Sozialbericht 2024: Ungleichheit wächst
Zwar steigen Löhne und Vermögen in Deutschland – die Ungleichheit aber auch. Das geht aus dem am Mittwoch veröffentlichten Sozialbericht 2024 hervor.
Die reichsten 10 Prozent der Haushalte in Deutschland verfügen demnach über 56 Prozent des Vermögens in Deutschland, heißt es in dem 444-seitigen Bericht. In Sachen Ungleichheit zählt Deutschland damit zu den Spitzenreitern im europäischen Vergleich.
Vor allem Erbschaften und Schenkungen seien ein wichtiger Grund, weshalb sich Vermögensunterschiede über Generationen hinweg zementieren. „Vor allem Menschen mittleren Alters haben von diesen intergenerationalen Vermögenstransfers profitiert“, sagte bei der Vorstellung des Berichts Philip Wotschak vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB).
Lücke zwischen Ost und West schließt sich kaum
Zwischen Ost und West sind die Unterschiede weiterhin groß. Ostdeutsche Haushalte besitzen im Durchschnitt nur 150.900 Euro Nettovermögen im Vergleich zu 359.800 Euro im Westen. Das Nettovermögen ermittelt sich aus Sach- und Finanzwerten abzüglich Kredite und anderer Verbindlichkeiten. In den letzten zehn Jahren hat sich diese Lücke kaum geschlossen.
Derweil sind insbesondere Alleinerziehende, Menschen mit Hauptschul- oder ohne Berufsabschluss, Menschen in Ostdeutschland sowie mit Einwanderungsgeschichte von Armut bedroht. 16 Prozent der bundesdeutschen Haushalte liegen unter der Armutsrisikoschwelle. Bei jungen Menschen zwischen 20 und 29 sind es sogar rund 22 Prozent. Fast jede vierte Person im Alter zwischen 60 und 79 Jahren in Ostdeutschland ist von Armut bedroht.
Alarmierende Zahlen
Der Sozialbericht, der früher Datenreport hieß, untersucht seit 1995 die Lebensverhältnisse in Deutschland. Er kombiniert amtliche Statistik mit Erkenntnissen der empirischen Sozialforschung. Das Statistische Bundesamt gibt ihn zusammen mit dem WZB, dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung und dem Sozio-ökonomischen Panel heraus.
Angesichts dieser strukturellen Ungleichheiten warnt Thomas Krüger von der Bundeszentrale für politische Bildung, welche den Bericht veröffentlicht, vor einer zunehmenden sozialen Polarisierung in der Gesellschaft. Auch die sinkende Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie in Deutschland weise darauf hin, dass diese sich in einer Stresssituation befinde, so Krüger. „Die Zahlen sind alarmierend, in den letzten Jahren ist ein deutlich negativer Trend zu erkennen.“
Neben den Themen Ungleichheit und Einkommensverteilung beschäftigten sich die Sozialwissenschaftler:innen auch mit Fragen wie Arbeitsmarktpotenzialen, Kinderbetreuung, der Lebenssituation von Migrant:innen, und den Sorgen der Menschen in Deutschland. „Gerade nach den Wahlergebnissen in den USA, in denen der Wahlkampf hochemotional und selten sachlich geführt wurde, ist fundierte empirische Evidenz unabdingbar“, so Nicola Fuchs-Schündeln, Präsidentin des WZB.
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