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Sozialpolitik in FrankreichAcht Milliarden Euro gegen Armut

Der französische Staatschef Macron will die Armut bekämpfen und legt einen Fokus auf Kinder. Arbeitslose sollen strengere Auflagen bekommen.

Spricht von einem „Aktivitätseinkommen“: Emmanuel Macron Foto: ap

Berlin taz | Der französische Präsident Emmanuel Macron hat einen 8-Milliarden-Euro-Plan gegen die Armut in Frankreich angekündigt. „Es geht nicht darum, ein bisschen besser in Armut zu leben“, erklärte er am Donnerstag in Paris. „Es geht darum, aus der Armut herauszukommen.“ Geplant sind unter anderem mehr Mittel für Kinderkrippen in benachteiligten Gemeinden und Hilfen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt, aber auch strengere Auf­lagen für Arbeitslose. Nach Angaben eines ­Regierungssprechers sollen die Mittel über den Zeitraum von vier Jahren ausgegeben werden.

Nach den Worten Macrons will die französische Regierung 50 Millionen Euro investieren, um allen jungen Leuten bis 18 Jahre entweder einen Schul- oder Ausbildungsplatz oder aber eine Arbeit zu ermöglichen. Die Pläne legen außerdem einen besonderen Fokus auf die Unterstützung für Kinder aus armen Familien, etwa bei der Betreuung oder durch Schulessen, die nur einen Euro kosten sollen. Schließlich dürfe Armut nicht länger „erblich“ sein, sagte der Präsident.

Ein wesentlicher Punkt seines Aktionsplan sind aber auch strengere Auflagen für Arbeitslose. Macron schwebt vor, verschiedene Sozialleistung zu einem „Aktivitätseinkommen“ zu bündeln und den EmpfängerInnen bestimmte Pflichten zur Arbeitssuche aufzuerlegen. Es sei „inakzeptabel, dass viele, die eine Arbeit aufnehmen könnten, es nicht tun“, erklärte Macron. In solchen Fällen müsse es Pflichten und Sanktionen geben.

Dem Staatschef wird vor allem von der linken Opposition vorgeworfen, ein „Präsident der Reichen zu sein“. Macrons Umfragewerte waren zuletzt abgerutscht, Meinungsforscher berichten immer wieder von Kritik an der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierung. Der Präsident hat seit seinem Amtsantritt im Mai 2017 zahlreiche Reformen auf den Weg gebracht, mit denen er die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Wirtschaft steigern will. Doch auch für dieses Vorhaben handelte sich Macron erneut scharfe Kritik der Opposition ein.

Laut dem Statistikamt Insee leben in Frankreich rund 8,8 Millionen Menschen unter der Armutsgrenze. Das entspricht rund 14 Prozent der Bevölkerung.

„Das ist das Ende des Wohngeldes und die Verpflichtung, eine miese Arbeit zu akzeptieren“, wetterte etwa der Abgeordnete Bastien Lachaud von der linken Partei La France Insoumise auf Twitter. Die konservativen Republikaner als größte Oppositionspartei warfen Macron vor, er setze allein auf „Metaphern“ und die „Magie der Worte“. „Wir ziehen eine Politik der Tat und der Ergebnisse vor“, twitterte Parteisprecherin Laurence Saillet.

Laut dem Statistikamt Insee leben in Frankreich rund 8,8 Millionen Menschen unter der Armutsgrenze. Das entspricht rund 14 Prozent der Bevölkerung. In Frankreich gilt als arm, wer über weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens verfügt, also über weniger als 1.026 Euro im Monat. (mit dpa, afp)

