Protestsong für Katalonien: Er rüttelt sich, er schüttelt sich
Mit der passenden Musik geht demonstrieren gleich drei mal so gut. Die Katalanen haben ihren Hit gefunden: den Bi-Ba-Butzemann.
Jede soziale Bewegungen braucht ihren Song. Was den Vietnamkriegsgegnern „Blowin’ in the Wind“ von Bob Dylan war, ist den Katalanen, die für die Loslösung von Spanien mobil machen, ausgerechnet ein deutsches Kinderlied vom Anfang des 19. Jahrhunderts. Auf der Großdemonstration der Separatisten am vergangenen Sonntag tönte es an jeder Ecke: „Es tanzt der Bi-Ba-Butzemann“.
Laut gesungen wird nur der Refrain, und der klingt für katalanische Ohren wie ein „Viva Puigdemont!“ – einen Hochruf auf den von Madrid abgesetzten ehemaligen katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont. Der wartet momentan in Deutschland auf die Entscheidung, ob er nach Spanien ausgeliefert wird oder nicht.
Das Lied werde aktuell 120.000 mal am Tag aufgerufen, „im Sekundentakt kommen Kommentare rein“, erklären die Betreiber des YouTube-Kanals „Der Kinderlieder-Kanal“ auf Facebook. In den Kommentaren liefern sich Befürworter und Gegner der Unabhängigkeit Kataloniens heiße Wortgefechte. Der aktuelle Hype um das Lied, das seit nunmehr 200 Jahren vor allem in süddeutschen und schweizerischen Kinderstuben zum Repertoire gehört, wurde von einer Hörerin des katalanischen Radiosender RAC1 ausgelöst. Sie habe herausgefunden, warum die Deutschen Puigdemont mögen und sicher nicht ausliefern würden, erklärte sie – und verwies auf das Lied. Seither ertönt es immer wieder im Radio.
Die perfekte Symbolfigur für einen friedliebenden Anführer einer pazifistischen Bewegung – und als solche sehen sich die Katalanen selbst, und so haben sie sich bisher auch verhalten – ist der Butzemann freilich nicht. Das Lied erschien erstmals 1808, die Sage des Männchens mit dem Sack ist aber älter. Und das tanzende Männchen, das im heutigen Text den braven Kindern Äpfel bringt, war zuvor eher ein gehässiger Kobold, der Fehlverhalten hart bestrafte.
Empfohlener externer Inhalt
Doch wer lässt sich schon einen so guten Song von lästiger Kulturgeschichte kaputtreden? Die Katalanen jedenfalls nicht. Im Netz macht mittlerweile sogar eine Version mit katalanischem Text die Runde. Zu klassischem Gitarrenrock erklingt da das „Viva Puigdemont“.
Der Text ist allerdings nicht ganz so kindergerecht wie das deutsche Original: Auf die Frage, was Puigdemont denn wohl da im Säcklein trägt, heißt es: „Äpfel sind es nicht. Es sind ein Paar Eier.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen