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Sozialunternehmen gegen BetriebsratLuxus für den guten Zweck

Das Berufsbildungswerk Bremen hat seinen Betriebsrat verklagt, weil der die teure Werder-Loge des BBW öffentlich ansprach. Dahinter steckt Kalkül.

Ganz so edel ist die Loge des Berufsbildungswerks nicht, 20.000 bis 40.000 Euro kostet sie trotzdem Foto: Emmanouil Kampitakis/CC

BREMEN taz| Wenn UnternehmerInnen Praktikumsplätze oder Arbeitsstellen für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung bereitstellen, liegt das eventuell daran, dass sie für mehr Chancengleichheit sorgen wollen – oder man ist schlicht überzeugt von der Qualität der neuen Beschäftigten.

Das Berufsbildungswerk (BBW) Bremen scheint diesen Beweggründen nicht ganz zu trauen: Das Sozialunternehmen leistet sich seit 2017 eine Loge im Weser-Stadion – als Marketingmaßnahme, heißt es. Man wolle hier Unternehmen als Partner für Praktika gewinnen. Zwischen 20.000 und 40.000 Euro pro Saison kostet eine solche Loge auf der Südseite laut Werder Bremen.

Die Logenpartnerschaft steht öffentlich auf der Werder-Homepage, im eigenen Betrieb jedoch wusste man von dieser Art des Marketings lange nichts. Als einige MitarbeiterInnen Anfang des Jahres Wind davon bekamen, sei die Stimmung schnell hochgekocht, erzählt die Betriebsratsvorsitzende Sabine Ehrenberg.

„Der Betriebsfrieden war gestört. Wir mussten reagieren“, erklärt sie. Über das Schwarze Brett informierte der Betriebsrat die Belegschaft über die Loge und kündigte an, die Geschäftsführung bei der nächsten Sitzung mit den Fragen der MitarbeiterInnen zu konfrontieren.

Die Geschäftsführung hat die betriebsinterne Veröffentlichung dieser öffentlich bekannten Tatsache als „Verstoß gegen die vertrauensvolle Zusammenarbeit“ und „diskreditierend“ eingestuft – dabei bleibt der Aushang recht sachlich: Der Betriebsrat informiert die MitarbeiterInnen über die geschätzten Kosten – und fragt, was der Sinn einer solchen Anmietung sei und durch wen die Loge eigentlich genutzt werde.

Bis heute hat sich das BBW gegenüber den MitarbeiterInnen nicht zur Loge geäußert. Mit der Klage hat die Geschäftsführung nun selbst für Öffentlichkeit gesorgt. Der Sinn erschließt sich erst auf den zweiten Blick: Die Geschäftsführung will eine Vorverurteilung des Betriebsrates über ein Feststellungsverfahren erreichen, um, so Arbeitgeber-Anwalt Friedhelm Keck, ihn beim nächsten Regelverstoß freistellen zu können.

Wenn wir in Zukunft irgendwas sagen, was Ihnen missfällt, würden wir eine Amtsenthebung riskieren

Sabine Ehrenberg, Betriebsrätin

„Wenn wir in Zukunft irgendwas sagen, was Ihnen missfällt, würden wir also eine Amtsenthebung riskieren“, fasste Ehrenberg während des Prozesses vor dem Bremer Arbeitsgericht am Donnerstag das Verfahren zusammen – und weigerte sich, über ein Schuldeingeständnis eine friedliche Einigung zu erreichen.

„Wir wären nicht mehr frei in der Ausübung unserer Rechte als Betriebsrat“, erklärt sie. Die Arbeitnehmervertretung tat gut daran, es auf ein Urteil ankommen zu lassen: Das Gericht entschied, es gebe kein begründetes Interesse an der Feststellung.

Der Versuch, eine Absetzung des Betriebsrates vorzubereiten, passt in eine lange Reihe von Klagen: Seit ihrem Bestehen im Jahr 1978 gab es laut dem ehemaligen Ausbildungsleiter Eckard Hasselmann 300 Prozesse zwischen Leitung und MitarbeiterInnen beziehungsweise Betriebsrat.