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42 Kommentare

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  • Emmanuel Hartz lässt grüßen, dieses läppische 8 Mrd. Paket ist nur die Tarnung, um arbeitslose und arme Menschen stärker unter Kontrolle zu bekommen, während es die Arbeitsplätze gar nicht gibt. Schlimmer noch, sie werden auch nicht entstehen, denn Frankreich weist keine hohen Wachstumsquoten auf, sondern entwickelt sich eher mittelmäßig. Es ist die typische Politik der Ratlosigkeit, die hier sehr deutlich wird, denn Macron hat keine Erfolg. Er hat keine echten Ideen für die Wirtschaft und für die Lösung von sozialen Problemen. Die Zahlen am Ende sind ja schon der Horror: 8,8 Mio. Franzosen sind schon verarmt oder kurz davor. Bei einer Bevölkerung von 66 Mio. ist das eine wirklich große Gruppe. Und für diese Menschen gibt es keine Hoffnung. Sie könnten Macron um die Ohren fliegne, da simmuliert er Aktivität und hinten rum betreibt er das Geschäft der Herrschenden und der Ultrareichen, die auch in Frankreich gut weg kommen - zu Lasten dieser Verarmten. Mit mehr Kontrolle wird zumindest eine gute Sache erreicht: Wir sind Macron wohl bald los. Holland schränkte Rechte von Arbeitnehmern ein und hatte keine echten Erfolge vorzuweise - hier wiederholt sich das Ganze. Sarkozy war auch ein Superflop, auch er scheiterte grandios. Fragt sich nur, wer in Frankreich wirklich Lösungen produzieren kann?

    • 8G
      82236 (Profil gelöscht)
      @Andreas_2020:

      Keiner, genauso wenig wie in Deutschland, wo die Armen zwar arbeiten, aber verhältnismässig genauso viel und genauso arm sind. Das Problem bei der Arbeitsbeschaffung in Frankreich ist die Demographie. Im Vergleich zu Deutschland ist die Geburtenrate höher und die Wachstumsrate niedriger, das führt zu einer höheren Jugendarbeitslosigkeit. Desweiteren ist in Frankreich die strukturelle Arbeitslosigkeit ein wichtiger Faktor, die Adresse und die Herkunft spielt bei der Arbeitssuche eine entscheidende Rolle auch bei diplomierten Bewerbern. Ein Franzose nordafrikanischer Herkunft aus dem Département 93 ( neuf trois) mit einem Hochschulabschluss hat wesentlich weniger Chancen einen festen Job zu bekommen als ein Franzose aus dem 16. Arrondissement von Paris mit einem gleichwertigen Hochschulabschluss. Die Arbeitslosigkeit unter den Franzosen mit europäischen Wurzeln ist nicht viel höher als in Deutschland.

  • Der französische Staatschef Macron möchte sich wohl jetzt als ein gelehriger Schüler von Gerhard Schröder zeigen und versucht es nun mit der deutschen Strategie, die als Erfolg gepriesen wird, denn er will jetzt ebenfalls das Hartz-IV-System in Frankreich übernehmen.

    Die Hartz Reformen in Deutschland führten allerdings nur zu Lohndumping und der Ausweitung des Niedriglohnsektors und nicht zu einem besseren Leben für arme Menschen. Im Gegenteil - Arbeitslose Menschen werden seit Jahren bei uns unter Androhung der Kürzung des Existenzminimums (Sanktionen) dazu gezwungen jeden Job anzunehmen. Bewusst wird in Deutschland seit der Agenda 2010 die Ausweitung des Niedriglohnsektors betrieben, um innerhalb Europas die Stellung als Exportweltmeister zu halten, was die übrigen europäischen Länder natürlich wirtschaftlich extrem unter Druck setzt.

    Man kann nur hoffen, dass in den Franzosen immer noch das Blut ihrer Vorfahren vom 14. Juli 1789 fließt und sie sich nicht mit einem französischen Zwangsarbeitsparagraphen in sämtliche Hilfsarbeiterjobs verfrachten lassen, so wie der deutsche Hartz IV Empfänger es nun schon seit Jahren mit dem § 10 SGB II über sich ergehen lässt.

