piwik no script img

Sparkurs im Berliner KulturhaushaltOhne fachliche Expertise

Kommentar von Dirk Knipphals

Arm und unsexy: Berlin macht dem Rest der Republik gerade vor, wie Sparen in der Kultur auf keinen Fall organisiert werden sollte.

Lässt sich über den Tisch ziehen: Joe Chialo (CDU), Berliner Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

D ie Berliner Kulturszene ist aufgebracht. Sehr zu Recht. Berlin muss sparen. Auch in der Kultur. Doch das für sich ist gar nicht der Punkt. Dass gespart werden muss, wissen viele Mitglieder der Kulturszene selbst, auch wenn es schmerzt. In einer Situation, in der die Hauptstadt Schulbauten verschieben und die Mittel für Ersatzteilbeschaffung der Feuerwehr halbieren muss, muss auch der Kulturhaushalt seinen Beitrag leisten.

Aber die Art und Weise, wie das nun politisch organisiert wird, ist schon krass: an allen Institutionen vorbei, ohne fachliche Expertise, von oben herab. Zynisch gesagt: Berlin macht dem Rest der Republik gerade vor, wie es auf gar keinen Fall geht.

Man stelle sich vor: Eine Institution fragt vorsorglich bei der für sie zuständigen Behörde an, ob sie eine freie Stelle besetzen kann. Sie bekommt grünes Licht, besetzt die Stelle und erfährt am nächsten Tag aus der Zeitung, dass die ganze Institution abgewickelt werden soll. Anderes Beispiel: Eine Jury soll zusammenkommen, um über kulturelle Stipendien für 2025 zu entscheiden. 2025 ist bald. Doch die Jury weiß noch nicht einmal, wieviel Geld sie verteilen soll.

Solche Geschichten gehen um in Berlin. Von einigen Institutionen ist zu hören, dass sie der Kulturbehörde auf Aufforderung längst eigene Sparpläne vorgelegt haben. Nur um mit einer Sparliste konfrontiert zu werden, die von den Fraktionsspitzen der regierenden CDU-SPD-Koalition festgelegt worden ist. Offensichtlich mit dem Rasenmäher. An der Kulturbehörde vorbei.

Joe Chialo lässt sich über den Tisch ziehen

Und was macht der Berliner Kultursenator Joe Chialo, CDU? Bedauert dies und das. Erzählt aber vor allem, dass die Kulturinstitutionen sowieso auf mehr Eigeninitiative und Sponsorengelder setzen sollten. Nun kann man es tatsächlich problematisch finden, wie sehr nicht nur die Hochkultur, sondern auch die freie Szene der Hauptstadt von staatlichen Geldern abhängig ist.

Aber es sind in Berlin eben nicht mehr die Zeiten der billigen Mieten und der subkulturellen Zwischennutzungsorte mit Sofas vom Sperrmüll. Gerade die Entwicklung von tragfähigen Szenarios für mehr Eigenständigkeit der kulturellen Institutionen braucht sowieso Planungssicherheit und zumindest mittelfristig gesicherte Rahmenbedingungen.

Was hat man aber stattdessen jetzt in Berlin? Unsicherheit. Die Auskunft, dass in vielen Bereichen die konkreten Zahlen sowieso erst Mitte Dezember angesagt werden können, wenn die Haushaltsverhandlungen durch sind. Eine CDU und eine SPD, die offenbar bei allen Schilderungen, wie wichtig gerade für den Standort Berlin eine lebendige Kultur ist, weggehört haben. Und einen Kultur­senator, der sich von ausgebufften Politprofis über den Tisch ziehen lässt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Literaturredakteur
Dirk Knipphals, Jahrgang 1963, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in Kiel und Hamburg. Seit 1991 Arbeit als Journalist, seit 1999 Literaturredakteur der taz. Autor des Sachbuchs "Kunst der Bruchlandung. Warum Lebenskrisen unverzichtbar sind" und des Romans "Der Wellenreiter" (beide Rowohlt.Berlin).
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Sehr geehrter Herr Knipphals,

    gute und faire Zusammenfassung. Nicht nur Herr Chialo ist ahnungslos, auch der RegBm meint mit einem Marie-Antoinette-Spruch sich aus der Verantwortung ziehen zu können: sollen die Theater doch wirtschaftlicher arbeiten.

