Sozialdemokraten und Freihandel: SPD meutert gegen Ceta
Der Parteilinke Miersch empfiehlt, gegen das EU-Abkommen mit Kanada zu stimmen. Damit bringt er Obergenosse Gabriel in die Bredouille.
Damit wird wahrscheinlicher, dass der kleine Parteitag am 19. September in Wolfsburg Ceta abschmettert. Dabei gilt es als Blaupause für den noch umstritteneren Vertrag mit den USA, TTIP. Von Ceta hängt womöglich auch die politische Zukunft von Parteichef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ab. Wenn die Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern am 4. September und Berlin am 18. September für die SPD schiefgehen und dann Ceta gegen Gabriels erklärten Willen in Wolfsburg floppt, ist sein Anspruch auf die Kanzlerkandidatur kaum noch durchzusetzen.
„Wir führen Politik ad absurdum, wenn sachliche Kritik sofort mit der Frage verknüpft wird, Gabriel ja oder nein“, sagt Miersch zur taz. Und übt in seiner Analyse Fundamentalopposition an entscheidenden Teilen des Abkommens.
Beispiel Investitionsschutz. Auf Drängen Gabriels und der EU-Kommission hatte sich die neue kanadische Regierung unter Premier Justin Trudeau dazu bereit erklärt, den bereits fertigen Text neu zu verhandeln. Aus den von vielen als intransparent empfundenen privaten Schiedsgerichten, vor denen Konzerne Staaten verklagen können, wenn deren Entscheidungen Gewinne schmälern, wurde so ein öffentlicher Schiedsgerichtshof mit Berufungsmöglichkeit.
Investitionsschutz umstritten
Dennoch empfiehlt Miersch, den Investitionsschutz „gänzlich“ aus Ceta „zu streichen“. Dass ausländische Konzerne laut Vertrag eine „gerechte und billige Behandlung“ genießen sollen, könnten diese dazu nutzen, das Gesetzgebungsrecht von Staaten einzuschränken. Bernd Lange, auch in der SPD und Chef des Handelsausschusses im Europäischen Parlament, war in seiner Ceta-Analyse zu einer gegenteiligen Einschätzung gekommen. Der Gerichtshof sei ein „großer Fortschritt“.
Auch in der Frage der gesetzgeberischen Kooperation zwischen der EU und Kanada kommen die SPD-Granden zu unterschiedlichen Urteilen. Ceta schaffe eine Vielzahl von Sondergremien, „deren Zusammensetzung höchst fraglich“ sei, kritisiert Miersch. Vor allem im „gemischten Ceta-Ausschuss“ sieht er „eindeutig eine Einschränkung des Gesetzgebungsrechts der Parlamente“. Dem Gremium, das über künftige Handels- und Investitionsregelungen beraten soll, erhalte „judikative und legislative Befugnisse“. Lange hingegen betont, es tage nur „auf freiwilliger Basis und ohne bindende Wirkung auf parlamentarische Entscheidungen“.
Neben Mierschs Unterbezirk Hannover haben sich inzwischen auch die SPD-Landesverbände Bayern und Bremen sowie die Jusos gegen Ceta positioniert, auch an der Parteibasis ist das Abkommen unbeliebt. „Trotz der Verbesserungen – wir wollen was anderes“, sagt Juso-Chefin Johanna Uekermann. Sie begrüßt das Miersch-Papier, will damit aber auch nicht den Parteichef demontiert sehen: „Ceta ist eine Sachfrage. Personalfragen muss man davon lösen.“ In der Partei erinnern sich viele noch mit Horror an den hitzigen SPD-Konvent 2015, als es um die Vorratsdatenspeicherung ging.
Lange sagt, er wolle Ceta in Wolfsburg nicht „mit Hurra-Patriotismus durchwinken“. In der SPD gilt als möglich, dass das Abkommen mit Auflagen empfohlen wird. Dann müsste Gabriel auf neue Verhandlungen mit Kanada drängen.
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