  • Mit Frankreich gehts bergab, die Oberschicht versucht autoritär die Unzufriedenen ruhigzustellen, natürlich unter der Überschrift "Kampf gegen die Armut", also dem Gegenteil. Sonst würde die Revolution ja gleich losgehen. Hintergrund ist, dass Deutschland mit Hartz4 Sozialdumping und Merkantilismus betreibt und Frankreich mitziehen muss, um nicht komplett ausgesaugt zu werden. Dahinter wiederum steht jedoch, dass wir Peak-Oil überschritten haben und der Wohlstand schrumpfen muss (Minuswachstum). Die Oberschicht löst das Problem so, dass sie die Verluste auf alle aufteilt, nur nicht auf sich selber, das ist in den USA und Deutschland ja gleich. Die Folge ist, dass wir nicht gesteuert downsizen können, sondern dass unser soziales und kommunales Erbe noch monetarisiert wird, bevor die Wut so groß ist, dass auch die Oberschicht Federn lassen wird. Dann ist vermutlich kein Downsizing mehr möglich, sondern nur noch ein Crash.

    • @EricB:

      Ich glaube nicht, dass Frankreich Hartz-IV machen muss. Mit Sozialdumping stellt man keine hochwertigen Produkte her, schafft keine produktive Wirtschaft, man beutet aus, schafft ein Prekariat, das kaum konsumiert. Ich denke sogar, dass Deutschland massiv bei Hartz-IV drauf zahlt. Die entstehenden Kosten lassen sich ja nur schwer unter ein Wort oder Begriff bringen, aber wenn man es sehr genau nehmen würde, dann ist Hartz-IV sogar eine Kostenexplosion. Und Frankreich wird mit solchen Methoden noch viel mehr verlieren, weil die Wirtschaftsstruktur vielerorts noch schwächer ist als hier.

    • @EricB:

      "Mit Frankreich gehts bergab, ...."

      Ich bin momentan in Nordfrankreich. Da wüsste ich nicht, was da noch (mehr) bergab gehen könnte.

      • 8G
        82236 (Profil gelöscht)
        @Rolf B.:

        Bleiben Sie mit ihren Vergleichen doch lieber in Europa. Le déclin français ist ein neudeutscher Spleen und gehört zu den existentialen Ängsten, an denen sich das deutsche Gemüt so gern gruselig aufwärmt. Zeiten ändern sich und die schwarze Null ist auch nicht auf Ewig in Stein gehauen.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Monsieur Macron ist für mich der personifizierte Dualismus aus Wesen und Erscheinung. Eine telegene, freundlich wirkende Erscheinung verdeckt eine höchst unfreundliche und inhumanes Wesen. Vor vielen Jahren hörte ich mal den Begriff 'Charaktermaske'.

    Zum Glück nutzen sich Fassaden schnell ab. Je aufmerksamer und klüger die Beobachter, desto schneller entlarvt sich die substanzlose Glätte. Seine Spache ist verräterisch, wenn er schwadroniert, es ginge nicht darum "besser in Armut zu leben". Würg!

    Deutlicher und zynischer kann ein Politiker nicht zeigen: es geht nicht um die Bekämpfung der Armut, sondern der Armen. Der Schulterschluss mit Merkel trägt - faule - Früchte.

    Das Leben besteht aus Nehmen und Geben. Mal übernimmt man sich, mal übergibt man sich. Uoahhh!

  • Mich würde mal interessieren, was z.B. die Grünen nun zum "Darling der deutschen classe politique" (R. GUTSCHE) sagen. Die haben ihn doch quasi wie einen Messias gefeiert.



    Ich vermute, jetzt bewundert ihn dieses Milieu in aller Stille.

    • @Rolf B.:

      Die Frage finde ich lustig.



      Gibt es bei anderen Parteien offizielle Stellungnahmen zu einzelnen Politikern? Finden vielleicht sogar Abstimmungen statt wo man dazu die Hände hebt zur Frage „Xyz ist bla Blabla“?

