Solidarität in der Corona-Panademie: Müller nimmt Milliardäre ins Gebet
Der Bundesentwicklungsminister findet, Superreiche sollten in der Krise finanzielle Hilfe leisten. An Weihnachten meldet das RKI 25.533 Corona-Neuinfektionen.
BERLIN/KIEL/FRANKFURT epd/rtr/dpa | Die obersten Repräsentanten von evangelischer und katholischer Kirche in Deutschland haben zu Zuversicht in der Corona-Pandemie aufgerufen. Gerade in Krisenzeiten sei die christliche Weihnachtsbotschaft ein Symbol der Hoffnung, erklärten der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, am Donnerstagabend in einem von der ARD im Ersten ausgestrahlten ökumenischen „Wort zum Heiligabend“.
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) dagegen belässt es nicht bei tröstenden Worten zu den Festtagen. Er fordert konkret eine finanzielle Beteiligung von Milliardären zur Überwindung der Corona-Krise. „In der Krise machen die Digitalkonzerne und die Finanzwirtschaft riesige Gewinne, während die kleinen Geschäfte in unseren Innenstädten unter der Corona-Krise leiden“, sagte Müller den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Er fände es angemessen, „wenn sich superreiche Krisengewinner jetzt freiwillig an der Finanzierung der Krisenbewältigung beteiligen“.
Der CSU-Politiker fügte hinzu, allein Amazon-Chef Jeff Bezos sei in den vergangenen Monaten um mehr als 70 Milliarden Dollar reicher geworden. „Das Nettovermögen von Mark Zuckerberg stieg an einem einzigen Tag teilweise um acht Milliarden Dollar“, fügte er hinzu. Er schlage vor, dass Milliardäre in einen Solidaritätsfonds einzahlen, etwa bei den Vereinten Nationen. Sie könnten aber auch direkt die globale Impfplattform Covax oder das Welternährungsprogramm unterstützen. Als Beispiel nannte Müller die Stiftung von Bill und Melinda Gates.
Sieben-Tage-Inzidenz sinkt auf 188,8
Unterdessen hat das Robert-Koch-Institut (RKI) 25.533 Corona-Neuinfektionen in Deutschland binnen 24 Stunden gemeldet. Damit weist das RKI am ersten Weihnachtsfeiertag rund 8200 weniger neue Fälle aus als am Freitag vor einer Woche, als mit 33.777 Neuinfektionen der bisherige Höchstwert registriert wurde. Allerdings weist das Institut darauf hin, dass während der Feiertage und zum Jahreswechsel mit weniger Tests und Laboruntersuchungen sowie weniger Übermittlungen von Erregernachweisen durch die Gesundheitsämter zu rechnen sei. Weitere 412 Menschen starben, die positiv getestet wurden.
Die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz sinkt auf 188,8 von zuletzt 196,2. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen positiv getestet wurden. Bund und Länder streben zur Virus-Eindämmung einen Wert von 50 an. Insgesamt sind nun 1.612.648 Ansteckungen und 29.182 Todesfälle bestätigt. Als genesen gelten rund 1.206.200 Menschen. Am Sonntag soll mit ersten Impfungen begonnen werden und zwar in Alten- und Pflegeheimen und bei den über 80-Jährigen.
Hoffnung ruht auf unterschiedliche Vektorimpfstoffe
Der Corona-Impfstart wird nach Einschätzung des Kieler Infektionsmediziners Prof. Helmut Fickenscher die Epidemie jedoch vorerst nicht beeinflussen. „Dies liegt daran, dass wir einfach viel zu viele Leute zu impfen haben und noch längere Zeit nicht genügend Impfstoff zu Verfügung haben werden“, sagte Fickenscher der Deutschen Presse-Agentur. Er ist Direktor des Instituts für Infektionsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) und Präsident der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten.
Unklar sei, so Fickenscher, wann Impfstoffe im ausreichenden Maßstab vorhanden sein werden. „Je mehr Impfstoffe auf den Markt kommen und zugelassen werden, desto mehr Chancen gibt es für eine schnellere und breitere Anwendung“, sagte der Experte. Und gerade die unterschiedlichen Vektorimpfstoffe, also genbasierte Impfstoffe, und auch die neuen Lebend-Impfstoffe nach dem Vorbild der Ebola-Vakzine hätten das Potenzial, in wesentlich größerem Umfang auch in Arztpraxen fürs Impfen verwendet werden zu können. Der jetzt zugelassene erste Impfstoff von Biontech/Pfizer sei wegen der Lagerung bei minus 70 Grad für die Anwendung in Arztpraxen kaum geeignet.
