Sohn des letzten Schahs: Kronprinz oder Figur der Vergangenheit
Reza Pahlavi will den Iran regieren. Bei den Monarchie-Fans in Iran dürfte das Nostalgie auslösen. Für viele andere im Land gilt er als Spalter.

Reza Pahlavi, 64, Sohn des letzten Schahs Mohammad Reza Pahlavi, lebt seit der Revolution von 1979 im US-amerikanischen Exil. Während ihn seine Anhängerschaft nach wie vor als „Kronprinz“ feiert, blieb er für viele Iraner:innen seiner Generation politisch irrelevant. Jahrzehntelang verkörperte er vor allem das, was Monarchisten in ihm sehen wollten: das Symbol einer untergegangenen Dynastie und Nostalgie einer vermeintlich glorreichen Vergangenheit.
Dass niemand aus seiner Familie als Thronfolger infrage kam – weder seine Schwester Leila noch sein Bruder Alireza, beide durch Suizid gestorben, zeigt die patriarchalen Strukturen seiner Anhängerschaft. Eine innere Erneuerung? Undenkbar.
Mit dem Aufstieg exiliranischer Satellitensender wie Manoto und Iran International begann Pahlavi, sich als politische Führungsfigur zu inszenieren. Sie schufen eine Bühne, auf der er nicht nur als Monarchist, sondern zunehmend als „Oppositionsführer“ auftrat – ohne sich je klar zu positionieren. Fragen nach seiner Haltung zu Republik oder Monarchie umging er konsequent. Sein Verhältnis zu Frauen, queeren Menschen oder ethnischen Minderheiten im Iran bleibt unklar bis ablehnend. Gerade diese Gruppen – zentral für die heutige Protestbewegung – begegnen ihm mit Misstrauen oder Ablehnung. Feministinnen, Linke, Aktivist:innen aus Belutschistan, Kurdistan oder Ahvaz – ihre Stimmen wurden in den Sendern, die Pahlavi stützen, konsequent marginalisiert.
Israels Angriff auf Iran kommentierte er nicht kritisch
Als sich im Herbst 2022 mit dem Slogan Jin, Jiyan, Azadî („Frau, Leben, Freiheit“) die progressivste Protestbewegung der letzten Jahrzehnte im Iran formierte, war Pahlavi wieder präsent – allerdings im Widerspruch zur Bewegung. Während die Parole kurdischen Ursprungs sich schnell im ganzen Land verbreitete, präsentierte seine Anhängerschaft ein Gegenmotto: „Mard, Mihan, Abadi“ („Mann, Heimat, Entwicklung“). Ein symbolischer Rückfall in nationale Männlichkeitsideale.
Pahlavi selbst trat vor die Kamera, hinter ihm Sticker der Iran-Flagge aus der Zeit seines Vaters, und erklärte, er werde nicht mit „Separatisten“ sprechen – gemeint waren Kurd:innen, Belutsch:innen und Araber:innen, die für Selbstbestimmung kämpfen. Dass gerade sie zu den am stärksten organisierten Oppositionskräften im Iran zählen, scheint ihn weniger zu beunruhigen als ihre Existenz.
Die Geschichte holt ihn immer wieder ein: Sein Großvater ließ Qazi Mohammad, den Mitbegründer der kurdischen Autonomiebewegung, hinrichten. Sein Vater bekämpfte jede Form von föderaler Selbstverwaltung mit Gewalt. Dass diese Wunden bis heute offen sind, scheint Pahlavi nicht zu sehen – oder zu ignorieren.
Dass Israel zwei Wochen lang Irans Lufthoheit praktisch außer Kraft setzte, kommentierte er nicht kritisch. Stattdessen sah er in der Eskalation eine Chance für einen Machtwechsel und rief von Paris aus zur Mobilisierung auf, während viele im Iran ums Überleben kämpfen. Zwar betont Pahlavi regelmäßig seine Treue zur „territorialen Integrität“ Irans – ein Begriff aus dem Völkerrecht. Doch er nutzt ihn als politisches Werkzeug, um ethnische Minderheiten zu unterdrücken. Es geht ihm nicht um das Prinzip, sondern um Kontrolle.
So bleibt ein Bild zurück, das zunehmend Risse bekommt. Reza Pahlavi wird von immer mehr Iraner:innen nicht als Integrationsfigur, sondern als Spalter wahrgenommen. Sein Schweigen zu kolonialen Kontinuitäten, sein Ausweichen vor zentralen Fragen der Gleichberechtigung, sein Ignorieren der Forderungen von Minderheiten – all das macht ihn zu einer Figur der Vergangenheit in einer Bewegung, die nach Zukunft verlangt.
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