piwik no script img

Spanischer Rapper vor GerichtDrei Jahre Knast für ETA-Witze

Weil er in seinen Liedtexten Terrorismus verherrlicht und konservative Politiker beleidigt haben soll, muss der Musiker Valtonyc hinter Gitter.

Wünscht dem Schwager des spanischen Königs einen Job bei Burger King: Rapper Valtonyc Foto: Dani Codina

Madrid taz | Der Rapper Josep Miquel Arenas geht in die Geschichte ein. Der Sänger von der spanischen Urlaubsinsel Mallorca ist „der erste Musiker, der einzig und allein wegen seiner Liedertexte ins Gefängnis muss“, heißt es in einem Kommuniqué von Freunden und Familie des 24-Jährigen mit dem Künstlernamen Valtonyc. Seinen Antrag auf Haftverschonung hat das spanische Verfassungsgericht abgelehnt. Der 24-Jährige muss eine Strafe von drei Jahren und sechs Monaten antreten.

Der Grund: Der Rapper soll den Terrorismus verherrlicht, König Juan Carlos I. sowie Regierungschef Mariano Rajoy und andere konservative Politiker beleidigt haben. Im August 2012 wurde der Angestellte einer Gemüsehandlung verhaftet. Er musste 2017 wie ein Schwerverbrecher vor den spanischen Sondergerichtshof für Bandenkriminalität, Wirtschaftskriminalität und Terrorismus, der Audiencia Nacional in Madrid.

Das Urteil – drei Jahre und sechs Monate Haft – wurde ein Jahr später vom obersten Gerichtshof höchstinstanzlich bestätigt. Die drei Richter, die den jungen Mann verurteilten, stehen alle der konservativen Partido Popular (PP) von Ministerpräsidenten Rajoy nahe – so nahe, dass zwei von ihnen auf Druck von Anwälten aus den wichtigsten Korruptionsverfahren gegen die PP ausgeschlossen sind.

Das Gericht sieht keine Verletzung der Kunstfreiheit

Valtonyc fantasiert in seinen Texten gegen unzählige Korruptionsvorfälle der Inselregierung. Dem Schwager des derzeitigen Königs Felipe VI., Iñaki Urdangarin, der zusammen mit seiner Frau Infanta Cristina Millionen aus öffentlichen Kassen zur Seite schaffte, wünscht er einen Job bei Burger King. Er will, dass die Verantwortlichen für Korruption und Sparpolitik „Angst haben wie einst die Guardia Civil im Baskenland“. Und er rappt eine satirische Version einer Erklärung Rajoys. „Ich möchte den Spaniern eine Nachricht der Hoffnung übermitteln, ETA ist eine große Nation.“ Im Original war freilich „Spanien eine große Nation“.

Der Rap sei ein Genre, mit „extremen, provozierenden, allegorischen und symbolischen Texten“, heißt es in Valtonycs Antrag auf Haftverschonung. Das Verfassungsgericht hingegen sieht keine Verletzung der Meinungs- und Künstlerfreiheit durch das Urteil. Valtonyc würde eindeutig „gewaltsame Mittel verherrlichen“.

Valtonyc ist kein Einzelfall. Über 70 weitere Rapper und Twitteraktivisten warten auf ein Gerichtsverfahren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Neuigkeiten aus Frankiland:

    Valtónic hat auch das Exil gewählt.

    Politische Flüchtlinge und politische Gefangene mitten in Westeuropa, und die EU schweigt, beschämt!? In 10 Jahren wird irgendein Europäisches Gericht entscheiden, daß die Strafe unverhältnismäßig war. Vielleicht bekommt er auch Schadenersatz, aber wo bleibt die Zivilcourage unserer Politiker? https://m.eldiario.es/politica/Valtonyc-Belgica-evitar-entrar-prision_0_774473582.html

  • Das großkastilische Regime wird auch durch solche Operettenrichter nicht mehr zu halten sein.

    Die emanzipatorischen Unabhängigkeitsbewegungen werden die Landkarte in Europas Südwesten schon bald entscheidend verändern.

  • Spanien bedarf dringend einer umfassenden Überarbeitung seiner Verfassung. Die Gesetze die solche Urteile möglich machen wurden von den fraquinistischen Faschisten diktiert und sind darauf ausgerichtet Befürworter eines föderalen Spaniens Mundtot zu machen. Falls Spanien sich nicht zu einem föderalistischen Staat wandelt wird es früher oder später zu einem Bürgerkrieg kommen.

    • @Fr3mdius:

      Spanien ist faktisch ein föderalistischer Staat, die Kompetenzen der Regionen entsprechen denen der Bundesländer in Deutschland. Aber ja, eine Überarbeitung der Verfassung könnte nicht schaden, wird aber nicht funktionieren, weil Befürworter der nationalen Einheit und Befürworter einer Eigenstaatlichkeit der Regionen sich über Buchstaben streiten werden.

  • Sie sollten vor dem europäischen Menschenrechts Tribunal ziehen.

     

    In Spanien is Verherrlichung des terrorismus so ähnlich wie bei uns Leugnung des holocaust. Aber in diesem Fall scheint es mir eher opportunistisch Anwendung zu finden.

  • Der Volksmund weiß in kluger Sicht auf solche Vorgänge zu sagen, dass es für die Justiz immer schon Gleiche und Gleichere gegeben hat. Hätte der mutmaßliche Delinquent, in seinen Liedtexten den türkischen Präsidenten Erdogan aufs brutalste beleidigt, hätte er wahrscheinlich eine Auszeichnung erhalten. Hat er aber nicht und deswegen muss er ins Gefängnis.

    • 1G
      12649 (Profil gelöscht)
      @Nico Frank:

      Und was wollen Sie uns mit diesem lapidar-dämlichen Kommentar mitteilen? Dass wer wagt König und Vaterland zu beleidigen, zu Recht in den Knast wandert? Welche Art von verbaler Entgleisung könnte in einem ansatzweise demokratischen Gemeinwesen jemals eine langjährige Haftstrafe rechtfertigen?