Soziale Arbeit: An der Belastungsgrenze

Hamburger Beschäftigte in der Sozialen Arbeit sind besonders überlastet. Das zeigt eine Studie von Ver.di und der Hochschule Fulda.

Kinder der Hamburger Kita Jenfelder Au verlassen ihr Gebäude für einen Ausflug

Endlich wieder Regelbetrieb, wenn auch mit Maske: Hamburger Kita an der Jenfelder Au im August 2020 Foto: Ulrich Perrey/dpa

BREMEN taz | Die Lage war schon lange Zeit nicht gut, im Laufe der Corona-Pandemie hat sie sich nur noch verschärft: Hamburger Beschäftigte in der Sozialen Arbeit sind im bundesweiten Vergleich besonders häufig an der Grenze der Belastbarkeit. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Gewerkschaft Ver.di und der Hochschule Fulda.

Darunter würden nicht nur die Beschäftigten leiden: „Trotz vorhandener Finanzkraft ist es in einer Stadt wie Hamburg nicht möglich, Angebote für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt mit notwendigen Fachkräften zu belegen“, beklagt der Hamburger Sozialarbeiter Volkhard Cruse. „Dies führt zu einer prekären Situation für Beschäftige und vor allem für die Bürgerinnen und Bürger, die auf Unterstützung angewiesen sind“, sagt er.

Bundesweit wurden über 8.200 Beschäftigte der Sozialen Arbeit befragt, die zum Beispiel in Kitas, Jugendämtern oder der Suchthilfe arbeiten. Das Ergebnis: Fast die Hälfte der Befragten nimmt wahr, dass die Nachfrage nach Sozialer Arbeit seit 2020 gestiegen ist und 82 Prozent von ihnen geben an, dass Probleme sich durch die Pandemie verschärft haben und komplizierter geworden sind.

Zudem habe es mehr Inobhutnahmen wegen häuslicher Gewalt in Familien gegeben, damit sei auch die Arbeitsbelastung der Inobhutnahmestellen und Jugendämter gestiegen. Auch mehr Obdachlose und suchtkranke Menschen gebe es.

Burn-Out droht

Ver.di veröffentlichte zusätzlich zu der Studie Zahlen, die explizit Angaben von mehr als 230 Hamburger Beschäftigten widerspiegeln. Diese gaben an, dass ihre eigene Leistungsfähigkeit abgenommen hat, laut der Studie ist das ein Symptom eines sich entwickelnden Burn-Outs.

So arbeiteten mehr als 63 Prozent von ihnen an ihrer Belastungsgrenze – mehr als im Bundesschnitt, der bei unter 60 Prozent liegt. Rund 48 Prozent der Hamburger Beschäftigten gaben an, dass es eine gestiegene Nachfrage nach Angeboten gebe, knapp 79 Prozent berichten, dass die Problemlagen ihrer Kli­en­t*in­nen komplexer geworden seien.

Nach Aussage der Gewerkschaft seien die Folgen in Hamburg schon jetzt spürbar, viele Beschäftigte seien deshalb aus den sozialen Berufen abgewandert. Auch wenn dazu keine Zahlen vorliegen, bestätigt auch die Hamburger Sozialbehörde ein Problem: Derzeit sind etwa 550 Stellen allein im Bereich der Kindertagesstätten unbesetzt.

Wir gehen von einem wesentlich höheren Fachkräftemangel in Hamburg aus, da zum Beispiel nicht alle Einrichtungen ihre unbesetzten Stellen der Behörde melden“, sagt Michael Stock von Ver.di Hamburg.

Mehr als 77 Prozent der Befragten wollen nicht bis zur Rente in der Sozialen Arbeit tätig bleiben

Im November 2020 wurde die Studie schon einmal bundesweit durchgeführt. Damals gaben die Befragten an, dass ihre Arbeitsbelastung einerseits durch den gestiegenen Bedarf an ihrer Arbeit zugenommen hat, andererseits aber auch, weil Kol­le­g*in­nen ausfielen, da sie entweder zur Risikogruppe gehörten oder selbst Corona hatten.

Die Hälfte der Befragten schätzte ihre Arbeitsbedingungen schlechter ein als vor der Pandemie. Erschwerend kam hinzu, dass 15 Prozent der Befragten keine Schutzausrüstung tragen konnte, um sich vor einer Ansteckung mit dem Virus zu schützen.

Zwei Jahre später hat sich die Situation also kaum verbessert. Zwar mussten in Hamburg wegen Überbelastung oder Personalmangel noch keine Einrichtungen schließen. „In den Hamburger Kitas aber gibt es massive Einschränkungen und zu wenig Personal, um einen sinnvollen Betrieb zu haben“, sagt Stock. Und die Aussicht ist weiter düster: 77 Prozent gaben an, nicht bis zur Rente in der Sozialen Arbeit tätig bleiben zu wollen.

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