Dass die unter anderem in England aufgetretene Mutation des Coronavirus die Wirksamkeit der Impfstoffe stark beeinträchtigen könnte, dieses Risiko sieht Fickenscher eher nicht. „Bisher gibt es dazu keine konkreten Erkenntnisse. Man kann aber aus vielen unterschiedlichen Überlegungen daraus schließen, dass diese leichten Veränderungen die Antigen-Eigenschaften des Impfstoffs hier nicht verändern und der Schutz dadurch unverändert erhalten bleibt“.
Eine glückliche Corona-Entwicklung 2021 hängt laut Fickenscher davon ab, ob die weitgehende Durchimpfung der Bevölkerung – seien es nun 60 oder 80 Prozent – in dieser Größenordnung gelingt. „Der kritische Punkt ist, dass diese Durchimpfung vor dem kommenden Winter abgeschlossen ist, bis in den Bereich Oktober. Dann hätten wir gute Chancen, dass die Pandemie uns im kommenden Winter 2021/22 im Großen und Ganzen in Ruhe lässt. Das wäre das ganz wesentliche Ziel. Ob es realistisch ist, bleibt derzeit noch offen. Das kann man noch nicht richtig beurteilen.“
Vor Ostern rechnet Fickenscher, der auch die Landesregierung berät, nicht mit deutlichen Lockerungen der Corona-Auflagen. „Vielleicht können einige Branchen vorher schon wieder öffnen.“ Aber eine relevante Lockerung im Alltag erwarte er erst, wenn es deutlich wärmer wird. „Daher wünsche ich mir zu Weihnachten, dass der Frühling warm und frühzeitig beginnt.“
Auf die Frage, welche Hausaufgaben die Bürger zu machen hätten, antwortete Fickenscher: „Die wesentliche Hausaufgabe für uns alle ist, die Regeln so gut wie möglich zu befolgen: Kontakte zu vermeiden, wo es nur geht und alle weiteren Regeln, die wir alle jetzt schon sehr, sehr gut kennen, einfach wirklich sehr ernst zu nehmen. Das schützt uns alle insgesamt.“ Impfen sei „einfach die Strategie für die Zukunft und da können wir uns allen sehr die Daumen drücken, dass das möglichst schnell vonstatten gehen kann.“
Zwei Drittel wollen sich impfen lassen
Etwa zwei Drittel der Deutschen wollen sich laut einer Umfrage gegen das Coronavirus impfen lassen. In der Erhebung des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur gaben 32 Prozent der Befragten an, sich so schnell wie möglich impfen lassen zu wollen. Weitere 33 Prozent sind zwar ebenfalls dazu entschlossen, wollen aber trotzdem erst einmal mögliche Folgen der Impfung bei anderen abwarten. 19 Prozent haben sich gegen eine Impfung entschieden, 16 Prozent sind noch unentschlossen.
Eine deutliche Mehrheit von 57 Prozent hat aber auch Angst vor Nebenwirkungen der Impfung. Nur ein Drittel hat solche Befürchtungen nicht. 10 Prozent machten dazu keine Angaben.
Nach der YouGov-Umfrage steigt die Impfbereitschaft kontinuierlich mit dem Alter. Von den 18- bis 24-Jährigen wollen sich 54 Prozent impfen lassen, von Menschen über 55 sind es dagegen 71 Prozent. Auch bei den Wählern der AfD liegt sie mit 51 Prozent deutlich niedriger als bei den Anhängern aller anderen im Bundestag vertretenen Parteien. Besonders hoch ist sie bei den Grünen-Wählern mit 82 Prozent.
Leser*innenkommentare
Hartz
Eine neue Neiddebatte!
...
tomás zerolo
@SCHNURZELPU mag Milliardär*innen.