      • @Rudolf Fissner:

        Die Frage ist nicht lustig, sondern Ihre Bemerkungen. Offensichtlich haben Sie nicht mitbekommen, wie insbesondere die Grünen nach der Wahl von Macron mit seinem Namen hausieren gingen. Und auch SPD Schulz vermeldete stolz: "Ich habe mit Macron telefoniert", was bedeuten sollte, dass er Kontakt zum "Messias" hat. Das ist Ihnen also alles entgangen. Sind denn nur noch auf Destruktion aus?

    • @Rolf B.:

      Warum sollten die Grünen nicht begeistert sein? Schließlich steht das städtische Ökobürgertum auch hier fest zur Agenda 2010.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Ich dachte immer, Sozialdarwinisten sind nicht die Guten. :-)

        • @Rolf B.:

          Wenn sich der durchschnittliche Grünen entscheiden muss, ob er für Arme oder Amöben eintreten soll, wählt er die Amöben.

  • Hartz IV en francais, Teil wasweißich. Es war von anfang an klar, weil öffentlich kommuniziertes Ziel von Macron, Frankreich weiter neoliberal umzubauen. Die Agenda 2010 ist da le grand Vorbild - mit diesem gewaltigen Subventionsprogramm hat Deutschland schließlich die Lohnstückkosten zu Lasten der Arbeitnehmer so weit gesenkt, dass die europäischen Mitbewerber nieder konkurriert werden und dt. Unternehmen in der “Krise“ so manchen ehemaligen, nun am Boden liegenden Konkurrenten aufkaufen konnten. In puncto Griechenland hat man sich quasi eine ganze Volkswirtschaft einverleibt. Zumindest alles was profitabel ist.



    Sowas will Frankreich natürlich auch!

    Schade, dass auch die taz damals überwiegend (!) in den Macron-Taumel eingestimmt hat. Nur weil er sagt, dass er die EU ganz töfte findet. Ist logisch, um die französische Wirtschaft zu sanieren, braucht er ja auch den europäischen Handelsraum.

    Eine EU, die sowohl in den Zentren, aber auch in der Peripherie ihre Kinder frisst.

  • Der Regierungssprecher Benjamin Grivaux erklärte gestern, "8 Milliarden über 4 Jahren". Ein Teil vom Geld entspricht Hilfe, die es früher schon gab. Also höchstens 2 Milliarden jährlich. Gegenüber (sieh unten), ein jährliches 3,2 Milliarden Geschenk für die Reichsten. Der TAZ-Bericht und der Titel fehlen an kritischem Blick, wie oft, wenn es um Macron geht. Der Wunderboy ist eine Mischung von Schröder und Blair, dazu strotzt er von Arroganz und ist schon ziemlich abgenutzt, wie sein Vorgänger und ehemaiger Arbeitsgeber Hollande. Er ist zum grössten Teil zufällig gewählt worden, mal durch Wähler, die Le Pen unbedingt nicht wollten aber seine Politik kaum unterstützen oder einfach verweigern, ob durch konservative Wähler, dessen Spitzenkandidat sich selbst disqualifizierte, indem er seiner Ehefrau Jahrelang eine Scheinstelle verschaffen hatte. Er hat keine Basis und seine ultraliberale wirtschaftliche und Sozialpolitik vertieft die Krise. Das schlimmste ist noch zu kommen.

  • Maaßen, die Gemeinde kommentiert, Dreiwettertaft... Hier mal etwas Konkretes, die aufrechten Kommentatoren schlaf(f)en noch, Dreiwettertaft...

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Gerhard Krause:

      Gemach, gemach.

      Jegliches/ Jeglicher hat seine Zeit ...

