Sicherheit an Hamburger Schulen: Linke findet sich mit Schulpolizisten ab
Hamburgs Linke will sich bei der anstehenden Wahl nicht gegen „Cop4U“ positionieren. Dabei ist diese Zusammenarbeit von Polizei und Schule umstritten.
Das ist nun vom Tisch. „Nach weiterem Austausch sind wir zu dem Schluss gekommen, dass Cop4U für viele Lehrende eine wichtige Entlastung ist, die auch einen offeneren Zugang zur Polizei bilden kann. Eine reine Streichung der Cop4U ist damit diskutabel und sollte nicht in unser Wahlprogramm“, heißt es zur Begründung.
238 Cop4U-Stellen gibt es bei der Polizei, je eine für zwei Schulen. Sie sind eine Säule des Konzepts „Handeln gegen Jugendgewalt“ von 2009, das vor allem unter Sozialarbeitern und in der Jugendhilfe umstritten ist. Unter anderen sieht es eine Obacht-Datei vor, in der auffällige Schüler gespeichert werden. Zu Beginn der aktuellen Legislatur, 2021, eskalierte ein Konflikt vor der Hamburger Ida-Ehre-Schule, als ein Cop4U einen 13-Jährigen zu Boden brachte und umstehende Schüler sich mit dem Jungen solidarisierten. Details aus der Datei über dieses Kind sickerten zur Presse durch, was zu medialer Hetze führte.
„Cop4U ist der falsche Weg“, kritisierte damals die Forscherin Sinah Mielich im taz-Interview. Sie hatte Polizisten im Alltag begleitet und erlebt, wie diese für Konflikte an Schulen geholt wurden, die pädagogisch gelöst gehörten. Damals forderte die Linken-Schulpolitikerin Sabine Boeddinghaus: „Das Konzept des Cop4U muss auf den Prüfstand. Das gesamte Konzept ‚Handeln gegen Jugendgewalt‘ muss evaluiert werden und mindestens dahingehend überarbeitet werden, dass das Primat der Pädagogik gehört.“
Mehr Gespräch nötig
Ralf Dorschel, Sprecher der Linksfraktion, erklärt nun: „Der ursprüngliche Entwurf kam aus der LAG Bildung, drehte dann aber bei der Redaktion des Programmentwurfs ein paar Extrarunden“. Die Linke habe sich dagegen entschieden, die Forderung in einem Zweizeiler ohne weitere Erläuterung ins Programm zu werfen. „Generell gilt: Unser Ziel ist keine Cop4U, weil die Polizei sich auf Gefahrenabwehr und Strafverfolgung konzentrieren soll.“ Doch um Schüler, Eltern und Lehrkräfte mitzunehmen, bedürfe es „mehr Gespräche“.
„Uns haben Lehrkräfte, die jeden Tag an der Schule arbeiten, gesagt, dass Cop4U für sie Momentan eine große Unterstützung ist“, erläutert Sabine Boeddinghaus. „Klar stellen wir uns eine Schule vor, wo es Cop4U nicht geben muss. Aber das ist ein Prozess und wir müssen diskutieren, wie wir da hinkommen“.
Erneut aktuell wird das Thema auch durch eine Mitteilung der Hamburger Lehrergewerkschaft GEW zur Gewalt an Schulen. Darin schreibt die Gewerkschaft, dass es einen Anstieg von gefährlichen Körperverletzungen an Schulen gab. Die Übergriffe auf Beschäftigte hätten sich mehr als verdoppelt. Wie die Schulbehörde einräumt, gab es im Schuljahr 2023/24 219 gemeldete Gewaltvorfälle, von denen 25 Beschäftigte betrafen. „Die Fachleute für Gewaltprävention gehen davon aus, dass die erhöhten Fallzahlen nach 2021 Nachwirkungen der Coronazeit sind“, sagt Sprecher Peter Albrecht. Es sei Folge besonderer psychosozialer Belastungen sowie der Entwöhnung von sozialen Verhaltensweisen. Tatsächlich lag etwa 2016 die Zahl auf einem ähnlichen Niveau.
Der GEW-Landesvorsitzende Sven Quiring sagt: „Auch wenn es hier Wellen gibt, uns beunruhigen diese neuen Zahlen und wir wollen die Beschäftigen schützen.“ Nötig wären mehr Prävention und Schutzmaßnahmen, wie etwa Streitschlichter vor Ort. Zudem wäre es kontraproduktiv, dass Sozialarbeiter an Schulen als Vertretungskräfte missbraucht werden. Eine entsprechende Richtlinie sei kürzlich dahingehend aufgeweicht worden. Die Kontroverse um den Sinn der Cop4U habe die GEW „zur Kenntnis genommen“, dies aber nicht selbst diskutiert, sagt Quiring. „Meine persönliche Meinung ist, dass ein gut eingebundener Cop4U hilfreich für die Schulgemeinschaft sein kann.“
Zu sehr aufs Strafrecht fixiert
Zumindest in der Linken könnte die Diskussion weitergehen. „Die Polizei hat in dieser dauerhaften Form nichts an den Schulen zu suchen“, sagt Ronald Prieß, der in der LAG Kindheit und Jugend mitwirkt. Es sei richtig, wenn die GEW kritisiert, dass Sozialarbeiter für Vertretung missbraucht werden und hier mehr Fachkräfte fordert.
„Ein Cop4U-Beamter unterliegt aber dem Legalitätsprinzip und muss Strafanzeigen stellen, wenn er von Vorfällen erfährt, auch für strafunmündige Kinder“, sagt Prieß. Der ganze Diskurs um Jugendgewalt in Hamburg sei zu sehr auf Strafrecht und Polizei zentriert und hebele die Mitwirkungsrechte von Kindern aus.
Anmerkung der Redaktion: Im Zitat im zweiten Absatz war uns ein Fehler passiert. In der Ursprungsfassung hieß es, die Streichung wäre „indiskutabel“, es stand in dem Änderungsantrag aber das Wort „diskutabel“. Das haben wir korrigiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“