Musk hat vermutlich Grips im Kopf. Gates [1] nicht so sehr, er war nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort und war geschäftlich hinreichend... enthemmt. Die Quandts? Grips im Kopf?
Ach, @SCHNURZELPU. Sie sollten weniger Regenbogenpresse lesen. Oder Heldencomics. Ich weiss nicht, was es ist, aber es wirkt sich schlecht aus.
[1] Und nein, das, was seine Stiftung gegen Malaria tut finde ich eher gut -- mit der falschen Ideologie dahinter.
Bolzkopf
Wird das hier jetzt zur Clickbait-Kolummne ?
Headline geht um Solidarität der Reichen.
80 % des Artikels ranken sich um Inzidenz und Impfungen.
"Sie glauben nicht, was die Wissenschaft kürzlich festgestellt hat: lyricstranslate.co...stellt-lyrics.html"
satgurupseudologos
milliardäre sind schon als solche für die gesellschaft und insbesondere für die demokratie äusserst schädlich und sollten nicht toleriert werden.es muss vermögensobergrenzen geben.
die verfluchte marktwirtschaft die man leider nicht ganz abschaffen kann wird auch ohne milliardäre funktionieren und sich ohne diese als ein übel erweisen das leichter eingedämmt werden kann
4813 (Profil gelöscht)
Gast
Ach die Milliardäre sind nicht das ganz große Problem, das sind Leute mit Grips im Kopf. Siehe Bill Gates, Musk etc.
Das richtige Problem sind die vielen Millionäre, die Makler, Autoverkäufer, Schönheitschirurgen, Drogenhändler und sonstigen Gestalten, die uns betrügen und keine Kultur haben und kein Benehmen.
Die mit ihrem Reichtum protzen müssen, weil sie kleine Wichte sind.
Die ruinieren die Welt.
satgurupseudologos
@4813 (Profil gelöscht) soziale ungleichheit ist per se schlecht und die ursache aller übel
sie zu begrenzen ist die wichtigste staatliche aufgabe
das gilt sogar dann wenn der reichtum nicht wie meistens durch moralisch verwerfliche für die gesellschaft schädliche aktivitäten erworben wird
ab einer gesetzlich festzulegenden vermögensobergrenze sollte jede weitere wirtschaftliche aktivität verboten sein
bei erreichung der vermögensobergrenze soll geprüft werden ob das vermögen auf moralisch verwerfliche weise erworben oder verwendet wurde.
ist dies der fall so soll eine vollständige enteignung erfolgen
ist dies nicht der fall so gilt ab der erreichung der vermögensobergrenze ein verbot weiterer wirtschaftlicher aktivitäten und ein verhaltenskodex,der sicherstellt,dass das vermögen im interesse der gesellschaft verwendet wird
bei verstoss gegen diesen verhaltenskodex erfolgt automatisch die enteignung
Hartz
Das ist die Vorstufe zur Enteignung!
Andreas J
@Hartz Die armen Milliardäre. Wenn das Volk enteignet wird indem einer Elite eine solche Anhäufung von Reichtum gewährt wird, ist es ok? Keine Gesellschaft brauch Milliardäre.
Hartz
@Andreas J Leistung soll sich wieder lohnen!
Und unser auf Leistung basierendes Wirtrschftssystem hat das kommunistische Ost-System klar besiegt und von dieser Erde getilgt. Es ist jetzt auf dem Müllhaufen der Geschichte!
So weit mal zu den Tatsachen.
Andreas J
@Hartz Das ist kein Beweis für seine Richtigkeit. Wenn der Kapitalismus so weiter macht liegt er auch bald auf dem "Müllhaufen der Geschichte".
Was hat "Leistung soll sich wieder lohnen" mit der zunehmenden Konzentration von Reichtum auf wenige zu tun? Spekulieren ist keine Leistung.
Weidle Stefan
Ich will von den „Milliardär:Innen“ keinen Cent gespendet, aber dass ihre Unternehmen für das was sie hier verkaufen und die Infrastruktur die sie dabei nutzen, ihre Steuern bezahlen. Es kann nicht sein, dass meine Gemeinde die Bücherei schließt, um eine Kreisstraße am Hang aufwendig zu sanieren, wenn der LKW Verkehr sie wieder in wenigen Jahren zertrümmert.
uwe
Liebe TAZ,
meint Ihr wirklich nur Milliardäre?