  • Steuerstreik der Fat Cats

    Der jüngsten Studie der französischen Steuergewerkschaft zufolge verliert der französische Fiskus durch Steuerhinterziehung der Fat Cats inzwischen jährlich über 100 Mrd. €, das sind 20 Mrd. mehr im Vergleich zur letzten Erhebung vor 5 Jahren. Das entspricht 150 % des gesamten Einkommenssteueraufkommens. Die ONG Oxfam kommt bei Ihren Schätzungen auf 80 Mrd. und Tax Justice Network auf 200 Mrd. (hier die Betrügereien bei den Sozialabgaben des Arbeitgeberanteils eingerechnet). Damit ließe sich nicht nur das Haushaltsdefizit von 82 Mrd. € locker ausgleichen, sondern auch noch die 18 Mrd. €, die für den ökologischen Umbau eingestellt sind. Die Ursache dieses Defizits ist mithin nicht etwa das soziale Lotterleben der Unterschicht, sondern die Virtuosität der Oberschicht, den Staat zu bescheißen. Dazu paßt, daß unter Macron 3100 Stellen bei der Steuerfahndung gestrichen wurden. ("Marianne" von heute)

    Es hat sich also bewahrheitet, was im Wahlkampf alle Spatzen von den Pariser Dächern pfiffen. Nicht nur für die Kandidaten des linken Lagers Hamon und Mélenchon ist der Banker und Millionär und Darling der deutschen classe politique der Mann des pro-europäischen Großkapitals. Sogar der Präsident der Mitte-Rechts-Partei MoDeM François Bayrou sah ihn so: „Hinter Emmanuel Macron stehen große Finanzinteressen, die unvereinbar sind mit der für diese politische Funktion erforderliche Unparteilichkeit. Wir haben es hier mit einem Versuch zu tun, wie er schon mehrfach von verschieden Finanz- und anderen Interessengruppen unternommen wurde, die sich nicht damit begnügen, im Besitz der wirtschaftliche Macht zu sein...“ („Derrière Emmanuel Macron il y a des grands intérêts financiers incompatibles avec l’impartialité exigée par la fonction politique . Il y a là une tentative qui a déjà été faite plusieurs fois par plusieurs grands intérêts financiers et autres, qui ne se contentent pas d’avoir le pouvoir économique.... „ im Sept. 2016 gegenüber BFM.TV)

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Reinhardt Gutsche:

      Auch von mir der Dank für diese hilfreichen Hinweise über Details ud Fakten, zu deren Suche meine mässig ausgeprägte Selbstdisziplin nicht ausreicht. :-)

    • @Reinhardt Gutsche:

      Prima Gegenüberstellung! Danke.

    • 8G
      82236 (Profil gelöscht)
      @Reinhardt Gutsche:

      Bonne analyse. Aber Vorsicht bei François Bayrou. Nachdem er Macron so vehement kritisiert hatte, hat er sich kaufen lassen. Macron hat Bayrous bedeutungsloser Partei Modem bei den Parlamentswahlen einige Wahlkreise geschenkt, indem er keinen En Marche Kandidaten aufstellen liess. Dadurch hat der Modem offiziell eine eigene Fraktion, ist aber in Wirklichkeit eine Blockflöte des En Marche Systems. Bayrou war neben dem Ex Umweltminister Hulot auch Macrons grösste Trophäe. Er ist dann aber schon nach ein Paar Wochen als Justizminister zurückgetreten wegen einer Parteispendenaffäre und wurde durch meine ehemalige Chefin Nicole Belloubet ersetzt.



      Journalisten haben ausgerechnet, dass trotz des Armutsplans Macron verhältnismässig weniger für Soziales in seiner Amtszeit ausgeben wird als...Nicolas Sarkozy.



