piwik no script img

Spahns Schnelltest-PläneGesundheitsminister im Glück

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Jens Spahn hat sich beim Versprechen kostenloser Schnelltests zu weit aus dem Fenster gelehnt. Ein Zufall hilft ihm, den Fehler vergessen zu machen.

Bundesgesundheitsminister Spahn hat einen Fehler gemacht Foto: Kay Nietfeld/dpa

J ens Spahn ist einer der talentiertesten konservativen Politiker seiner Generation. Eloquent, anschlussfähig an verschiedene Milieus, biegsam, aber nicht so weit, dass er je als bloßer Karrierist gelten würde. Der Gesundheitsminister hat nun einen Fehler gemacht, den man im Tennis unforced error nennt. Ein Fehler aus Mangel an Lässigkeit, Selbstüberschätzung oder Mangel an Konzentration. Und zwar in einer spielentscheidenden Phase.

Spahn hatte vollmundig kostenlose Schnelltests für alle ab dem 1. März angekündigt. Wir wissen nicht, ob diese Ankündigung aus Hybris entstanden ist oder aus dem übermächtigen Wunsch, seinen Namen mit guten Nachrichten in den Schlagzeilen verbunden zu sehen. Die Kanzlerin und die LänderchefInnen haben den löchrigen Plan jedenfalls kurzerhand kassiert und vertagt.

Auch dumme Fehler passieren mal – aber die Toleranz dafür ist beim Thema Lockdown und Pandemie derzeit verständlicherweise nicht sonderlich ausgeprägt. Die Gesellschaft ist nervös, mürbe und entnervt. Das bislang solide Image der Regierung als fähige Krisenmanagerin ist seit den Irritationen bei der Impfbeschaffung ohnehin angekratzt. Einen effektiveren Zeitpunkt, um das Vertrauen in die Weitsicht der Regierung für alle sichtbar zu ramponieren, hätte Spahn kaum wählen können.

Die Tests würden übrigens, wenn ein Viertel der Bevölkerung zwei Mal pro Woche getestet wird, knapp eine Milliarde Euro kosten. Pro Woche. Und sie wären wohl mit einer fürstlichen Entlohnung der Apotheken verbunden. Das all den Selbstständigen am Rande des Bankrotts zu erklären, würde möglicherweise sogar die bewundernswerten rhetorischen Fähigkeiten des Gesundheitsministers an ihre Grenzen bringen.

Als Spahn am Mittwoch im Bundestag Rede und Antwort stehen musste, gab es aufmunternden Applaus von der Union. Bisher hatte der vor Selbstbewusstsein und Karriereplänen strotzende Minister solche Unterstützung eher selten nötig. Sein Bild als Macher müsste nun mehr als nur einen Riss haben. Doch Spahn hat Glück: Am Mittwoch winkten die Behörden drei Coronaselbsttests durch, die man schon bald beim Discounter wird kaufen können. Das eröffnet die Aussicht, preisgünstiger und ohne Apotheker-Aufschlag zu dem zu kommen, was alle wollen. Nämlich trotz der aggressiven Virus- Mutationen endlich einen Weg zu vorsichtigen Öffnungen zu finden.

Neben diesem glücklichen Zufall hat Spahn noch eine mächtige, äußerst hilfreiche Verbündete, auf die eigentlich immer Verlass ist: die Vergesslichkeit.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • "Die Tests würden übrigens, wenn ein Viertel der Bevölkerung zwei Mal pro Woche getestet wird, knapp eine Milliarde Euro kosten. Pro Woche. Und sie wären wohl mit einer fürstlichen Entlohnung der Apotheken verbunden. Das all den Selbstständigen am Rande des Bankrotts zu erklären, würde möglicherweise sogar die bewundernswerten rhetorischen Fähigkeiten des Gesundheitsministers an ihre Grenzen bringen."

    Natürlich ist das eine Stange Geld, aber als Freiberufler "nahe dem Bankrott", wäre mir jedes Mittel recht, damit wir unseren Beruf wieder ausüben können. Und da die Hilfen zwar gute Ansätze sind, aber a) nur partiell ankommen und b) das Infektionsgeschehen nicht beinflussen, ergo den Lockdown nicht beenden, ist das Geld in allgemein zugängliche Schnelltests um ein vielfaches besser investiert.



    Von den emotionalen Folgen der Isolation ganz zu schweigen, die mit ein paar Staatshilfen ebenfalls nicht aufgefangen werden können.

    @Interview von JS mit Slomka:



    War schon ein hartes Kreuzverhör, aber warum gar nicht privat testen besser ist als mit partiell falschen Ergebnissen zu testen (immer noch ein Großteil an korrekten Ergebnissen), will mir nicht einleuchten...

  • Interessanter Artikel, danke. Aber:

    "...aber nicht so weit, dass er je als bloßer Karrierist gelten würde. "

    "....der vor Selbstbewusstsein und Karriereplänen strotzende Minister..."

    Was denn nun? ?

  • Also, dass da jemand sein Bestes getan hätte möchte ich dann doch mal kurz bezweifeln.



