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So wird das Food-Jahr 2026Der Trend geht zum Funktionspilz

Der Markt der Foodtrend-Vorhersagen wird immer unübersichtlicher. Unser Kolumnist hat sich durchgewühlt und weiß jetzt, was Swicy ist.

Pilz des Jahres 2026: Igelstachelbart Foto: W. Soestbergen imago/blickwinkel/imago

D er Trend geht zum Zweittrend? Schön wär’s. Für diese Kolumne wühle ich ja nun schon seit einiger Zeit zum Jahreswechsel im – der Trend geht zum Retrobegriff – WWW nach den Foodtrends der kommenden Saison, und würde mich inzwischen freuen, wenn es beim Zwölfttrend bliebe. Vom Spirituosenhersteller bis zum Tischreservierungsportal entdecken immer mehr Marken schön gestaltete Trendreports als Marketingtool. Der Trend geht zum Trendoverkill.

Der Food Navigator wirbt da gar mit der Schlagzeile „The single biggest food trend for 2026 revealed“. Und die Antwort lautet … Proteine! Selbst in Mineralwasser seien sie jetzt.

Das klingt gar nicht neu? Tatsächlich kommt das gute alte Eiweiß wieder in vielen Trendreports prominent vor. Parallel ruft die britische Supermarktkette Waitrose aber auch „The Great Carb Comeback“ aus, und mashed.com listet Protein-High-Dining unter den Dingen, von denen wir uns 2026 verabschieden dürfen (neben Pistazien und Hüttenkäse). Dafür sind Ballaststoffe im Kommen, bereits 2025 hat es der Social-Media-Trend Fibermaxxing ja bis in die Apotheken Umschaugeschafft. Der Trend geht also zur Ambivalenz.

Die gibt es auch in Sachen Swicy. Was auf Deutsch nach ungeduschten Füßen klingt, meint in Wirklichkeit die Kombination aus sweet und spicy, die beispielsweise im 2025 hochgehypten Hot Honey (man versetze Honig mit Chilis) anzutreffen ist. Während Swicy in manchen Segmenten (Kaffee! Cocktails!) 2026 eine große Sache sein soll, erklären andere es bereits für beendet und Fricy – fruity und spicy – zum Nachfolger. Und statt Hot Honey kommt jetzt Fermented Honey, so wie auch präzisionsfermentierte Proteine und co-fermentierter Kaffee wichtig werden. Merke: Der Trend geht zur Fermentationsdiversifikation.

wochentaz

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Allergrößte Einigkeit herrscht dafür beim Functional Food, also Lebensmitteln, die mit irgendeinem Zweit- und Drittnutzen bei der Selbstoptimierung helfen sollen. Das ist der eigentliche „single biggest food trend“, und hier haut vor allem die Women’s Health Buzzwords raus, dass es eine wahre Freude ist. Hydration 3.0! Post- und Parabiotika! Marine Adaptogene! Funktionale Pilze! Bei letzteren sollte man besonders auf den Igelstachelbart – englisch: Lion’s Mane – achten, ein flauschiger Geselle, der auch von den Trendfüchsen der Deutschen Gesellschaft für Mykologie zum Pilz des Jahres 2026 gekürt wurde.

Was ich mir selbst fürs neue Jahr wünsche? Dysfunctional Food. Der Trend geht zur Unproduktivität. Statt Protein und Kollagen lieber mal einen Schuss Ketamin oder MDMA mit in die Shakes, Flakes, Bowls und Buns mischen! Das weitet den Fokus, steigert die Serendipität und macht die Welt ein wenig sanfter.

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Michael Brake
wochentaz
Jahrgang 1980, lebt in Berlin und ist Redakteur der Wochentaz und dort vor allem für die Genussseite zuständig. Schreibt Kolumnen, Rezensionen und Alltagsbeobachtungen im Feld zwischen Popkultur, Trends, Internet, Berlin, Sport, Essen und Tieren.
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2 Kommentare

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  • Dieser Kult ums Essen geht mir unheimlich auf den Senkel. Es wäre besser, wenn alle diese "food-fans" sich mal bewußt würden, wie privilegiert sie sind, gemessen daran, dass z.B. die Mehrzahl der Menschen auf dieser Welt keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben und der Hunger wieder zugenommen hat. Die sollten sich besser politisch engagieren, als sich um "food-trends" zu kümmern, mit denen sie von cleveren "start-ups" über den Tisch gezogen werden.

    • @UriAvnerylebt!:

      Statt die Leute mit Whataboutism zu diskreditieren könnte man auch einfach anerkennen, dass unsere priveligierte Welt Probleme schafft, die man sich ohne diese Privilege nicht mal vorstellen kann.



      Diese Probleme lösen zu wollen ist durchaus legitim.



      Ich gebe aber gerne zu, dass diese Foodtrends eher Symptom als Lösung sind und man sich von denen besser fernhalten sollte. Ist aber halt schwierig, wenn man die Ursache der Probleme nicht kennt.