Sozialkürzungen in Großbritannien: Stress mit den eigenen Leuten
Die britische Labour-Partei setzt sich bei der Kürzung von Heizkostenzuschüssen für Rentner durch. Doch es gibt Widerstand gegen die Sparpolitik.
Der Zuschuss der seit 1997 an alle, zuletzt 11,4 Millionen Renter:innen ausgezahlt wurde, ist seit Mittwoch nahezu abgeschafft, da Labour den Antrag über dazu mit 348 gegen 228 Stimmen gewann. Nur noch 1,5 Millionen der ärmsten britischen Rentner:innen erhalten nun diesen Zuschuss, wenn sie Sozialhilfe beziehen.
Schuld der Tories?
Neben den Grünen, Liberaldemokrat:innen, Konservativen, SNP-Abgeordneten und Reform-UK Abgeordneten, stimmten ganze 53 Labourabgeordnete nicht für die Entscheidung, mit der Finanzministerin Rachel Reeves einen Teil des Loch von 22 Milliarden Pfund stopfen will (umgerechnet 26,1 Mrd Euro), dass die Konservativen angeblich hinterlassen hätten.
Mit den nicht mehr gezahlten Zuschüssen spart die Labour Regierung nun 1,2 Mrd Pfund. Zahlreiche Hilfsorganisationen, darunter die Rowntree Foundation, hatten gewarnt, dass die fehlenden Zuschüsse viele ältere Menschen im Vereinigten Königreich buchstäblich kalt erwischen würden.
Arbeits-und Rentenministerin Liz Kendal sagte vor dem Unterhaus, dass die Entscheidung keine wäre, die sie ursprünglich gewollt hätten. Vielmehr sei die Verschwendung von Staatsressourcen durch die Torys schuld daran, meinte Kenda, und bezeichnete die jetzige Maßnahme als Teil des verantwortungsvollen Umgangs mit dem Geld von Steuerzahler:innen.
Zieht man von den 53 Labour-Abgeordneten, die nicht mit ihrer Fraktion stimmten, jene ab, die wegen Amtsgeschäften bei der Abstimmung entschuldigt waren, bleiben an die 40, die sich aus politischen Gründen ihrer Stimmen enthielten bzw. wie der Labourabgeordnete Jon Trickett, der ehemalige Schattenminister für Kommunen unter Jeremy Corbyn, sogar dagegen stimmten. Trickett sagte, es sei für ihn eine Entscheidung, die über Leben und Tod bestimme. Dass lediglich Trickett gegen Labour stimmte, während sich alle anderen einfach enthielten, ist der einzige Erfolg Starmers.
Unabhängige und Corbyn-Anhänger gegen Starmer
Die meisten der Labour-Enthaltungen kamen vom linken Flügel der Partei, viele aus dem Schattenkabinett des ehemaligen Labourchefs Jeremy Corbyn, etwa von Diane Abbott, und Clive Lewis, ehemalige Schattenminister unter Corbyn.
Über die Labourabgeordneten hinaus stimmten zehn unabhängige Abgeordnete gegen Labour. Zu ihnen zählt das von Ex-Labourchef Jeremy Corbyn angeführte neue fünfköpfige Bündnis der Independent Group, welche größtenteils aus einzelnen Abgeordneten besteht, die als propalästinensische Vertreter ins Parlament gewählt worden waren.
Ebenso enthielten sich fünf von sieben im Juli suspendierten Labour-Abgeordnete, die am Anfang der Starmer-Regierung für das Ende der Begrenzung der Kindersozialhilfe auf maximal zwei Kinder pro Haushalt gestimmt hatten, und dafür gleich aus der Fraktion ausgeschlossen wurden.
Unter ihnen befinden sich zwei weitere Personen aus Corbyns Schattenministerium, John McDonnell und Richard Burgen, sowie Zarah Sultana, Apsana Begum und Ian Byrne. Die anderen beiden suspendierten Labourabgeordneten, Rebecca Long-Bailey und Imran Hussein enthielten sich der Stimme. Alle sieben gehören der Socialist Campaign Group an, dem sozialistischen Flügel Labours.
Zukünftiger Widerstand vorprogrammiert
All diese Politiker:innen könnten der Labourführung auch in Zukunft zunehmend Probleme bereiten, denn die Abschaffung der Heizkostenzuschüsse ist angeblich erst der Anfang einer Reihe von bisher noch nicht genannten schwerwiegenden Maßnahmen. Sie sollen im neuen Finanzhaushalt am 30. Oktober angekündigt werden, und für eine stabile Wirtschaft sorgen sollen, indem sie das unerwartete Finanzdefizit ausgleichen.
Doch Kritik kam Dienstag nicht nur vor links. Zahlreiche konservative Abgeordnete und der Abgeordnete Richard Tice von der rechten Reform UK Partei kritisierten, dass Labour bisher streikenden Zugfahrer:innen, die Löhne in Höhe von zwischen umgerechnet 71.000 und 83.000 Euro haben, eine Lohnerhöhung von 15 Prozent gewährte, während man Rentner:innen mit viel weniger Ressourcen Gelder streichen würde.
Die Maßnahme wird auch aufgrund der Tatsache, das Menschen im Rentenalter die zuverlässigsten Wähler:innen sind, von manchen als politisch riskant angesehen. Inwiefern die Starmer-Regierung all dies handhabt bleibt abzuwarten. Laut einer YouGov Umfrage vom 3.September ist Starmers Popularität seit der Wahl von 44 Prozent auf 35 Prozent gefallen.
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