      Die Augenwischerei lässt sich an einer konkreten Massnahme beschreiben. Macron will künftig bedürftigen Kindern das Essen in der Kantine für einen € spendieren. Es gibt aber bereits Hilfen, die es sozialschwachen Eltern ermöglichen gar nichts für die Schulkantine zu bezahlen. Der Bürgermeister von Toulouse hat diese Massnahme, die alle Hilfsorganisationen auf den Plan gerufen hat, bereits im Primarbereich umgesetzt. Für bedürftige Familien ist das eine Mehrbelastung von 5€ pro Woche für jedes Kind.



      In Wirklichkeit zielt Macrons Sozialplan darauf ab, Geld einzusparen, indem die verschiedenen Hilfen zu einer einzigen gebündelt werden und die Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger besser zu überwachen und zu massregeln. Zu den Zahlen, die Sie hier angeben, möchte ich noch eine hinzufügen. Der Betrug an Sozialleistungen beträgt 250 Millionen€ in Frankreich, damit lässt sich das Haushaltsloch natürlich nicht stopfen, aber es ist ein demagogisches Argument gegen sogenannte Faulenzer und Profiteure, die aus der ganzen Welt kommen und den Franzosen das hart erarbeitete Baguette wegfuttern.

      • @82236 (Profil gelöscht):

        François Bayrou, der Königsmacher

        Zitat @Jörg Engelhardt: „Aber Vorsicht bei François Bayrou.“

        Complètement d‘accord. Seine hier zitierte ohne Zweifel zutreffende politische Einsortierung Macrons vom Sept. 2016 hatte François Bayrou später bekanntlich nicht daran gehindert, noch vor dem ersten Durchgang der Präsidentschaftswahlen mit seiner Mitte-Rechts-Partei MoDem letztlich wahlentscheidend zu den Macronisten überzulaufen, wohl auf ein warmes Ministerpöstchen wenn nicht gar auf den des Regierungschefs hoffend. Dieses Manöver war das Ergebnis einer der auch in Paris üblichen Hinterzimmerkungeleien und nicht eines innerparteilichen demokratischen Meinungsbildungsprozesses an der Parteibasis. Bayrou brachte ein Wählerpotential für den ersten Wahlgang von immerhin mehr als 6 % auf die Waage, ohne die es Macron wohl nie in die Poolposition und damit in die 2. Runde gegen Le Pen geschafft hätte. Bayrou war mithin der Königsmacher.

        Zum Ministerpräsidenten hatte es als Dank zwar nicht gereicht, aber immerhin zum Justizminister im Rang eines Staatsministers. Aber schon nach vier Wochen waren die Ministerträume ausgeträumt: Ausgerechnet der Justizminister stolperte über eine Justizaffäre, die illegale Parteifinanzierung durch fiktive Jobs beim EU-Parlament. Jahrelang wurde seine persönliche Sekretärin am Pariser Parteisitz des MoDem aus dem Aufwandsentschädigungsfonds von Marielle de Sarnez als Abgeordnete des Europaparlaments bezahlt. (vgl. „Marianne“,‎ 8.6. 2017, „Le Parisien“ 8.6.2017). Sie gilt als Bayrous rechte Hand und war kurzzeitig unter der Regierung Philipe 1 Europaminister, verzichtete wegen dieser Affäre aber auf ein Ministeramt in der Regierung Philipe 2. Immerhin reichte es noch für den Vorsitz des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten der Nationalversammlung.

        Übrigens gehörte zu den wichtigsten Wahlversprechungen Macrons, mit dem Pariser Parteien-Establishment und seinem Ämterschacher und Finanzgekungel gründlich aufzuräumen...

      • @82236 (Profil gelöscht):

        "In Wirklichkeit zielt Macrons Sozialplan darauf ab, Geld einzusparen, indem die verschiedenen Hilfen zu einer einzigen gebündelt werden und die Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger besser zu überwachen und zu massregeln."

        Eben eine französische Variante von Harz IV.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @82236 (Profil gelöscht):

        Danke für solche konkreten Beispiele. Sie sind selbstredend.

