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Sozialisten gewinnen Wahl in PortugalAbsolute Mehrheit für Rot

Portugals Sozialisten erringen die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament. Seine linken Verbündeten braucht Regierungschef Costa nun nicht mehr.

Triumphiert: Portugals sozialistischer Regierungschef António Costa nach seinem Wahlsieg Foto: dpaArmando Franca dpa AP

Madrid taz | Deutlicher können Umfragen nicht daneben liegen als bei den vorgezogenen Neuwahlen in Portugal am Sonntag. Anstatt einem vorhergesagten Kopf-an-Kopf-Rennen mit seinem konservativen Herausforderer Rui Rio bescherten die Urnen dem sozialistischen Regierungschef António Costa eine absolute Mehrheit im Parlament. Künftig wird er nicht mehr auf die Unterstützung kleinerer Parteien von links angewiesen sein. Erstmals, seit er 2015 die Konservativen mit ihrem von der EU aufgezwungen Sparkurs ablöste, wird Costa schalten und walten können, wie er will.

Die Sozialistische Partei des alten und neuen Regierungschefs holte 41,7 Prozent der Stimmen und 117 der 230 Sitze, acht Abgeordnete mehr als noch vor zwei Jahren. Die konservative Sozialdemokratische Partei (PSD) kam auf nur 27,8 Prozent und 71 Sitze, acht weniger als 2019. Die rechtsextreme Chega, die bisher nur einen Vertreter hatte, wurde mit 7,1 Prozent und 12 Sitzen drittstärkste Kraft im Parlament.

Die beiden linken Parteien, die bisher Costas Minderheitsregierung unterstützten, das kommunistisch-grüne Bündnis CDU und der Linksblock (BE), erzielten 4,4 und 4,5 Prozent und erhielten fünf und vier Angeordnete. Der BE hatte bisher 19, das Bündnis CDU 12 Abgeordnete. Die Wähler und Wählerinnen straften die Linke dafür ab, dass sie den Haushalt Costas im vergangenen Herbst nicht unterstützt hatten und dadurch Neuwahlen nötig werden ließen.

Costa könnte beim amtlichen Endergebnis in den kommenden Tagen noch zulegen. Denn das Ergebnis für vier Parlamentssitze, die von den 1,5 Millionen Auslandsportugiesen vergeben werden, steht noch aus. Die Wahlbeteiligung lag bei 58 Prozent und damit trotz Covid-Pandemie, die auch Portugal mit Omikron fest im Griff hat, knapp zehn Punkte höher als 2019.

„Dies ist der Sieg der Bescheidenheit, des Vertrauens und für die Stabilität“, rief der Wahlsieger seinen jubelnden Anhängern in der Wahlnacht zu. Hinter ihm liegen sechs Jahre schwieriger Minderheitsregierung. 2015 hatte er ein Regierungsprogramm mit den Linksparteien ausgehandelt und wichtige Maßnahmen aus der Zeit der Austerität zurückgenommen. Mindestlohn, Renten und Gehälter im öffentlichen Dienst stiegen, wenn auch langsam. Steuern für Familien mit niedrigem Einkommen wurden gesenkt, Besserverdienende mussten mehr abführen.

Das wirkte sich positiv auf den Konsum und damit auf die Binnennachfrage und die Wirtschaftsentwicklung aus. Die Arbeitslosigkeit sank. Portugal verließ den Rettungsschirm der EU früher als erwartet. Bei seiner Wiederwahl 2019 legte Costas PS deutlich zu, blieb aber immer noch unter der absoluten Mehrheit. Costa baute auf wechselnde Mehrheiten, bis er vergangenen Herbst am Haushalt scheiterte.