    Die Corona-Veranstaltung ist eine Liste unglaublicher Inkompetenz auf allen politischen Ebenen. Im Verlauf des Jahres 2020 wurden mal eben ungefähr alle möglichen organisatorischen Versäumnisse abgearbeitet, die man sich hätte ausdenken können. Mit Beginn der etwa so sicher wie der nächste Sonnenaufgang vorhersehbaren "zweiten Welle" hätte mindestens eine vollständige Infektionserfassung einschließlich epidemiologischer Beurteilung, eine umfassende Vorbereitung digitaler Kommunikation im Bildungsbereich sowie für Homeoffice stehen müssen. Bei entsprechender Forcierung der Entwicklung und vor allem der Zulassung wären auch umfassend verfügbare Schnelltests durchaus möglich gewesen.



    Dass danach auch noch ein paar Menschen in Brüssel zu dumm waren um die Kosten des Infektionsgeschehens vernünftig mit den Kosten von Impfmöglichkeiten gegenzurechnen hat dem Ganzen dann das Sahnehäubchen aufgesetzt, und die Kirsche obendrauf sind jetzt die Volltrottel, die Astra Zeneca schlechtreden weil sie keine Statistik lesen können.



    Spahn ist nicht für alles davon zuständig, klar. War ja auch beschäftigt, der Mann. Musste sich ne Villa kaufen, von dem Kerl bei Gematic der sich jetzt mit dem nächsten Gesundheits-Digitalreförmchen die Taschen füllt. Zufälle gibt's.

    • @Brobdignag:

      Jens Spahn befürchtet halt, dass die Grünen an die Macht kommen und dann die Einfamilienhäuser verbieten. Dann schnell zuschlagen und sich noch eins sichern, bevor es ab September nicht mehr geht ;)

    • @Brobdignag:

      Das mit der Villa ist doch echt Schwachsinn..



      Warum soll JS denn soetwas nicht haben? Von mir aus kann er auch mehrere haben..



      Haben andere Politiker keine Immobilien?



      Ich habe immer so das gefühl, hier wird jeden Tag eine andere Sau des Schwulenhasses durch das Dorf getrieben..

      • @Rasmuss:

        Die Frage ist ja nicht "ob" und "welche Villa" sondern zu welchem Preis und von wem ...

      • @Rasmuss:

        Schwachsinn ? Äh nö. Bei einem Bundespolitiker werde nun mal andere Maßstäbe gesetzt.



        Es lohnt sich, sich mal auf anderen Webseiten diesbezüglich zu informieren.



        Und da fallen dann so Worte wie: Staatsanwaltschaft, Gerichtsurteil, Presse, Europarat, Transparenz etc.



        Was mich aber an allem besonders irritiert, ist der Vorwurf den Sie indirekt auf dem Schreiben vom



        Brobdignag machen: ...das des Schwulenhasses….. machen.

      • @Rasmuss:

        Sorry: mein Kommentar galt natürlich Rasmuss … und nicht @Brobdignag

      • @Rasmuss:

        Liebe*r @Brobdignag. Glauben Sie mir, die Community findet nicht jedes * toll. Ich erinnere nur an "Gays against Guido". Da erwarten wir schon mehr Empathie. Und Jens Spahn agiert nun gerade nicht besonders sensibel. Als Bundesminister hätte er mit einem solchen Immobilienkauf warten können, bis er - meinetwegen - Lobbyist eines Pharmaunternehmens ist. Von Politikern darf man getrost mehr Bodenständigkeit erwarten.

  • "Jens im Glück..." Ich gönne es ihm, er tut sein Bestes- das dies nicht immer das Optimale ist oder sein kann... ist auch klar.



    Fr Slomka hat ihn ja geradezu ins Kreuzverhör genommen gestern Abend im heutejournal. Und immer wieder die Frage, warum wir nicht früher... und immer wieder die Antwort " wir wollen Sicherheit, wissenschaftl. Genauigkeit"



    Fr Slomka sei erinnert: "In Deutschland wird es keine Revolutuon geben, weil das Betreten des Rasens verboten ist" ... und weil wir Deutschen vorher - eh wir den Rasen betreten - auch wissen wollen, ob die Revolution erfolgreich sein wird. Wenn möglich, schließen wir vorher noch eine Versicherung ab.



    Und das 2 Hindernis ist die Bürokratie, warum lernen wir nicht schneller... Tübingen, Rostock. Es geht doch... Also ich wünsche uns mehr Revolution und weniger Bürokratie. Ach und noch ne Frage, arbeiten die Gesundheitsämter eigentlich jetzt neuerdings auch am WoE? Ich hör nix mehr über verzögerte/ungenaue Inzidenz- Zahlen...

    • @Zeuge14:

      Ach und noch ne Frage, arbeiten die Gesundheitsämter eigentlich jetzt neuerdings auch am WoE? Ich hör nix mehr über verzögerte/ungenaue Inzidenz- Zahlen...

      oh, so schnell ändert sich die Bürokratie nicht....lediglich der Journalismus ist drauf gekommen nun jeweils - lediglich - die Vergleichszahlen des Vorwochenwochentages gross rauszustellen.



      Das ist jetzt das neue normal - ohne wirklich was zu ändern.



      In der Anschauung bringt es aber eine bessere Stabilität in unser Empfinden.