Köpfen ohne Ton anzusehen. Die meisten Leute haben auf Instagram überhaupt keine Hemmungen und halten ihre Gesichter immer schön feist in die Kamera, manchmal auch mehr.
Da lässt sich dann so manche Pore studieren und Nasenspitze bewundern, während sich der Mund unten irgendwas sprechend bewegt. Was wiederum nicht immer von Vorteil ist, besonders nicht für die so influencende Person selbst.
Gefallen wollen
Oft kippt die Schönheit eines Gesichts genau mit Beginn des Sprechens ins Hässliche – man hat das oft während dieser Viral-Lesungen sehen müssen. Sobald der Mund geöffnet wird, ist es vorbei. Das liegt nicht an den Worten, denn die hört man nicht. Der Ton ist aus: Nur die Gesten sind zu sehen. Gesten, das Lächeln, das um ein zugeschaltetes Publikum weiß, dem es gefallen will. Und genau da zeigt sich oft genug völlig unverhohlen die selbst eingebildete Wichtigkeit.
Da ist ein Walk of Fame schöner. Hier gibt es nicht nur schöne Gesichter, sondern auch Stadtlandschaften zu sehen. René Hamann
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