    Gleiches könnte man vom Senat selbst verlangen, der sinnlose, aber dafür teure Bauprojekte verfolgt (Jahn-Sportpark, Komische Oper, Landesanteil an der TVO/A 100, etc.). Besonders verantwortungslos ist Herr Chialos Beharren bis jetzt auf den Umzug der beiden Landesbibliotheken. Das allein wäre ein Entlassungsgrund.

    Aber in Deutschland geht ja alles noch eine Nummer absurder: Herr Chialo wird als möglicher nächster Kulturstaatsminister gehandelt.

    Da freuen sich die Staatlichen Museen, die Filmförderung und die AdK.

    Obwohl, Frau Roth hat sich ja auch nicht besonders kompetent hervorgetan, siehe SPK-Reform (lach) und Filmförderung (bitte, was?).

    Glücklich sind alle Kultureinrichtungen, die nicht von öffentlichen Geldern abhängig sind: André Rieu, Cold Play, Galerien...

    Ab 23. Februar 2025 wird es dunkel in Berlin und Deutschland.

    • @Wilfried Wang:

      Selbst ein Kommentar der Zeit lässt durchblicken, dass Chialo hilflos modisch inhaltsleeres Managerlatein von sich gebender Fatalist auf seinem Posten ist. www.zeit.de/2024/5...lt/komplettansicht

      Fatalismus ist für die Kultur nicht gut. Noch so eine Sparrunde in Berlin, und Kultur in Berlin ist Vergangenheit. Im Bund ist der für Chialo in Aussicht stehende Posten des Kulturstaatsministers selbst umstritten, und da er definitiv nicht in der Lage ist, den Etat des Kulturstaatsministeriums zu verteidigen, wird es bald nur noch sein Versorgungsposten sein :-(

      Es wäre besser, Chialo bekäme nicht diese bequeme Aus-dem-Amt-in-ein-höheres-Amt-Gelobtwerden-Karriere-Chance, sondern würde erst einmal gefordert, den angerichteten Schaden in Berlin zu begrenzen. Wenn die Haushaltsverhandlungen eh noch nicht durch sind, muss er sich jetzt breit machen für eine nun doch noch geringere Kürzung des Kulturhaushaltes und überdies ein Konzept entwickeln für den Fall, dass bald wieder mehr Mittel fließen, denn so eine kleine Haushaltskrise könnte ja auch mal enden. Kultursenators Ehre ist, Akzente zu setzen. Kulturelle! Nicht fiskalische!

  • Hm, schwierig. Anläßlich der Zustände im Bayrischen Justizvollzug im Allgemeinen und dessen Anstalt in Augsburg im Besonderen stellte sich heraus: Die Bundesrepublik konnte streckenweise internationalen Verpflichtungen nicht nachkommen, weil die Ehrenamtler, die diese erfüllen sollen, das nicht aus der eigenen Tasche zahlen wollten.



    Da stellt sich schon mal die Frage, ob der Berliner Kultursenator mit der Ausstattung seiner Behörde besser dran wäre. Vielleicht hat der - bei den Immobilienkosten in Berlin nicht verwunderlich - weder Amtsräume noch jemanden, der Post entgegennimmt und bearbeitet? Da wäre der Frust, die Kulturschaffenden sollten sich halt selber kümmern, vielleicht nicht direkt nachvollziehbar, aber noch menschlich verständlich.

  • Danke Fr. Giffey, das sie diese Koalition gewollt und möglich gemacht haben.



    Danke für nichts.