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Smart TVsDie Überwachung ist Programm

Moderne Fernseher überwachen, was wie lang geschaut wird und verkaufen diese Daten an Werbeanbieter. Unsere Kolumnistin hätte da noch ein paar Ideen.

Der smarte Fernseher von heute schaut zurück Foto: Ales/imago

N a, lag zu Weihnachten ein Smart-TV unterm Tannenbaum? Oder gab es keins zum Fest, weil längst ein Exemplar auf einer altarähnlichen Anrichte im Wohnzimmer steht? Das ist jedenfalls mittlerweile die Regel: In gut 70 Prozent aller Haushalte mit Fernseher befindet sich mindestens eines dieser vernetzten Geräte. Was das so kann und macht? Na ja: Serien oder Filme von entsprechenden Plattformen streamen hauptsächlich, herkömmliche Fernsehprogramme ausstrahlen, DVDs abspielen. Klar. Aber auch: die Nut­ze­r:in­nen praktisch im Sekundentakt überwachen.

Denn die Geräte erfassen in kurzen Abständen Bildschirminhalt und Ton, machen daraus einen digitalen Fingerabdruck und schicken diesen dann an die Hersteller der Geräte. Die vergleichen diese Fingerabdrücke mit dem, was die Film- und Serienanbieter so im Portfolio haben, und wissen damit, wer wann was wie lange schaut.

Damit es nicht ganz so auffällt, haben sich die Hersteller dafür lauter hübsche Namen ausgedacht. „Viewing Information Services“ ist ein Beispiel dafür. Klingt eher nach Handreichung für das Programm als nach digitaler Überwachung – und nein, das ist bestimmt kein Zufall.

Nichts leichter also als das Sammeln von werberelevanten Daten. Daher wird bei der Überwachung via Smart-TV bestimmt nicht Schluss sein.

Ein Vorschlag: mehr Information Services

Wie wäre es zum Beispiel mit „Cooling Information Services“: Klingt nach Informationen, wo im Kühlschrank welches Produkt am besten untergebracht wird, um die Haltbarkeit zu verlängern? Aber nein: Sensoren registrieren zwar genau, welchen Inhalt der smarte Kühlschrank hat, was und wie viel wann reingestellt und was rausgenommen wird. Das vergessene Gemüse verwelkt aber zusehends im unteren Fach, während die Tür eine regelmäßige Fluktuation an Rotwein-Flaschen registriert. Aha.

Und was ist mit den „Washing Information Services“ der vernetzten Waschmaschine, die keineswegs dazu dienen, Wasser- und Waschmittelverbrauch möglichst genau auszutarieren? Sie registrieren stattdessen minutengenau, welches Waschprogramm wann angestellt wird und wie voll die Maschine dabei beladen wurde.

Besonders werberelevant sind diese Informationen, wenn sie dann noch mit den Daten des „Smart Key Service“ kombiniert werden, die das vom Vermieter ungefragt eingebaute digitale Wohnungstürschloss erhebt. Hauptsache, die verraten nicht dem oder der Falschen, wann die Be­woh­ne­r:in­nen üblicherweise länger außer Haus unterwegs sind.

Dystopisch? Ja. Komplett unrealistisch? Hoffentlich. Aber das Schöne ist: Was die Überwachung beim Smart-TV angeht, die lässt sich ausschalten. Im Internet gibt es Anleitungen für die Menüs der verschiedenen Hersteller – und wer die richtige gefunden hat, muss für das Deaktivieren vom Zeitaufwand her nicht einmal einen Urlaubstag nehmen. Das geht also noch am ersten Wochenende des neuen Jahres, ganz ohne zusätzlichen Vorsatz. Der kann dann für das Aufräumen des Kühlschranks genutzt werden.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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4 Kommentare

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  • Organspenden gegen Geld ist verboten.



    Leihmutterschaft ist verboten.



    Hund nicht anleinen ist verboten.

    Aber Datenhandel jedeweder Art ist erlaubt.

    Komisch, nicht wahr ?

  • Ich hab sowas nicht, nehme den Computermonitor, aber gegen solche Art Überwachung kann man bestimmt klagen und dann wird es richtig teuer und ungemütlich für die "Serviceanbieter".

  • Ja mei, jedes netzfähige Gerät sammelt und verwertet Daten, wenn mans denn zulässt. Das is ja nun echt nix Neues. Wem Datenschutz am PC oder am Telefon wichtig ist, der schaltet Telemtrie weitestgehend ab, installiert AdBlocker, PrivacyAddons oder AntISpy Tools.



    Und wenn man nen "modernen" Fernseher hat, selbstverständlich Tracking ausschalten, ACR verbieten. Selbst mit ner einfachen Google Suche findet man, wie das beim eigenen Gerät funktioniert. Und wer sich nen smarten Kühlschrank kauft, dem is eh alles wurscht.

  • Wissen ist Macht.

    Und wer seine Daten leichtfertig abgibt, gibt anderen Macht über sich. Big Brother ist heute eben sehr mächtig und geschickt.

    Hier noch ein sehr bedenkliches Beispiel:

    www.heise.de/news/...itaet-9295153.html

    Eine echte Steilvorlage für Dystopen..ich erinnere da nur mal an *Cambridge Analytica*...