„Viele Portugiesen unterschiedlicher Anschauungen haben sich den Sozialisten angeschlossen, weil sie glauben, dass wir in diesem Moment die Partei sind, die Stabilität garantieren kann“, erklärte Costa. „Eine absolute Mehrheit ist nicht die absolute Macht, heißt nicht alleine regieren, sondern ist die Verantwortung, für alle Portugiesen zu regieren.“ Allen Parteien im Parlament – mit Ausnahme der rechtsextremen Chega – hat er Dialog angeboten.

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9 Kommentare

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  • 9G
    91491 (Profil gelöscht)

    Das freut mich - Gratulation!!



    Die 7,1 % für die Chega sind ärgerlich.

    "Allen Parteien im Parlament – mit Ausnahme der rechtsextremen Chega – hat er Dialog angeboten."



    So geht man mit der Extrem Rechten um.



    Und nicht wie hier,der AfD bei jeder Gelegenheit Plattformen und Gespräche anzubieten.

  • Ich freue mich immer, wenn es in Europa noch Parteien gibt, die sozialdemokratisch denken und handeln und dann noch die entsprechenden Stimmen zum Alleinregieren bekommen. Wenn Sozialdemokraten sich nicht vom Neoliberalismus leiten lassen, können sie immer noch erfolgreich sein. Trotz Austeritätspolitik der EU, die sicherlich zum Niedergang der Sozialdemokratie in Europa beitrug.

    • @Rolf B.:

      Eine echte sozialdemokratische Politik ist auch in Deutschland sofort mehrheitsfähig. Die macht halt bloß keine Partei in diesem Land.

  • "Seine linken Verbündeten braucht Regierungschef Costa nun nicht mehr"



    Eine Partei, die an die Regierung will, akzeptiert Koalitionspartner höchstens als „Plan B“, wenn sie nicht sicher ist, es allein zu schaffen. Anderenfalls bringt eine Koalition nur Nachteile, insbesondere wegen der meist hinderlichen Koalitionsdisziplin. Doch nun kam alles anders, d. h., die „Mohren“ haben ihre Schuldigkeit getan, sie können gehen.



    Wahrscheinlich hätte Herr Scholz bei entsprechendem Wahlergebnis genauso gehandelt und die „Ampel“ hätte am Tag nach der Wahl eine große Zukunft HINTER sich gehabt!

    • 0G
      05989 (Profil gelöscht)
      @Pfanni:

      Ich glaube nicht, dass das clever ist. Der Hauptgrund, dennoch eine Koalition zu bilden, ist die Außenwirkung, der integrative Impetus, die Vertretung Aller.

      Zweitens sichert es Entscheidungen, wo es Widerstand in den eigenen Reihen gibt, besser ab.

      Dabei ist das drittens relativ risikolos, weil ja die eigenen Stimmen rein theoretisch immer reichen, um den Widerstand in der Koalition zu brechen - und mit Austritt kann sie nicht drohen.

      Es ist eher so, dass es eine Gefahr ist ist für die freiwillig Koalierten - um nicht zu sagen Gekaperten.

      Wenn's aber klappt, dann kann man die politische Frontlinie für Jahre, wenn nicht Jahrzehnte verschieben.

  • Offensichtlich gibt es in Europa noch Regierungen, die es als ihren Auftrag verstehen, für die Mehrheit der Bürger ihres Landes zu arbeiten und die dies auch leben. Und die Menschen erkennen das und wählen entsprechend. Das stimmt hoffnungsvoll. Schön.

    • 0G
      05989 (Profil gelöscht)
      @abraxas:

      Ich würd' das anders formulieren: Es gibt in Europa noch Völker - also wenigstens das eine - , die sich mit Mut und Verstand eine Politik wählen, die ihnen dient!

      Das durfte man lange auch den Franzosen unterstellen - bis sie anfingen zu glauben, dass die deutschen Autos besser sind als die französischen. Seitdem mutiert die Marseillaise zur Mailaise.. ;)

  • Ein Beweis, dass echte sozialdemokratische Politik funktioniert und vom Wähler mehr als akzeptiert wird.

  • Schön!