  • Macron macht genau das, was die damalige rotgrüne Regierung mit der Agenda 2010 erreichen wollten, nämlich die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer machen. Schon längst war geplant, analog zum deutschen Hartz IV ebenfalls ein Zwangssystem einzurichten, um den Billiglohn zu etablieren. Die Macronsche Armutsbekämpfung ist Augenwischerei und nur Vorwand für eine weitere soziale Destabilisierung.

    • @Rolf B.:

      Absolut richtig! Wie bei uns – Augenwischerei und immer noch viel mehr Reichtum für die Reichen.

      "„Es geht nicht darum, ein bisschen besser in Armut zu leben“"



      Soll das ein Witz sein?!



      Es geht ganz klar darum, die meisten Menschen in Armut zu halten, bzw. sie in miese Jobs an|unter der Armutsgrenze zu zwingen.

      (Verschwörungstheoretische Deutungen bitte so kurz wie möglich formulieren. Danke, die Redaktion.)





      Armselig.



      Das ist – wie bei uns in D – weder sozial noch umweltgerecht, denn die Ausbeutung von Mensch und Natur schreitet fort und fort und fort…



      Was soll das?



      Warum halten alle still?

      ^^Und ganz klar sind natürlich die Arbeitslosen "schuld" daran, dass es keine einigermaßen menschenwürdig bezahlten Jobs (mehr) gibt – wer denn sonst-.^^

       

       

      • 9G
        99337 (Profil gelöscht)
        @Frau Kirschgrün:

        Ich weiß natürlich nicht, was Sie in dem zensierten Teil geschrieben haben, aber zumindest auf Deutschland und Hartz IV trifft der Satz vor der Kürzung nachweislich zu.

        Das Absurde: Will man heute (nicht nur als Linker) vernünftig über Hintergründe und komplexe Zusammenhänge informiert werden, kann man nicht mehr Zeitungen lesen, sondern muss Kabarett schauen.



        www.youtube.com/watch?v=fR4KXILpYUQ

        Mit einer spitzen Zunge könnte man also Hartz IV als Verschwörung bezeichnen.



        Die komplette Sendung ist noch in der Mediathek des ZDF zu finden.



        Zur Ehrenrettung des Journalismus: Die Inhalte der Sendung werden von Journalisten recherchiert - es geht also wenn man es denn will. Die Quellenangaben findet man ebenfalls auf der Internetseite.

        • @99337 (Profil gelöscht):

          Herzlichen Dank für diesen Link! Diese Sendung war mir glatt entgangen. "Die Anstalt" erweist sich tatsächlich immer wieder mal als hervorragendes Navi durch das Irrenhaus, welches unser Land leider mittlerweile ist. Das zeigt was Journalismus eigentlich zu leisten in der Lage wäre, wenn ....

          • 9G
            99337 (Profil gelöscht)
            @LittleRedRooster:

            Gern!

            Allerdings muss man sagen, dass in der Sendung ein, wie ich finde, relevanter Aspekt nicht zur Sprache kommt.

            Ursprünglich hatte die Hartz-Kommission weitaus höhere Sätze vor Alg-Empfänger vorgeschlagen, die dann aber von der rot-grünen Regierung weitaus tiefer angelegt wurden.



            Nicht nur die an dem Schaubild abgebildete Frau von der Gewerkschaft, sondern auch Peter Hartz zeigen sich rückwirkend alles andere als begeistert von der Umsetzung der ursprünglichen Pläne. Hartz selbst sieht sich heute als Sündenbock, der mit seinem Namen für etwas herhalten muss, dass er so nicht wollte - sicherlich nicht völlig zu Unrecht.

            Übrigen cooler Nickname, den Sie da haben. Lieber Rolling Stones, Howlin' Wolf oder die London-Session von beiden zusammen?

  • Macron der Präsident der Reichen? Ein Fake

    Zitat: „Dem Staatschef wird vor allem von der linken Opposition vorgeworfen, ein „Präsident der Reichen zu sein“.