Auch die taz berichtete schon über die „Gutsherrenart“, die der Geschäftsführung von Teilen der Belegschaft vorgeworfen wurde – und über einen älteren Fall, bei dem der ehemalige Betriebsratsvorsitzende noch am Tag seiner Pensionierung ein Hausverbot bekam. „Eigentlich müsste man etwas tun, um dem Betriebsrat den Rücken zu stärken“, fordert Hasselmann.

Das BBW gehört zum Sozialverband Deutschland. Der sieht auf seiner Homepage „ein respektvolles, partnerschaftliches Miteinander und gegenseitige Wertschätzung“ als Grundlage seines Handelns – zum Bremer Berufsbildungswerk möchte sich der Verband aber auch eine Woche nach der ersten Anfrage nicht äußern, „bis das Arbeitsgerichtsverfahren endgültig abgeschlossen ist“ – schließlich sei das Urteil vom vergangenen Donnerstag noch anfechtbar.

Der Sinn einer Loge

Die Frage nach dem Sinn der Loge wurde im Prozess nur gestreift. Finanziert wird das Berufsbildungswerk aus Mitteln der Bundesagentur für Arbeit, monatlich rund 2.090 Euro hat das BBW 2017 für jeden ihrer etwa 500 Auszubildenden bekommen – die Kosten für die Loge umfassen also etwa die Erlöse, die durch ein bis zwei Azubis eingenommen werden. Prüfrechte zum Haushalt des BBW hat die Bundesagentur für Arbeit nicht.

Das BBW ist das einzige Sozialunternehmen, das bei Werder eine Loge mietet, neben zahlreichen Logistik-, Handels- und Bauunternehmen. Die Zahlen aber sprächen für die Maßnahme, so Anwalt Keck: In einem Jahr sei die Vermittlungsquote der Jugendlichen in andere Betriebe von 71 auf 80 Prozent gestiegen.

Hasselmann überzeugt das nicht. Nie habe es in der Vergangenheit Geschäftspartner gegeben, die über ein besonders repräsentatives Auftreten für die Kooperation gewonnen werden mussten, meint er. Gemeinsam mit dem ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden Michael Müller hat er am Montag Strafanzeige erstattet – wegen Veruntreuung öffentlicher Mittel. Der nächste Prozess kommt bestimmt.

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4 Kommentare

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  • taz mal wieder ein paar Tage zu spät. www.weser-kurier.d..._arid,1861408.html

  • Das sollte eh mal öfter hinterfragt werden. Da die Sozialunternehmen oft als "gemeinützige GmbH" konstruiert sind, dürfen sie keine Gewinne ausweisen. So werden dann die Ausgaben entsprechend erhöht, für teure Dienstwagen (nicht unbedingt ein Maseratti, wie es damals in der Berlin der Fall war) oder eben für eine Loge. Ob im Sozialbereich die "Privatisierung" wirklich ein Segen ist, darf man wohl bezweifeln.

  • Es hat schon mehr als ein Geschmäckle: Ein Bremer Sozialunternehmen, das BBW, mietet – für relativ viel Geld - eine Stadionloge beim SV Werder Bremen ohne das dies Betriebsintern zur Sprache kommt. Es ist auch klar, dass diese Loge nicht von den einfachen MitarbeiterInnen des BBW genutzt werden soll, sondern von der Geschäftsführung, welche sich dort mit Unternehmensbossen aus der Wirtschaft trifft, “Marketingmaßnahme mit repräsentativen Zweck“ nennt man das wohl; das schöne und angenehme hierbei: es kostet die Initiatoren dieser Loge – den Profiteuren – kein privates Geld. Das BBW Bremen speist sich zu einem großen Teil aus Geldern der Bundesagentur für Arbeit, somit aus öffentlichen Geldern.



    Wie so oft stehen nun jene am Pranger die diese Praxis (als reine Geldverschwendung) kritisieren; sie müssen um Job und Einfluss bangen und sollen zudem einen “Maulkorb“ bekommen.



    Dieses Gebaren – nach “Gutsherrenart“ – der Geschäftsführung des BBW Bremen gegenüber dem Betriebsrat sind nicht hinnehmbar.

  • "Sozial" verkaufen und sich selbst sozial verhalten sind unterschiedliche Dinge. Ich bin schon vor ein paar Jahren, als dem BR des BBW das Wort verboten wurde, aus dem SoVD ausgetreten. Nicht jeder Chef ist auch ein Souverän.