Simone Schmollack über das Mauern im Duogynon-Skandal: Opfer ohne Lobby
André Sommer kam mit Missbildungen an Blase und Penis zur Welt. Seine Mutter hatte während ihrer Schwangerschaft Duogynon eingenommen. Anderen Babys, deren Mütter das Medikament ahnungslos als Schwangerschaftstest geschluckt hatten, fehlten Gliedmaßen oder sie wurden mit Wasserkopf oder anderen Schädigungen geboren.
Die Duogynon-Fälle erinnern fatal an den Contergan-Skandal in den frühen 60er Jahren. Mit einem Unterschied: Während bei dem aufsehenerregenden Prozess um Contergan, das 5.000 bis 10.000 Opfer forderte, am Ende hohe Entschädigungssummen ausgehandelt wurden, scheinen die Duogynon-Opfer, immerhin auch einige Tausend, leer auszugehen. Denn offiziell konnte die Wirkung von Duogynon auf schwangere Frauen und die Föten nicht nachgewiesen werden.
Doch der Geschädigte Sommer ist sich sicher, dass er das beweisen kann. Er hat den Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann, um Hilfe gebeten. Doch der lässt ihn im Stich. So jedenfalls müssen es Sommer und andere Geschädigte empfinden, wenn sie hören, dass Laumann nur an größtmögliche Transparenz „appellieren“ könne.
Kann er tatsächlich nicht mehr tun? Ist die Bundesregierung so schwach, dass sie einem Unternehmen, das mit der Gesundheit von Menschen handelt, die Öffnung seiner Archive nicht auferlegen kann?
Beim Contergan-Prozess wurde zunächst ähnlich gemauert, der Pharmakonzern wies jede Schuld von sich. Bis sich ein direkter Zusammenhang zwischen Pille und Missbildungen nicht mehr leugnen ließ. Den Opferanwälten ist es schließlich gelungen, hohe Entschädigungssummen herauszuholen. Die heute unter anderem der Bund zahlt – als Opferrenten.
Ein Anwalt von Duogynon-Opfern vermutet hinter den fest verschlossenen Akten „Versuche an Frauen“. Ein harter Vorwurf. Der sich angesichts des Schweigens des Pharmakonzerns allerdings aufdrängt.
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