    Dem widerspricht vehement Frankreichs Ex-Präsidenten Francois Hollande: Auf die Frage des Fernsehmoderators Yann Barthès in der TMC-Sendung „Quotidien“ vom 25. April 2017 „Ist Macron der Präsident der Reichen?“ lautete die prompte Antwort: „Das ist nicht wahr. Das ist der Präsident der SEHR Reichen.“ („Macron est-il le président des riches ? Et François Hollande répond du tac au tac : "Ce n'est pas vrai. C'est le président des TRÈS riches.", Quelle: Le Figaro, 25.04.2017)

    • @Reinhardt Gutsche:

      Köstlich! Danke für diesen Beitrag, made my day! :-)

    • @Reinhardt Gutsche:

      Es ist kein Fake, dass er das Arbeitslosengeld zu bedingtem Almosen macht und verkürzt, nachdem die quasi-erste Massnahme im Amt das Abschaffen der Vermögensteuer war. Dann kam der Abbau des Arbeitsgesetzbuch, der er als Minister Hollandes unter Diktat und unter Beifall vom Arbeitsgeberverband schon ziemlich weit geführt hatte.



      Bitte vergleichen: Ertrag der abgeschaffener Steuer 4 Milliarden, die von den 351 000 Besitzern eines Vermögens über 1,3 Millionen € bezahlt war, ersetzt von einer neuen Immobiliensteuer mit 850 Millionen € Ertrag und nur 150 000 Steuerzähler, also ein 3,2 Milliarden Geschenk für die Reichsten, mit den paar Millionen, die jetzt zwischen 8,8 Millionen "Armen" zu verteilen sind.



      Quellen aus zwei wirtschflichen Zeitungen:



      www.alternatives-e...imer-lisf/00082510



      www.lesechos.fr/ec...macron-2119468.php

    • @Reinhardt Gutsche:

      Korrektur:



      Es muß jeweils heißen "25. April 2018"



      Sorry

  • Wow, sicherlich schon wieder das Land einen kleinen Ruck in Richtung Rechts gegeben, "pima". Welch grandioses Talent der Politik.



    Wie wäre es einmal mit einem Mindestlohn von 3.000 Euro brutto, nein, besser netto...

    • @Gerhard Krause:

      "Wie wäre es einmal mit einem Mindestlohn von 3.000 Euro brutto, nein, besser netto..."

      Danke Gerhard Krause!

      Auch für die Macrons! Also die TRÉS riches!

      Egalité!

  • „Aktivitätseinkommen“

    Das ist also der angepeilte Name für das französische Harz IV. Und 2 Mrd. € pro Jahr für die Armen? Das sind ja fast 6% der Ausgaben fürs Militär. Da werden sich die Armen aber freuen. Natürlich nicht so sehr wie die Wohlhabenden (Unternehmenssteuern 33,33% ---> 25%, Kapitalertragssteuer 50% ---> 30% ect.).

    PS: Die Angabe 8 Mrd. liegt auf der Linie die üblichen Irreführungen. Dadurch dass der Betrag für einen längeren Zeitraum genannt wird, soll der Anschein erweckt werden, es fließt viel Geld.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      "Das ist also der angepeilte Name für das französische Harz IV"



      Stimmt. Frau Oer hat Rosabrillen. Früher war das Arbeitslosengeld die Gegenleistung der Beiträge der Arbeitsnehmer und der Arbeitsgeber, das war also ein Recht. Jetzt wird es allmählich zu Almosen mit öffentlichem Geld und viele Bedingungen und Zwänge. Der arbeitslose wird als fauler bezeichnet und die Idee verbreitet, das er seinem Los schuldig ist, dass er eine "Fürsorgeempfänger" ist. Und, wie Macron es ausdrücklich erklärt hat "kosten die Sozialhilfe unheimlich viel Geld".

      • @Eulenspiegel:

        Sehr richtig, Till.