Oder doch eher Milliardär/*Innen?
taz.de/taz-Podcast...ternchen/!5725229/
Samvim
Nein - Herr Müller hat keinen einzigen Milliardär "ins Gebet genommen" (Warum eigentlich so religiös liebe taz?). Er hat eine völlig folgenlose Forderung in den Äther geblasen, an deren Erfüllung er selbst nicht glaubt. Die meisten Milliardäre dürften von seiner Äußerungen nicht mal etwas wissen...
Ria Sauter
Gast
Ach, wie niedlich ist das denn!
Sicherlich werden jetzt alle Reichen in sich gehen und spenden.
Martin Ristl
Frau Janovich, wollen Sie mit Ihrem Kommentar etwa Konzerne wie Amazon, Facebook und Co. gegen den Appell von Herrn Müller in Schutz nehmen? Vermutlich brauchen die Ihren Schutz nicht, denn sie verdienen in der Krise wirklich blendend und sparen EU-weit ganz legal irre Summen an Steuern. Sie können sich ja gern die Aktienkurse anschauen - ein Grund, weshalb Jeff Bezos und Marc Zuckerberg reicher werden ;)
Man könnte sie schon als 'Krisengewinnler' bezeichnen. Da schadet es sicherlich nicht, wenn man ihnen ihre Verantwortung etwas näherbringt. Deshalb: Daumen hoch für Gerd Müller. Auch wenn wenig Hoffnung besteht, dass die Adressaten auf den Entwicklungminister hören:
Würden die internationalen (Tech-)Riesen einen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten, unter dessen Dach sie ihre astronomischen Umsätze (und Gewinne!) generieren, wäre eine Vermögenssteuer vielleicht gar nicht nötig - zumal ihr ohnehin eine eher psychologische Wirkung attestiert wird. Denn unter'm Strich bringt die Vermögenssteuer v.a. die Vermögenden ins Ausland.
Und über Arbeitnehmerrechte wie die betriebliche Mitbestimmung, z.B. bei amazon, und über die Folgen für den lokalen Einzelhandel reden wir vielleicht ein andermal.
Nina Janovich
@Martin Ristl Nee aber wenn Deutschland endlich die unter Schröder komplett abgeschaffte Vermögrnssteuer wieder einführt klingelt die Staatskasse schon mal ordentlich und hat D auch ein besseres Standing sich aktiv für die inder EU längst geforderte Steuerreform stark zu machen die dann eben jene Konzerne dort zur Kasse bittet wo sie Gewinne machen. D ist in der EU bislang Bremser dieser Steuerdebatte...
Usch Bert
@Nina Janovich die Aussage suggeriert dass die Steuer auf Schröders Initiative abgeschafft wurde. die Steuer war schlicht verfassungswidrig. so das Bundesverfassungsgericht
Gerhard Krause
@Usch Bert Schön, wenn man seine eigene Geschichtsschreibung betreiben kann, oder?!.. Ich helfe Ihnen und der Wahrheit einmal etwas auf die Sprünge: die Besserstellung von Immobilien(vermögen) stieß auf.
Sie müssen sich indes keine Sorgen machen. Die INSM (lang: Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft) ist wohl voll auf der Seite der Besitzenden. (Ich setze das "wohl" in den Satz, damit die Gewissheit mehr nach Meinung riecht.)
Nina Janovich
Statt mit Spendenappelle an internationale Milliardäre Weihnachtsstimmung zu machen sollte sich Müller lieber für die Vermögenssteuer in Deutschland stark machen.
Ajuga
@Nina Janovich Der ist CSU, der wird gar nichts machen außer fruchtlosen Appellen, die er sich als PR gutschreiben kann.
C-Parteien halt. Jesus würde sie aus dem Bundestag peitschen.
Gerhard Krause
@Nina Janovich Ich bin dabei, insbesondere auf exponierte Immobilien. Die kann man schlecht einpacken und mitnehmen. .. Aber, jedenfalls meiner Meinung nach, ist es wohl sowieso zu spät, die Fehler der Vergangenheit korrigieren zu wollen.
Hartz
Gerd Müller von der CSU
- der Kommunist!