Sondierungsgespräche in Berlin: Enteignung setzt SPD unter Druck
Die nächste Koalition muss eine klare Linie zum Enteignen-Volksentscheid haben. Die Glaubwürdigkeit der SPD steht auf dem Spiel.
D erzeit läuft ein politisches Ritual: Alle im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien außer der AfD reden miteinander, wie eine künftige feste Zusammenarbeit aussehen könnte. Die Sondierungen gehen dabei nicht nur von der SPD aus, auch zweit-, dritt- usw. -platzierte Parteien treffen sich. Nach außen hin wird diese Offenheit untereinander als demokratische Tugend verkauft, obwohl einige Gespräche eher Pro-Forma-Charakter haben.
In allen wichtigen Runden jedoch dürfte der Umgang mit dem Enteignen-Volksentscheid eine zentrale Rolle spielen. Denn jede künftige Koalition braucht dafür einen gemeinsamen Kurs, selbst wenn der nur darin bestehen sollte, das klare Ergebnis pro Enteignungen zu ignorieren.
Je linker die Parteien sind, desto schwerer dürfte ihnen das fallen – schließlich ist es ebenfalls eine demokratische Tugend, die Meinung des Souveräns, also der Berliner*innen, zu achten. Insbesondere für die SPD ist die Situation verzwickt: Zahlreiche Mitglieder haben die Ziele der Initiative unterstützt; Spitzenkandidatin Franziska Giffey hingegen hat sich klar dagegen ausgesprochen.
Entscheiden sich Giffey und die Partei für eine Koalition mit den Enteignungsgegnern CDU und/oder FDP, wäre auch jedem SPD-Mitglied klar, dass der Entscheid auf keinen Fall umgesetzt beziehungsweise das nicht mal ernsthaft versucht würde. Innerparteilich dürfte das zu massiven Spannungen führen.
Mit Grünen und Linken zusammen müsste die SPD zumindest ernsthaft daran arbeiten, einen rechtssicheren Enteignungs-Gesetzentwurf zu entwickeln. Ob das am Ende gelingt, ist offen. Es aber gar nicht zu versuchen, würde die Partei zudem – und das völlig zu Recht – der Empörung der Mietenbewegung und vieler Mieter*innen aussetzen.
Das kann sich die SPD, die zuletzt ihre soziale Ader betonte, nicht leisten. Am Ende könnte also der Enteignungs-Volksentscheid mit seinem klaren Ja auch entscheiden, welche Koalition aus dieser Abgeordnetenhauswahl hervorgeht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Bestürzung und erste Details über den Tatverdächtigen
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen